Probleme der "Free Floating"-Modelle:Deutschland ist Weltmeister im Carsharing

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Nirgends gibt es so viele Carsharing-Angebote pro Einwohner wie hierzulande. Dabei gibt es noch einige Fehler - auch bei der Parkplatzsuche. (Foto: Chip Somodevilla/AFP)
  • Carsharing wird in Deutschland immer beliebter. Kunden nutzen sowohl stationäre Anbieter als auch "Free Floating"-Modelle.
  • Doch die haben Tücken. Ein Drittel der Mietdauer eines Carsharing-Autos auf die Parkplatzsuche.
  • Deshalb gibt es nun erste kombinierte Carsharing-Anbieter, die beide Systeme miteinander verbinden.

Analyse von Michael Kuntz, München

Das Problem beim Carsharing ist nicht so sehr, ein Auto zu bekommen. Das größere Problem besteht oft darin, es wieder loszuwerden. Während der Taxifahrer seine Limousine am Ziel der Fahrt mitnimmt, muss der Carsharing-Nutzer das Auto selber abstellen. Und zwar auf einem zulässigen Parkplatz, der nicht immer leicht zu finden ist.

Dem Kunden werden diese "Free Floating"-Modelle - ohne feste Stationen für das Leihen und Zurückgeben - als Vorteil angepriesen. Anbieter wie Drive-Now und Car 2 go werben damit, dass Verleih- und Rückgabe überall im Stadtgebiet möglich seien. Maximal 300 Meter vor der Haustür soll ein Auto stehen, und beim Abstellen müsse der Kunde keine feste Rückgabestation ansteuern.

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Doch in der Praxis sieht die Sache anders aus. Da steht das nächste Auto schon mal 900 Meter oder noch weiter weg, und die Reservierungsfrist im Internet von 15 Minuten reicht knapp, um rechtzeitig hinzulaufen. Die zweite unangenehme Überraschung droht am Ziel der Fahrt: In Stadtteilen wie Berlin-Mitte oder München-Schwabing ist die Suche nach einem Parkplatz Glückssache - sie kann dauern, unter Umständen kostet die Fahrt mit dem Carsharing-Auto dann sogar mehr als ein Taxi für die gleiche Strecke.

Durchschnittlich 15 Minuten für die Parkplatzsuche

Nach SZ-Informationen werden Carsharing-Fahrzeuge ohne feste Stationen durchschnittlich für 45 Minuten angemietet. Auf die Suche nach einem erlaubten Parkplatz entfallen dabei 15 Minuten, ein Drittel der Gesamtzeit. Im Schnitt kostet das die Kunden 4,50 Euro zusätzlich.

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Und dennoch nimmt die lästige Parkplatzsuche den Menschen offenbar nicht die Freude am geteilten Auto. In Deutschland gibt es pro Einwohner so viele Carsharing-Angebote wie nirgendwo auf der Welt. Rund 150 Anbieter machen Deutschland auch zur führenden Nation, was die individuelle Mobilität angeht.

Die Idee von der "Collaborative Consumption" findet immer mehr Freunde. Der gemeinsame Konsum von Dingen, die reichlich vorhanden sind und so besser genutzt werden können, das besitzt Charme. Autofahren ohne eigenes Fahrzeug wird immer beliebter, vor allem in Großstädten. Binnen Jahresfrist stieg die Zahl der registrierten Carsharing-Teilnehmer um 21,2 Prozent auf 1,26 Millionen. Ein Drittel von ihnen nutzt klassische Angebote mit 4600 festen Stationen, an denen 9100 Fahrzeuge stehen. Zwei Drittel sind Mitglieder bei Free-Floating-Systemen, die es erst seit acht Jahren gibt. Die Anbieter konzentrieren sich auf zwölf Städte mit mehr als 750 000 Einwohnern, die Anbieter haben hier rund 7000 Fahrzeuge in ihren Flotten.

Die Zeit des klassischen Stattautos mit den Ursprüngen in der Umweltbewegung und festen Parkplätzen ist keineswegs vorbei. Denn die oft als Verein organisierten Auto-Teiler bringen mehr Fahrzeuge auf die Straße als die neuen Anbieter, die spontane Mobilität versprechen. Damit haben diese allerdings mehr Menschen erreicht.

