Fahrbericht:Viel Leistung, viel Hitze

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E-Mobilität auf die Schnelle: Mercedes EQZ, Audi E-Tron, Porsche Taycan (Foto: Hersteller)

Erste Fahreindrücke von den neuen Luxusstromern aus Deutschland: Der Audi E-tron, Mercedes EQC und Porsche Taycan zeigen die Stärken des Elektroantriebs - und seine Schwächen.

Von Georg Kacher

Als man in Untertürkheim, Ingolstadt und Zuffenhausen fast gleichzeitig beschloss, Tesla endlich ernst zu nehmen, war Eile angesagt. Mercedes verabschiedete in Rekordzeit den EQC, ein voll elektrisches Derivat des GLC. Audi entschied sich für ein Batteriefahrzeug, das möglichst viele Elemente von Q5 und Q7 verwenden sollte. Der Porsche-Schnellschuss namens Taycan war als einziger Edel-Stromer eine Neuentwicklung.

Alle drei hier beschriebenen Flüster-SUV fahren ihre Batterie-Pakete zwischen den Achsen spazieren. Bei Audi und Mercedes entschied man sich für monolithische Akku-Gebilde mit zunächst 95 kWh (E-tron) und 80 kWh (EQC). Der topografische Aufbau des bis zu 105 kWh starken Energiespenders im Porsche Cross Turismo macht die Batterie im Heckbereich zur Stapelware, ermöglicht dafür an anderer Stelle aber eine flachere Bauweise mit Aussparungen für die sogenannten Fußgaragen.

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Der Audi sollte eigentlich noch in diesem Jahr ausgeliefert werden, der Preis beginnt bei 79 900 Euro. Software-Probleme verschieben den Start auf 2019, ein Jahr später sollen der schnittigere E-tron Sportback und eine Performance-Variante mit rund 375 kW kommen. Bei Mercedes beginnt die Ära der Vollelektrisierung im Frühsommer 2019 mit dem 300 kW starken EQC 400. Ein Jahr später soll der etwa 66 000 Euro teure EQC 300 (220 kW) folgen. Porsche plant vom Taycan Crossover, der ab Herbst 2020 zu Preisen knapp unter 100 000 Euro verfügbar sein soll, drei Versionen mit 294, 368 und 440 kW.

Die Fahrleistungen entsprechen dem unterschiedlichen Selbstverständnis der drei Marken. Der bei 200 km/h abgeregelte E-tron braucht 6,6 Sekunden für den Spurt von null auf 100 km/h. Mercedes bremst den EQC bei 180 km/h ein, schafft die Beschleunigungsübung aber in flotteren 5,1 Sekunden. Der kräftigste Porsche beamt sich in weniger als 3,5 Sekunden auf 100 und zieht erst bei 250 km/h den Stecker.

Der Fahrer erlebt in allen drei Autos eine neue Welt - leise, frei von Vibrationen, geprägt von Instant-Ansprechverhalten, unerwartet spätem Leistungsabfall und unerschütterlicher Reproduzierbarkeit. Während Tesla spätestens nach dem dritten Vollgas-Spurt die Leistung abdreht, verspricht Audi zehn Wiederholungen am Stück. Auf der Autobahn darf sogar zwanzig Minuten lang das Gaspedal ans Bodenblech geheftet werden, ehe es den Akkus zu warm wird. Mercedes verspricht ähnliches Stehvermögen, Porsche simuliert bereits Rekordrunden auf der Nordschleife des Nürburgrings.

Vergleichbares Niveau bei theoretischen Reichweiten und Ladezeiten

Alle drei Schwergewichte (E-tron 2450 Kilogramm, EQC 2425, Taycan CUV 2150) glänzen mit selbsttätig zuschaltendem oder permanentem Allradantrieb, dynamischer Drehmomentverteilung und Verstell-Fahrwerk. Auch die theoretischen Reichweiten von 400 bis 500 Kilometer, die Drehmoment-Spitzen (Audi 664 Newtonmeter (Nm), EQC 765 Nm, Taycan bis zu 1000 Nm) und die Ladezeiten liegen auf vergleichbarem Niveau.

Weil jedes E-Auto seine Batterien durch Rekuperieren während der Fahrt nachladen muss, verdient dieses Thema besondere Aufmerksamkeit. Der E-tron regeneriert die Zellen entweder im Automatikmodus oder per Schaltpaddel - links weniger stark, rechts stärker. In Stufe 1 darf ohne bremsendes Schleppmoment gesegelt werden, in Stufe 2 wird relativ behutsam verzögert, in Stufe 3 ersetzt schon simples Lupfen in neun von zehn Fahrsituationen den Tritt auf die Bremse. Auch der EQC kann in zwei Stufen mehr oder weniger Energie regenerieren. Der Projektleiter Michael Kelz und sein Kollege von Audi, Markus Siewert, schätzen beide das One-Pedal-Feeling, das in der höchsten Rekuperationsstufe die hydraulische Bremse praktisch arbeitslos macht. Stefan Weckbach von Porsche ist dagegen kein Freund von Autos, die schon beim Gas wegnehmen deutlich langsamer werden. Deshalb belässt es der für den Taycan zuständige Entwickler bei einem einzigen Rückgewinnungsmodus, der auch noch gezielt angewählt werden muss.

