Elektromobilität:Darf das Auto bellen, wiehern oder sogar sprechen?

Wie der Sound des AVAS klingen soll, gibt die EU-Verordnung nicht genau vor. Geregelt ist lediglich, dass "das Schallzeichen mit dem Geräusch eines Verbrennungsmotors vergleichbar" sein muss. Damit sind die langen, fantasiereichen Diskussionen vom Tisch, ob ein E-Auto künftig bellen, wiehern, Klingeltöne abspielen oder gar sprechen könnte. So schräg das klingen mag, glaubt man Welf Stankowitz, stand das alles mal zur Debatte. Das sei aber natürlich alles Unsinn gewesen.

Außerdem soll das Geräusch laut EU "eindeutig auf das Fahrzeugverhalten hinweisen". Sprich, Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer müssen erkennen können, ob das Auto bremst oder beschleunigt. Diese Richtlinien lassen den Autobauern dennoch Spielraum, ihren individuellen Elektrosound zu entwickeln.

Eine Limousine klingt anders als ein Roadster

Den nutzen sie auch kräftig: So vergleicht BMW-Sprecher Wieland Brúch den Klang der Elektrofahrzeuge seines Unternehmens mit einer Turbine, Typ "Raumschiff Enterprise". Beim französischen Hersteller Renault soll der Fahrer zwischen drei unterschiedlichen Tönen auswählen können; wonach die klingen, wollte der Hersteller nicht verraten. Das Partnerunternehmen Nissan hat seinem Sound für künftige Elektrofahrzeuge 2017 sogar schon einen Namen gegeben: "Canto" heißt er und leitet sich vom lateinischen "Ich singe" ab.

Die Sounds sind bei einigen Autobauern auch je nach Fahrzeugtyp verschieden. So strebt Mercedes an, dass sich eine Limousine im Klang "entsprechend eindeutig" von einem sportlichen Roadster unterscheidet; ebenso sollen die E-Autos von BMW je nach Modell und Marke andere Geräusche von sich geben. Unterschiede gibt es außerdem im Innenraum: Während das AVAS im Inneren von BMW-Elektroautos nicht zu hören sei, setzt Daimler sogar "einen Fokus" darauf: "Der Fahrer will hören, was er tut", begründet Sprecherin Madeleine Herdlitschka. Der Sound des Antriebs vermittle Information und Emotion.

Der Fahrer kann den Sound abdrehen

Ein eher im Kleingedruckten verstecktes Detail der EU-Verordnung macht dann doch stutzig: Es besagt, dass das AVAS über einen "für den Fahrer leicht erreichbaren Schalter" verfügen muss, mit dem er das System ausschalten kann. Beim Neustart des Fahrzeugs soll das System dann automatisch wieder angeschaltet sein. Die meisten Autobauer haben die Verordnung hier beim Wort genommen; nur in Nissan-Fahrzeugen ist der Sound im Vorwärtsgang nicht abschaltbar, im Rückwärtsgang aber sehr wohl.

Sicherheitsexperte Siegfried Brockmann reagiert auf die Abschaltoption mit großem Unverständnis. Das sei "absolut nicht sinnvoll". DVR-Mann Stankowitz hält das hingegen für "keine ganz große Sache". Manche Situationen erforderten einfach, dass das Auto kein Geräusch von sich gebe. Wichtiger sei für ihn noch etwas anderes: Die EU schreibt nicht vor, dass ein Stromer schon beim Starten ein Geräusch abgeben muss - wie etwa das einer Zündung. Das sei aber wünschenswert, so der Experte: "Höre ich das Auto erst, wenn es anfährt, kann es schon zu spät sein."

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David Nowotny ist als Sound-Designer in einer kleinen Firma tätig, die mitunter für BMW an Motorengeräuschen arbeitet.

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David Nowotny arbeitet als Sound-Designer für Autofirmen. Er beeinflusst, wie sich unsere Welt anhören wird.

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