Neues E-SUV im Test:Elektro-BMW made in China

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Spät kommt er: Der effiziente BMW iX3 überholt seine Wettbewerber Audi E-tron, Mercedes EQC und Jaguar I-Pace bei der Reichweite. (Foto: Daniel Kraus)

66 300 Euro kostet der BMW iX3. Das ist viel Geld für einen X3 mit E-Power aber ohne Allradantrieb. Doch dafür bekommt man einiges geboten.

Von Georg Kacher

Mit 286 PS und 400 Nm mag der erste in Europa angebotene BMW aus chinesischer Fertigung ausreichend kräftig motorisiert sein. Trotzdem hat er im Wettbewerbsumfeld keinen leichten Stand, denn Jaguar i-Pace, Mercedes EQC, Volvo XC 40 und Audi 55 e-tron spielen leistungsmäßig in einer anderen Liga, besitzen serienmäßig vier angetriebene Räder und sind preislich dem BMW nur knapp unterlegen oder sogar einen Schritt voraus. Warum also auf den iX3 warten, der als Schnellschuss zwischen dem in Ehre ergrauten i3 und dem innovativeren iX noch gar nicht alle Register ziehen kann? Für den BMW sprechen vor allem die im Vergleich günstigeren Lade- und Unterhaltskosten, die im WLTP-Zyklus mit bis zu 460 Kilometer größte Reichweite und die sportlich angehauchten, aber keineswegs unkomfortablen Fahreigenschaften. Nur Durchschnitt sind dagegen die Spurtkraft (6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h) und die bei 180 km/h abgeregelte Höchstgeschwindigkeit, wobei i X3-Kunden auf einen per Kickdown oder Knopfdruck aktivierten Boost-Modus verzichten müssen.

Äußere Kennzeichen der auf Wunsch farblich abgesetzten Elektrowelt sind die schwarz hinterlegten, geschlossenen Nieren, die flächigere Frontpartie mit weniger Lufteinlässen, die aerodynamisch gestylten Räder im 19- oder 20-Zoll-Format und der etwas windschlüpfigere Hinterwagen. Innen dominieren Blautöne vom Startknopf über das Ambientelicht bis zur verspielten Instrumentierung. Die digitale Anzeigenwelt variiert je nach Gusto des Nutzers zwischen bunter Reizüberflutung und geballter Informationsvielfalt, auf Wunsch gerne zusätzlich sprach- und gestengesteuert beziehungsweise per Multifunktionslenkrad daumennah haptisch unterstützt. Musikalisch untermalt wird der Auftritt des unscheinbaren Stromers durch einen Quittierton vor Fahrtantritt, das über zwei Außenlautsprecher verbreitete, von der EU dezibelmäßig vorgegebene Vorbeifahrgeräusch bis 30 km/h sowie den bis 180 km/h an- und abschwellenden Innenraum-Brummton, der im Sportprogramm zusätzliche Bässe und Bläser aufruft. Nur in Eco Pro herrscht wohlige Stille. Wenn man den Marketinggurus glauben mag, sind aufwendig komponierte E-Soundtracks künftig ein essenzielles emotionales Unterscheidungsmerkmal. So wie es früher das Motorgeräusch war.

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Der unter hohem Zeitdruck entwickelte iX3 ist ein noch radikaler umgesetztes Großserienderivat als EQC und E-tron, denen die Macher zumindest halbwegs eigenständige Karosserien verpasst haben. BMW übte sich stattdessen in der Kunst des Weglassens - Stichwort x Drive, Sportpaket, M Driver's Package. Um die Komplexität zu bändigen und dem langen Transportweg Rechnung zu tragen, gibt es nur zwei Ausstattungsvarianten. Schon das Grundmodell ist mit Adaptivfahrwerk, Glasdach, Navi und großem Assistenzpaket bestückt. Wer weitere 5361 Euro übrig hat, kann sie in Lederpolster, Head-up-Display, Rundumkameras, Sportsitze, Soundsystem, schlüssellosen Zugang und 20-Zoll-Felgen investieren. Für das i-Modell wurde die X3-Bodengruppe zum Batterieträger umgerüstet. Die in zehn Module verpackten 188 Prismenzellen leisten netto 74 kWh. Geladen wird öffentlich mit bis zu 150 kW (DC-Gleichstrom) beziehungsweise mit 11 kW (AC-Wechselstrom) an der heimischen Wallbox. Laut BMW muss der Wagen etwa 34 Minuten an der Schnellladesation hängen, um 80 Prozent Ladezustand zu erreichen - die Premium-Konkurrenz lässt sich durchweg etwas länger Zeit. Pro 100 Kilometer Reichweite sind zehn Minuten Nachladen nötig. Obwohl der iX3 stolze 2260 Kilo wiegt (nur E-tron und EQC sind noch schwerer), liegt der im Alltag durchaus reproduzierbare Normverbrauch mit 19,5 kWh/100 km am unteren Ende der Vergleichsskala.

