Elektroautos in Deutschland:Von den internationalen Rivalen abgehängt

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Mit dem Ladekabel auftanken: Elektroautos tun sich in Deutschland schwer. (Foto: dpa)

Mit viel Marketing bringen die deutschen Autokonzerne in diesen Monaten ihre ersten Elektrofahrzeuge auf den Markt. Dabei tobt hinter den Kulissen längst ein Kampf um die wichtigen Patente für die neuen Modelle - denn die liegen zum großen Teil gar nicht in Deutschland. Und das könnte noch hohe Kosten verursachen.

Von Thomas Fromm

Diesen Vorwurf wollten deutsche Autohersteller in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr hören: dass sie das Elektroauto-Zeitalter komplett verschlafen, sich zu sehr auf Benziner und Dieselmotoren konzentrieren, während die Konkurrenz aus Asien längst an der Technologie von morgen feilt und Rivalen aus Frankreich schon mit ersten Serienautos auf der Straße sind.

Elektromobilität sei "kein Kurzstreckensprint, sondern ein Marathon" - so formuliert es Audi-Chef Rupert Stadler. Und so ähnlich sagen es alle. Und wenn in der nächsten Woche die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt beginnt, dann werden sie ihre wenigen Elektroautos in die erste Reihe schieben. Allein bis Ende 2014 sollen 16 neue E-Auto-Modelle bei den Händlern stehen.

Verschlafen? Von wegen. Wir sind da.

Dabei ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die deutschen Autohersteller tatsächlich beim Elektroauto abgehängt werden. Nicht weil ihnen die Modelle fehlen. Die haben sie, wenn auch nicht allzu viele. BMW kommt im Herbst mit dem i3, VW bringt den E-Up und den E-Golf, Opel ist schon mit dem Ampera am Markt. Das Problem der Konzerne sieht man nicht unmittelbar auf der Straße, und auch die Kunden bekommen nur wenig direkt davon mit.

Was den Deutschen und den anderen europäischen Herstellern fehlt, sind die entscheidenden Patente. Denn die liegen woanders: in Asien, den USA und oft nicht einmal bei Autokonzernen, sondern irgendwo. Bei Firmen wie Hitachi, Toshiba oder Panasonic. "Die Hersteller haben einen großen Teil der Kompetenz, die sie für Elektroautos benötigen, oftmals nicht im eigenen Haus", sagt Jens Koch von der Münchner Patentanwaltskanzlei Grünecker. Dabei sei es "schon ein Problem, wenn wichtige Patente massenweise woanders liegen".

Die Anwälte der Kanzlei haben eine Studie gemacht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Schlussfolgerungen sind so etwas wie ein Alarmruf: Die großen Autokonzerne müssen sich sputen, um aufzuholen. Andernfalls drohen sie tatsächlich langfristig abgehängt zu werden. "Wenn sich die traditionellen Hersteller nicht beeilen, werden sie künftig nicht mehr die dominante Rolle wie heute spielen", sagt Koch. Denn: "Es findet ein Umbau in der Industrie statt - und der hat bereits begonnen."

Demnach sieht der Umbau so aus: Rund 125 Jahre nach der Erfindung des Autos fristen die E-Fahrzeuge zwar noch ein Nischendasein - für dieses Jahr rechnet man gerade mal mit 3000 Stromern in Deutschland. Hinter den Kulissen, in den Forschungsabteilungen der Unternehmen, bereitet man sich aber schon auf den großen Wandel vor. Ende 2012 gab es an die 6000 Patentanmeldungen für Elektroautos - ein historischer Rekord. Allerdings: Nur 40 Prozent der E-Auto-Patente kamen aus den Autohäusern.

Der große Teil dagegen wurde von IT-Konzernen und Zulieferern eingereicht. Man kann es so interpretieren: Die Autohersteller, bisher die Platzhirschen in einem Geschäft, in dem sich alles um PS, Benzin und Motoren drehte, verlieren allmählich die Hoheit auf ihrem eigenen Terrain. "Wer keine eigenen Patente hat, ist eher bereit oder genötigt, Kompromisse einzugehen", glaubt Patentanwalt Koch. "Das kostet Geld und bedeutet: Wettbewerbsnachteile. Man wird angreifbarer." Denn wer Patente habe, könne seine E-Autos günstiger und schneller am Markt platzieren. Und seinen technologischen Vorsprung auch noch lukrativ an die Konkurrenz weitergeben - als Lizenzen.

Auch innerhalb der Autoszene gibt es ein klares Patent-Gefälle: Die Japaner von Toyota und der koreanische Angreifer Hyundai haben in den vergangenen zehn Jahren über 1000 Patente für Elektroautos angemeldet. Zum Vergleich: Beim europäischen Marktführer VW, der in den nächsten fünf Jahren größter Autokonzern der Welt werden will, waren es nach der Grünecker-Studie gerade mal 67 Patente. Der chinesische Newcomer Chery reichte zwischen 2002 und 2012 191 E-Auto-Patente ein - so viele wie der Stuttgarter Premiumbauer Daimler.

Der Kampf um die Vorherrschaft bei E-Autos hat in der Branche längst begonnen - es ist derzeit vor allem ein Kampf um die wichtigen Patente. Die großen Autohersteller haben das verstanden und melden immer mehr eigene Technologien für die alternativen Antriebe an. Während die Anzahl neuer Patente bei konventionellen Antrieben in den vergangenen sechs Jahren um fünf Prozent zurückgegangen sei, seien die für Elektroautos um 125 Prozent gestiegen, rechnet das "Center of Automotive Management" in Bergisch Gladbach vor.

So bleibe den Konzernen gar nichts anderes übrig, als sich auf die große Schlacht der Patente einzulassen und viel Geld in neue Technologien und Forschung zu stecken. Allerdings kostet dies nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Schneller geht es, sich den Zugriff auf Technologien über Kooperationen zu besorgen. "Die Zusammenarbeit von BMW und Toyota oder Daimler und Tesla ist dafür ein gutes Beispiel", sagt Patentanwalt Jens Koch.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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