Autosalon Paris 2018:Die Franzosen fassen Mut zum Risiko

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Luxus-Shuttle, nach innen blickdicht: Die EZ Ultimo-Studie von Renault (Foto: imago/IP3press)

Renault und der PSA-Konzern zeigen, dass von ihnen in nächster Zeit einiges zu erwarten ist - nicht nur bei Autos mit elektrischem Antrieb, sondern auch beim autonomen Fahren.

Von Georg Kacher

Obwohl viele Hersteller abgesagt haben, ist der Pariser Salon immer noch eine Reise wert. Früher machten die französischen Anbieter hier ein Fünftel ihres Jahresumsatzes. Inzwischen nutzen Renault und der PSA-Konzern, zu dem Peugeot, Citroën und die Premiummarke DS zählen, die Automesse, um neue Modelle zu zeigen - vom Pret-à-porter-Kleinwagen bis hin zum Haute-couture-Einzelstück. Nicht mit von der Partie war in diesem Jahr Opel, das nach dem Besitzerwechsel von GM zu PSA wohl erst lernen muss, die zweite Geige zu spielen. Renault kam zudem ohne die Allianz-Partner Mitsubishi und Nissan, brachte aber die rumänische Tochter Dacia mit und verständigte sich mit dem Konkurrenten Daimler auf eine erweiterte Kooperation in Sachen Batteriekonzepte und autonomes Fahren.

In der jüngeren Vergangenheit waren Autos französischer Provenienz oft von oberflächlichem Charme und beiläufiger Qualität, doch seit kurzem sind Stil und Esprit, Innovation und Charakter wieder von wachsender Bedeutung. Der DS 3 Crossback, der Peugeot E-Legend und der Renault EZ Ultimo verkörpern den neu gefassten Mut zum Risiko. Der kompakte Crossback, ein Schwestermodell des Peugeot 2008 und Opel Crossland X, kombiniert die markante DS-Formensprache mit Ausstattungspaketen, deren Inhalte so stimmig verpackt sind wie es die Bezeichnungen erhoffen lassen: Montmartre, Rivoli, Bastille, Opera. Bis zu fünf Nutzer können sich ein Auto schlüssellos teilen und ihre Profile hinterlegen. Vom Start weg im nächsten März liefert DS den Wagen auch mit einem Elektroantrieb aus. Der Akku mit 50 Kilowattstunden (kWh) speist einen 100 kW starken Motor, die Schnellladefunktion meldet nach 30 Minuten Vollzug, und die Reichweite soll nach WLTP-Standard etwa 300 Kilometer betragen.

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Vor allem die französischen Anbieter warteten mit neuen Modellen auf und auch BMW und Mercedes zeigten Präsenz.

Mit 2,20 Meter dürfte der EZ Ultimo etwas zu breit sein für eine deutsche Autobahn-Baustelle

Der Peugeot E-Legend verbindet die Neuinterpretation des von Pininfarina gezeichneten 504 Coupé aus den Sechzigerjahren mit einem emissionsfreien 340 kW starken Allradantrieb und dem Funktionsumfang eines High-Tech-Überfliegers. Wer nur gelegentlich in vier Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer beschleunigt und 220 Kilometer pro Stunde schnell fährt, kommt mit einer 100-kWh-Füllung angeblich bis zu 600 Kilometer weit. Zwei vollautonome Fahrmodi lassen dem Fahrer die Wahl zwischen reduziert-komfortbetont und offensiv-dynamisch. Alternativ dazu kann man in der Retro-Einstellung defensiv gleiten oder im High-Tech-Programm mit in voller Breite ins Cockpit übertragener Fahrbahn Gas geben.

Der Innenraum ist mit nicht weniger als 16 Displays zugekachelt, die ebenso wie fast alle Fahrzeugfunktionen per lernfähiger Sprachbedienung gesteuert werden. Das Audiosystem bedient jeden Sitzplatz separat: Navigations-Infos für den Fahrer, die Nocturnes von Chopin für den Beifahrer und den Superman-V-Soundtrack für die Kinder im Fond.

Wem das nicht futuristisch genug ist, der kann sich von Renault-Chefdesigner Laurens van den Acker den EZ Ultimo präsentieren lassen. Mit der Studie zelebriert der Hersteller das Motto "Auto teilen statt besitzen" auf höchstem Niveau. Der nach innen blickdichte Luxus-Shuttle mit einer Länge von 5,70 Meter ist zwar für die meisten Straßenschluchten zu lang, außerdem mit 1,35 Meter Höhe relativ flach und mit 2,20 Meter etwas zu breit für die linke Spur in einer durchschnittlichen deutschen Autobahnbaustelle - aber er beherrscht vom autonomen Fahren auf Level 4 über den E-Antrieb bis hin zum volldigitalisierten Cockpit das komplette Spektrum künftiger Automobilverführungen. Allerdings bietet der 1,8 Tonnen schwere Silberfisch nur Platz für drei Personen, und die komplexen Schwenk- und Klapptüren sind kaum mehr als eine aufwendige Spielerei. Zudem ist der lässige Lounge-Charakter im Mischverkehr ein schwer in den Griff zu bekommendes Sicherheitsrisiko.

Den Gegenpol dazu bildet der zunächst nur für China gedachte Dacia / Renault K-ZE, der als erstes vollwertiges E-Mobil keine 9000 Euro kosten soll. Er steht für cleveren Minimalismus ohne wesentliche Abstriche. Renault will auch in Europa seiner Rolle als E-Auto-Pionier treu bleiben. Im nächsten Jahr wird der Zoe-Nachfolger den Einstiegs-Stromern Kontra geben, 2020 elektrifizieren die Franzosen mit dem neuen Clio dann auch die bezahlbare Großserie.

BMW und Mercedes zeigen risikolose Evolution

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Von Georg Kacher

Für BMW und Mercedes war Paris 2018 eine große Sause mit Ansage. Der neue BMW 3er will seine Rolle als Chefdynamiker des Segments verteidigen, der zum Stoffdach zurückgekehrte Z4 hat erstmals echte Sportwagen-Ambitionen, der 8er kommt als neues Topmodell in drei Karosserievarianten, aber ohne alternative Antriebe. Die Stuttgarter wiederum holen 2019 nach dem Smart auch das Mercedes-Duo EQA und EQC an die Ladesäule, die B-Klasse 3.0 wirkt endlich etwas weniger betulich und altbacken, der GLE ist eine risikolose Evolution des erfolgreichen Vorgängers.

Ferrari will mit seiner Monza-Sonderserie auf 812-Basis einen höheren dreistelligen Millionenbetrag abschöpfen, der 911 Speedster von Porsche ist die allerletzte Metamorphose der auslaufenden Elfer-Generation. Und mit dem über drei Millionen Euro teuren und 1150 PS starken Aspark Owl verwirklicht der japanische Entrepreneur Manasori Yoshida seinen ganz persönlichen Traum vom ultimativen Elektrosportwagen. Für einen Bruchteil dieser Summe exportiert GAC demnächst chinesische Billigautos mit kurzer Historie und langer Garantie auch nach Europa.

Nicht exotisch genug? Dann hilft vielleicht ein Besuch bei Vinfast aus Vietnam, wo mit Know-how von BMW, Pininfarina und Magna ein durchaus ansehnliches SUV sowie eine Limousine entstanden sind, denen bislang allerdings eine schlüssige Vertriebsplattform fehlt.

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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