Wenn jemand ein Carsharing-Auto braucht, steht es nicht unbedingt vor seiner Haustür. Um dieses Risiko zu verringern und die Vorteile der jeweiligen Systeme für sich nutzen zu können, haben Vielnutzer sich daher bei mehreren Firmen angemeldet. So macht das zum Beispiel der Geschäftsführer einer Busfirma in der Münchner Innenstadt. Diesen Frequent-Drivers kann geholfen werden: Erste kombinierte Carsharing-Systeme bieten sowohl stationäre als auch frei "floatende" Fahrzeuge an, aus einer Hand und zu einem Tarif. Sie operieren im Rhein-Main-Gebiet, in Mannheim, Heidelberg, Hannover und Osnabrück. Die Stadtteilauto OS GmbH bietet bereits seit Ende September 2014 neben dem dort schon seit 21 Jahren vorhandenen stationären Carsharing das flexible Modell an - mit garantiertem Parkplatz.

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Führt Carsharing zu weniger oder mehr Autoverkehr?

Die Parkplätze für das Carsharing beschäftigen die Bundespolitik seit mehreren Legislaturperioden - Ergebnis offen. Die Meinungen sind geteilt: Es gibt Studien, die besagen, ein Carsharing-Auto ersetze mindestens drei private Fahrzeuge. Es gibt auch Studien, denen zufolge Free-Floating oft mit dem öffentlichen Nahverkehr konkurriert, also nicht zu weniger, sondern zu mehr Autoverkehr führt. In Deutschlands Carsharing-Hauptstadt Karlsruhe mit zwei Teil-Mobilen pro tausend Einwohnern will man spezielle Parkplätze für Carsharing-Autos einrichten. Noch allerdings fehlt die rechtliche Grundlage dafür. Der öffentliche Straßenraum müsse "in erster Linie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen", sagt der Autoclub ADAC, er befürchtet eine Privilegierung für gewerbliche Anbieter von Mobilität.

Unternehmen wie BMW und Sixt wollen beim Autoteilen Gewinne sehen. "Wir sind mit Drive-Now weltweit die einzige Carsharing-Firma, die Geld verdient", sagt Erich Sixt, der Autovermieter, der Drive-Now mit BMW zusammen betreibt. Wenn das Geschäft in einer Stadt ein Jahr laufe, sei die Gewinnschwelle überschritten. Sixt sieht Drive-Now als Marktführer unter den Free-Floating-Anbietern mit 580 000 registrierten Nutzern.

Die VW-Tochter Audi hatte kürzlich angekündigt, künftig die Hälfte ihres Umsatzes mit Dienstleistungen machen zu wollen. Das wäre in heutigen Zahlen gemessen ungefähr das Zehnfache des Geschäftes von Sixt. Erich Sixt schreckt diese Ankündigung nicht: "Die Ingenieure entwickeln technisch tolle Autos, aber sie sind keine Dienstleister." Klar hätten Fahrzeughersteller Angst, dass künftig weniger Autos verkauft werden. Sie müssen befürchten, dass künftig nur noch für die Zeit der tatsächlichen Nutzung bezahlt wird.

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Fahrerlose Limousinen könnten dem Modell neuen Schwung geben

Manchmal dauert es auch etwas länger als angekündigt, eine technische Meisterleistung zu entwickeln. Sixt jedenfalls sieht die Zukunft des selbstfahrenden Autos in weiterer Ferne liegen, als es mancher Hersteller derzeit darstellt: "Sie hocken sich in ein Auto, tippen das Ziel ein und lesen dann Zeitung. Dann geht es sehr langsam voran. Der Slogan Freude am Fahren wird da schwieriger." Das autonome Fahren werde kommen, aber später als prognostiziert, jedenfalls nicht schon 2020. Freilich fügt Sixt hinzu: "Als Autovermieter machen wir, was der Kunde will."

Also wird der größte deutsche Autovermieter seine Vorbehalte gegenüber selbstfahrenden Autos irgendwann aufgeben. Manche glauben, dass fahrerlose Limousinen eines Tages auch dem Carsharing neuen Schwung geben werden. Das kann schon so sein, wenn das automatische Auto weiß, wohin es verschwinden soll, wenn ein Mieter es nicht mehr braucht.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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