Der Elektro-X hat zwar rund 250 Kilo mehr Speck auf den Rippen als der 252 PS starke Verbrenner, aber dafür liegt sein Schwerpunkt um 75 Millimeter dichter an der Straße, und durch den zwischen den Hinterrädern platzierten Motor ergibt sich eine leicht heckbetonte Achslastverteilung von 43:57 Prozent. Das unterstützt die Traktion und schärft das Eigenlenkverhalten, vor allem bei deaktivierter Stabilitätskontrolle. Wenn der Hafer sticht, genügt ein langer Knopfdruck, um den defensiven Straßenflüsterer in einen deutlich wilderen Teilzeit-Hooligan zu verwandeln. Weil die Vorderachse im iX3 keine Antriebsaufgaben zu übernehmen hat, erfüllt die Lenkung in Perfektion das markentypische Reinheitsgebot, indem sie ohne Aufheller und Gefühlsverstärker ihre Arbeit tut - je nach Tempo, Kurvenradius, Ambition und Fahrbahnbeschaffenheit entweder präzise und scharf wie ein Skalpell oder geschmeidig und rückversichernd wie ein freundlicher Händedruck. Voraussetzung, um das Auto betont sportlich und dynamisch zu fahren, ist freilich die niedrigste Rekuperations-Stufe. Denn nur dann reagiert der Antrieb per Lastwechsel mit dem nötigen Elan.

Das adaptive Rekuprogramm nutzt Kameras, Sensoren und das Navi, um laut Hersteller 90 Prozent aller Fahrsituationen zu meistern, ohne dass man ein einziges Mal die Bremse betätigen müsste. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz ist sogar zwischenzeitliches Segeln möglich. Alternativ dazu stehen im normalen Drive-Modus drei verschiedene Energierückgewinnungs-Einstellungen (niedrig, mittel, hoch) zur Verfügung. Auch hier ist weniger mehr, denn um im Fluss zu bleiben, muss jede selbsttätige Verzögerung durch zeitnahe Energiezufuhr kompensiert werden. Der Stabwechsel von der elektrischen zur hydraulischen Bremse verläuft gleitend, progressiv und bei Bedarf ausgesprochen wirkungsvoll. Schon auf dem ersten Viertel des Pedalwegs nehmen vier Backen die Scheiben mit Vehemenz in die Zange, die Dosierbarkeit bleibt bis zum Stillstand linear, Fading ist selbst bei hoher Beanspruchung kein Thema.

Auch die drei Fahrprogramme erfüllen alle Erwartungen. Eco Pro wirkt mit längeren Segelphasen als digitales Sedativ gegen Reichweitenangst, Comfort verwirklicht sich als sauber ausbalancierter Mittelweg, Sport kombiniert - eher untypisch für ein Elektroauto - spritziges Ansprechverhalten und dynamisches Drehmomentjonglieren mit turbinenartiger Leistungsentfaltung. Der Begrenzer wirft zwar bei 180 km/h das Handtuch, schont so aber die Akkus und bewahrt ganz nebenbei den E-Motor vor dem Hochdrehzahltod. Wer hätte das gedacht? Dieser Elektro-BMW kann nicht nur effizient sein, sondern auch den alten BMW-Slogan von der Freude am Fahren zu neuem Leben erwecken.

© SZ vom 14.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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