40 Jahre VW Golf:Eine Klasse für sich

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Seit sieben Modellgenerationen ist der VW Golf das Lieblingsauto der Deutschen. (Foto: Volkswagen AG)

Vor 40 Jahren lief in Wolfsburg der erste VW Golf vom Band. Schnell stieg er zum Lieblingsauto der Deutschen auf. Die Geschichte jenes Autos, das selbst der Papst und Angela Merkel besaßen.

Von Kristina Läsker

Natürlich war es ein Italiener. Giorgio Giugiaro aus Turin hat das Design für den ersten Golf entworfen. Eckig, kompakt, schlicht. Im Ausland suchte Volkswagen damals nach Talenten und Ideen. 1969 schlenderte VW-Chef Kurt Lotz über den Autosalon von Turin und war beeindruckt von der Ästhetik der Fahrzeuge, die Giugiaro, damals 31, schon entworfen hatte. Der junge Designer solle sich - subito! - nach Wolfsburg begeben, ordnete Manager Lotz an. In der Zentrale blieb kaum Zeit für einen Kaffee, der Deutsche kam gleich zur Sache. Ob Giugiaro einen Nachfolger für den Käfer entwerfen könne? Einen Nachfolger für den Nachkriegsschlager? Ein kompaktes Auto mit Heckklappe?

Giugiaro konnte, doch was er nicht ahnte: Was als schlichte Skizze in Turin begann, sollte später einmal zum Lieblingsauto der Deutschen aufsteigen.

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Es braucht keine ADAC-Wahl, um festzustellen: Der VW Golf ist das Lieblingsauto der Deutschen. Als er 1974 auf den Markt kommt, läutet er für die kriselnde Marke die Wende zum Positiven ein. Heute ist er ein Bestseller mit bewegter Geschichte.

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Am 29. März 1974 - vor genau 40 Jahren - rollte der erste Golf in Wolfsburg vom Band. Es folgte Unglaubliches: Bis heute ist er mehr als 30 Millionen Mal verkauft worden. Ob Deutsche, Chinesen, Brasilianer oder Südafrikaner: Weltweit haben sie ihn gern. VW ist mit seiner Hilfe zum zweitgrößten Automobilhersteller der Erde aufgestiegen und strebt bis 2018 an die Spitze. Heute umfasst das Auto-Imperium zwölf Marken, darunter so stolze Autobauer wie Porsche, Bentley, Lamborghini und Bugatti. Doch was wären sie alle ohne den Golf - den Wagen für Masse und Mittelklasse!

"Das Herz der Marke Volkswagen"

"Der Golf ist das wichtigste Fahrzeug unseres Konzerns und das Herz der Marke Volkswagen", hat selbst Konzernchef Martin Winterkorn vor ein paar Tagen geschwärmt. Es waren warme Worte, erstaunliche Worte. Denn der mächtige Metallphysiker gilt als sachlich, Detail verliebt und Qualitätsversessen. Für einen Winterkorn gilt: Mehr Liebeserklärung geht nicht.

An der Qualität des Golf und dem Preis haben die Ingenieure dennoch stets kühl gefeilt, kaum etwas blieb den Emotionen überlassen. Selbst Giugiaro musste sich beugen. Der Italiener hatte eckige Scheinwerfer für den ersten Golf entworfen, doch die waren zu teuer. Die Wolfsburger wählten die runde Form, und das blieb lange so.

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Treue und nur langsamer Wandel: Das sind die Geheimnisse des Golf. Er sollte immer ein Spiegel seiner Zeit sein. Ein klassenloses Allerweltsauto, das viele mögen und sich leisten können. Eines, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Papst Benedikt XVI., der Musiker Smudo und eben auch die Nachbarin mal fahren. Nie durfte der Golf mit allzu forscher Veränderung erschrecken - und sich zu sehr von der gesellschaftlichen Mitte entfernen. "Der Golf muss mit der Zeit gehen, er muss aber keine Revolution darstellen", sagte VW-Entwickler Ulrich Hackenberg, als er im August 2012 den neuen Golf VII vorstellte. Nach dem Motto: Ein bisschen Giugiaro muss in jeder neuen Version bleiben.

Knapp sieben Millionen Menschen leisteten sich den Golf I, der oft in zitronengelb oder blau metallic beim Händler stand. Anfangs kostete er 7775 D-Mark. 40 Jahre später muss man für die schlichteste Version 17 175 Euro bezahlen. Die Finanzer waren beglückt: Von Beginn an bescherte der Golf gute Gewinne, in den 70er Jahren konnte er die Millionenverluste ausgleichen, die der unprofitable Käfer eingebrockt hatte.

Auch in der DDR war der Golf begehrt. 1978 organisierten die Regierungen einen geheimen Tausch: 10 000 Golf gingen über die Grenze in den Osten. Dafür bekam VW damals Blechpressen von der Firma Erfurt, die bis heute im Stammwerk Wolfsburg vor sich hinstampfen. In der niedersächsischen Provinz bauen sie den Golf noch immer; ebenso wie in Zwickau, in Foshan in China und in Puebla in Mexiko.

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Später wurde ein ganzes Lebensgefühl nach dem Golf benannt. Generation Golf hieß der Roman von Florian Illies. Der Journalist beschreibt die Merkmale seiner eigenen Kohorte, die um 1970 geboren wurde. Eine Generation, die vom Wohlstand der Eltern lebt, eher unpolitisch ist und sich an Marken orientiert. An Produkten wie dem Golf, hinter dessen Steuer viele das Fahren lernten.

Technisch hat der Golf eine ganze Klasse geprägt: Mini-Limousinen zwischen Kleinwagen und Mittelklasse werden meist nur als Golfklasse bezeichnet.

Nur einen Makel hat der Golf bis heute: Er ist zwar der Liebling der Europäer; aber weltweit hat er es nicht an die Spitze geschafft. Gleich zwei Rivalen haben ihn übertrumpft - der Toyota Corolla und der Ford Focus sind bis heute mehr als 40 Millionen mal verkauft worden.

Giorgio Giugiaro aber ist seinem Volkswagen treu geblieben. Bis heute besitzt der Italianer einen sehr alten schwarzen GTI mit fünf Türen - einen Golf der ersten Stunde. Dieses Modell hatte Volkswagen maßgefertigt und dem Designer einst geschenkt. Als Dank für ein kleines Wunder.

© SZ vom 29.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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