Fahrbericht Honda Civic Tourer:Augen zu und durch

Lesezeit: 3 min

Das Design des Honda Civic Tourer ist gewöhnungsbedürftig. (Foto: STG)
  • Der Honda Civic Tourer 1.6 i-DTEC ist ein solider Kombi mit viel Platz. Die eigenwillige Optik führt aber zu Problemen bei der Rundumsicht.
  • Die Verarbeitung ist auf einem guten Niveau und der Honda bleibt selbst bei hohen Geschwindigkeiten stabil in der Spur.
  • Der Honda fristet auf deutschen Straßen noch immer ein Nischendasein. Etwas mehr als 2000 Exemplare wurden im dritten Quartal 2014 in Deutschland verkauft.

Von Felix Reek

Eine Zehntelsekunde braucht ein Mensch, so sagt die Wissenschaft, um das Gegenüber einzuschätzen. Der berühmte "erste Eindruck". Revidieren lässt sich dieser meist nicht mehr. Viel länger dauert es auch nicht, um den Honda Civic Tourer einzuschätzen. Die Freundin sagt: "Der ist ganz schön hässlich." Der Besuch übers Wochenende: "In dem möchte ich aber nicht gesehen werden." Schönheit ist ja bekanntlich sujektiv, doch der japanische Kombi ruft vor allem Ablehnung hervor.

Autos wird heute vorgeworfen, sie sähen alle gleich aus. Zumindest das kann man nicht vom Honda behaupten. Die Formen bewegen sich außerhalb aller Konventionen. Eine lange, schräge Front, ein spitz zulaufendes Heck. Der Civic Tourer sieht aus wie ein Geodreieck auf Rädern. Vielleicht sieht man ihn deswegen so selten auf deutschen Straßen. Bereits die letzte Generation des seit 1972 produzierten Civic verschreckte mit seinem futuristischen Design die Käufer in der Kompaktklasse. Der Nachfolger ist noch extremer.

Knöpfe gibt es im Civic reichlich - und der Lenkradkranz versperrt den die Sicht auf den Tacho. (Foto: STG)

Steuern wie im Raumschiff

Das radikale Konzept macht selbst vor dem Innenraum nicht halt. Der Civic sieht aus wie die Steuerkonsole eines Raumschiffes. Überall sind Knöpfe. Um zu verstehen, was sie alles bewirken, braucht es Zeit. Und selbst dann ist man sich noch nicht sicher. Das Navigationsgerät ist unübersichtlich und fordert permanent, wenn man einmal falsch abgebogen ist, man solle zur Route zurückkehren. Wie man die findet, sagt es nicht. Der Eco-Knopf, der links neben dem Lenkrad sitzt, ist zwar nicht zu übersehen, aber ob er wirklich etwas bewirkt, merkt man nicht. Laut Broschüre von Honda soll er die "Kraftstoffeffizienz optimieren, indem er die durch unterschiedliche Fahrstile entstehenden Differenzen im Kraftstoffverbrauch minimiert." Aha. Der Honda benötigt also weniger Diesel, wenn der Fahrer sparsam fährt. Danke für diese Erkenntnis.

Dabei ist der Honda wahrlich kein schlechtes Auto. Die Sitze sind äußerst bequem und mit 624 Litern ist der Kofferraum größer als bei der Konkurrenz. Daran könnten sich Golf Variant (605 Liter) und Opel Astra Tourer (500 Liter) ein Beispiel nehmen. Mit umgeklappten Sitzen kommt der Honda auf 1668 Liter. Zudem ist die Ladeöffnung extrem breit und niedrig. Auch die Verarbeitung ist gut und entspricht den Anforderungen in dieser Klasse: unauffällig und stabil.

Viel Platz gibt es im Kofferraum, der sich durch das Herausnehmen des Bodens noch einmal erweitern lässt. (Foto: STG)

Der Dieselmotor ist mit gerade einmal 120 PS selbst bei niedrigen Drehzahlen durchzugsstark und beschleunigt den Honda angemessen bis zur Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h. Fahrschwächen leistet sich der Japaner keine, selbst bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn bleibt er stabil und ist erstaunlich leise. Der Verbrauch ist mit 6,6 Litern Diesel im Schnitt für ein Auto dieser Größe akzeptabel. Das relativiert sich aber, wenn man ins Datenblatt des Civic schaut. Dort ist ein Durchschnittsverbrauch von 3,9 Litern Diesel vermerkt.

In Sachen Ausstattung gibt es nicht viel auszusetzen. USB, 12-Volt-Stromanschluss, Aux-In für die Musik vom Smartphone, diverse Fahrassistenten, per Aufpreis bietet der Honda alles, was heute als Standard zu bezeichnen ist. Nur bei der Verbindung des Smartphones per Bluetooth hakt es. Spätestens nach dem zwanzigsten gescheiterten Verbindungsversuch verlässt den Fahrer der Enthusiasmus. Das ärgert. Genauso wie die Frauenstimme, die im Befehlston fordert, sich anzuschnallen. Das hat zumindest den Vorteil, dass im Civic Tourer garantiert niemand ohne Gurt fahren wird.

Praktisch: Beim Honda lassen sich die Rücksitze hochklappen. (Foto: STG)

Größtes Manko ist allerdings die schlechte Sicht aus dem Honda. Die stark gekrümmte Frontscheibe reckt sich geradezu der Stirn des Fahrers entgegen und nach hinten raus ist es nicht besser. Bedingt durch die futuristische Form gibt es am Heck nur ein schmales Fenster. Das ist aber immer noch besser als beim Kompaktmodell, da versperrt ein Spoiler den Blick aus der Scheibe.

Mutiges Design, wenig Rundumsicht

Womit wir wieder beim Thema Optik wären. Die verschreckt eben nicht nur Käufer, sie hat auch handfeste Nachteile, die die Sicherheit des Honda beinträchtigen. Gerade im Stadtverkehr sind Autofahrer auf eine gute Rundumsicht angewiesen. Ein bisschen weniger Mut in Sachen Design hätte dem Honda also nicht geschadet.

Die gewöhnungsbedürftige Optik schlägt sich auch in den Verkaufszahlen nieder: Etwas mehr als 2000 Exemplare des Civic hat Honda im dritten Quartal 2014 in Deutschland abgesetzt. Der Spitzenreiter VW Golf liegt bei fast 70 000 Einheiten. Für viele zählt bei einem Auto eben doch noch immer der erste Eindruck. Aber vielleicht bekommt der Honda Civic Tourer doch noch eine zweite Chance. Bei Menschen trügt der erste Eindruck schließlich auch oft.

Technische Daten Honda Civic Tourer 1.6 i-DTEC:

R4-Dieselmotor mit 1,6 Litern Hubraum; Leistung 88 kW (120 PS); max. Drehmoment: 300 Nm bei 2000/min; Leergewicht: 1412 kg; Kofferraum: 624 - 1668 l; 0 - 100 km/h: 10,5 s; Vmax: 195 km/h; Testverbrauch: 6,6 l / 100 km (lt. Werk: 3,9; CO2-Ausstoß: 103 g/km); Euro 5; Grundpreis: 21 750 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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