Der Taycan besitzt als einziges Fahrzeug in diesem Trio ein Zweigang-Lastschaltgetriebe. Ohne die längere Übersetzung würden Porsche-typische 200 km/h und mehr auf der Autobahn die Reichweitenanzeige geradewegs in die Depression treiben. Mercedes und Audi kommen mit einem Eingang-Räderwerk aus, das dafür sorgt, dass beide Motoren stets auf Zack sind, den Drehmomentfluss sauber ausbalancieren und das Umschalten vom Segeln zum Gasgeben absolut ruckfrei gestalten. Elektrisch fahren heißt gleiten statt hetzen. Deshalb ist es entscheidend, dass der Bewegungsablauf vom Ampelstart bis zur Notbremsung vorausschauend im Fluss bleibt. Der Mercedes beherrscht diese Übung mit nachdrücklicher Geschmeidigkeit, der Audi macht ansatzlos-lässig Meter, der Porsche zoomt sich mit variabler Brennweite in Richtung Horizont.

Die Leistungsangaben lesen sich wie Zitate aus dem Guinnessbuch der Rekorde, doch die numerischen Superlative verraten nicht die ganze Wahrheit. So steht im E-tron der maximale Nennwert von 300 kW nur während der zehn Sekunden langen Boost-Phase zur Verfügung. Danach sind für weitere 60 Sekunden 265 kW abrufbar. Die Dauerleistung beträgt dagegen vergleichsweise bescheidene 140 kW. Einen ähnlichen Abbau von Elan und Ehrgeiz verzeichnet auch die Konkurrenz. Was lehrt uns das? Dass Reichweiten schmelzen wie Eis in der Sonne, wenn Batterie, Motoren und Leistungselektronik keine Verschnaufpausen einlegen dürfen. Besonders kritisch sind die hohen Betriebstemperaturen, die isolierte Stecker und Ladekabel, zusätzliche Kühlkreisläufe und passives Wärmemanagement notwendig machen. Auch diesbezüglich sitzen alle drei Marken im gleichen Boot.

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Elektrisch fahren ist eine leichte Übung. Startknopf drücken, Gang einlegen, Gas geben - das war's schon. Oder auch nicht. Denn erst die stimmige Adaption und Integration der Systeme macht Stromern zum Vergnügen. Nur der Audi kann beispielsweise beim Segeln und beim Bremsen rekuperieren. Das ist im Prinzip eine feine Sache, sorgt aber an der Schwelle zwischen der passiven und aktiven Verzögerung für eine kurze Denkpause, die den Fahrer als Reaktion zu deutlich höherem Pedaldruck zwingt. Taycan und EQC präsentieren sich als ähnlich nachdrückliche Energieumwandler, doch die Unterschiede in Bezug auf Kraftaufwand, Pedalweg, Ansprechverhalten, Reproduzierbarkeit und Bremswirkung sind unerwartet ausgeprägt. Keine Frage - Eingewöhnung ist hier die halbe Miete.

E-Autos wiegen mindestens soviel wie gleich lange SUV, aber der niedrige Schwerpunkt verbessert die Straßenlage und die Achslastverteilung könnte ausgeglichener kaum sein. Der Mercedes federt vorne mit Stahl und hinten mit Luft, Audi setzt rundum auf Luftfederung, Porsche kombiniert wie der E-tron Luftfederung und Hinterachslenkung. Der Taycan offeriert fünf Fahrprogramme, der E-tron bietet ebenfalls die Möglichkeit der dynamischen Individualisierung, im EQC ist mit D Auto ein vollautomatisierter Modus anwählbar.

Mercedes beherrscht die Sprachsteuerung mit MBUX aktuell besser als die Wettbewerber, Audi punktet mit drei hochauflösenden Displays, Porsche versucht eine Kombination aus schlichtem Retrodesign und erweiterter Funktionsvielfalt. Das klappt in allen drei Fällen allerdings erst dann ohne Widerrede, wenn man sich Zeit genommen hat für eine gründliche Einweisung.

Ladepausen von 20 Minuten und mehr stellen selbst tiefenentspannte Mitmenschen auf die Probe, die Reichweitenangst lässt sich auch durch immer neue Infrastruktur-Versprechen nicht völlig aus der Welt schaffen, der fast geräuschlose Auftritt zwingt E-Piloten im Stadtverkehr zu erhöhter Vorsicht, das Gewichtshandicap passt so gar nicht zur prinzipbedingten Lässigkeit des Antriebs.

Audi hat dem E-tron ein komplett abschaltbares ESC in die Wiege gelegt, für den Fall, dass sich ein Hooligan hinter das Lenkrad verirren sollte. Mercedes denkt über eine 400 kW starke AMG-Variante des EQC nach und plant bereits weitere Crossover auf Basis einer maßgeschneiderten Elektrofamilie. Porsche will den Cross Turismo als Kontrastangebot zum viertürigen Taycan-Coupé noch stärker in Richtung SUV weiterentwickeln.

Der wunde Punkt, den dieses Trio mit allen anderen High-End-Battereiautos gemeinsam hat, ist die enttäuschende Energiebilanz, die sich wie ein roter Faden durch die mehr oder weniger umweltschädliche Produktionskette zieht und ganz nebenbei per Gesetz den Weg für weitere durstige Verbrenner ebnet.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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