Fahrbericht VW E-Golf:Strom fürs Volk

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Der neue VW E-Golf in der Berliner Innenstadt. (Foto: Volkswagen AG)

Elektroautos sind im deutschen Straßenbild - wohlwollend ausgedrückt - eine Randerscheinung. Der VW Golf mit E-Antrieb soll das von Sommer an ändern. Erste Probefahrt in einem Auto, das teuer ist, aber vieles richtig macht.

Von Thomas Harloff, Berlin

Der deutsche Elektroauto-Markt kommt einfach nicht in Schwung. Derzeit sind gerade einmal ungefähr 12 000 Stromer auf unseren Straßen unterwegs, fast die Hälfte ist 2013 neu zugelassen worden. Der Markt wächst zwar, aber angesichts eines Gesamtbestands von 43,4 Millionen Autos ist das E-Mobil noch weit davon entfernt, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

Die Gründe dafür sind ebenso bekannt wie vielfältig: Die Ladesäulen-Infrastruktur lässt zu wünschen übrig, die Ladezeiten sind lang, es fehlen echte Kaufanreize aus der Politik, etwa Subventionen. Zudem sind die aktuell angebotenen Elektroautos sehr teuer. Wenn Autofahrer viel Geld ausgeben, soll der Neuwagen ein möglichst breites Einsatzspektrum abdecken, von der Fahrt zum benachbarten Bäcker bis hin zur Europareise mit der ganzen Familie. Doch Urlaubsfahrten können langwierig werden, wenn das Auto alle 120 Kilometer an die Steckdose muss.

Anschubhilfe durch den E-Golf

Wenn es ein Auto gibt, das dieses Dilemma aufbrechen kann, dann der Allrounder schlechthin: der VW Golf. Von Sommer an wird es ihn auch in einer Variante mit reinem Elektroantrieb geben. Nicht nur Volkswagen, sondern insgeheim die gesamte Industrie wünscht sich einen Schub durch das Auto, das ganz simpel "E-Golf" heißt. Die Erwartungen sind also hoch, und VW weiß das auch. "Für uns war klar: Unser E-Fahrzeug muss in die Breite wirken", sagt Thomas Lieber, bei VW Experte für Elektroantriebe. "Deshalb stand früh fest, dass wir den Golf elektrifizieren müssen."

Innen ganz der Alte: Der E-Golf unterscheidet sich nur marginal von seinen konventionell angetriebenen Brüdern. (Foto: Volkswagen AG)

Allerdings soll der Neuankömmling die Stammkundschaft, die mit dem Umstieg vom Verbrennungs- auf den Elektromotor liebäugelt, nicht verwirren. Deshalb sieht er aus, wie ein Golf eben aussieht - und zwar innen wie außen. Anders als sein logischer Hauptkonkurrent BMW i3, der mit jedem Detail dokumentieren möchte, wie modern und öko er ist, gefällt sich der E-Golf in der Rolle des automobilen Biedermanns. Ein paar Plaketten und blaue Streifen sowie eigens entworfene, aerodynamisch besonders effiziente Felgen müssen reichen, um den besonderen Antrieb nach außen sichtbar zu machen.

Ein Golf in jeder Hinsicht

Markantestes Merkmal im Innenraum ist die Fahrleistungsanzeige. Dieses Instrument gibt Auskunft darüber, ob der Motor läuft beziehungsweise elektrische Energie verbraucht oder Bremsenergie zurückgewonnen wird. Die Anzeige sieht aber kaum anders aus als ein gewöhnlicher Drehzahlmesser. Somit wirkt der E-Golf noch überwiegend analog. Zum Starten des Motors muss sogar noch der althergebrachte Zündschlüssel umgedreht werden. Auch das Platzangebot bleibt gleich, nur der 343 bis 1233 Liter fassende Kofferraum ist 37 Liter kleiner als sonst. Die Sitzposition entspricht ebenfalls der eines klassischen Kompaktwagens.

Wo sonst ein Benzin- oder Dieselmotor sein lautstarkes Werk verrichtet, sitzt nun ein fast geräuschloser Elektromotor. Der leistet 85 kW / 115 PS und stellt ein maximales Drehmoment von 270 Nm zur Verfügung, das E-Auto-typisch beim Beschleunigen vom Start weg abgerufen werden kann. Das macht den Elektro-Golf zu einem flotten Sprinter, der laut Werk in nur 4,2 Sekunden von null auf 60 km/h beschleunigt. Danach wird es zäh, es dauert weitere 6,2 Sekunden, um Tempo 100 zu erreichen. Kein Wunder, schließlich schleppt der Wolfsburger eine 318 Kilogramm schwere Batterie mit sich herum.

Das Zusatzgewicht haben die VW-Ingenieure weit nach unten und zwischen die Achsen gepackt. Dort wirkt es sich optimal auf den Schwerpunkt aus, was den E-Golf unerschütterlich auf der Straße liegen lässt. In Kurven merkt man dem Elektroauto seine Masse jedoch an, die Agilität des etwa 1,2 Tonnen leichten BMW i3 geht dem VW ab. Dafür ist der E-Golf sehr komfortabel und nimmt selbst die teils erbärmlichen Straßen Berlins mit stoischer Gelassenheit hin, ohne den Insassen viel über den tatsächlichen Fahrbahnzustand mitzuteilen.

Das Aufladen einer zuvor leeren Batterie dauert an der Haushaltssteckdose 13 Stunden. Hängt die optionale, 890 Euro teure "Wallbox" in der heimischen Garage, vergehen acht Stunden, bis die Lithium-Ionen-Batterie wieder voll ist. Ist dies der Fall, soll der VW E-Golf maximal 190 Kilometer weit kommen. In einer Metropole wie Berlin, wo ständig verzögert werden muss, ist der Wert nah dran an der Realität. Hier kann durch Rekuperation Bremsenergie zurückgewonnen und als elektrische Energie in der Batterie gespeichert werden, was die Reichweite verlängert. Wie stark das Auto rekuperiert, kann der Fahrer selbst bestimmen. Es gibt vier verschiedene Modi, und in der maximalen Stufe verzögert der E-Golf so stark, dass das Bremspedal nur selten bemüht werden muss.

Üppiger Elektro-Aufschlag

Darüberhinaus gibt es drei Fahrprofile. Wählt er den normalen Modus, bestimmt der Pilot durch seine Fahrweise selbst, wie effizient der E-Motor mit dem Strom umgeht. Zwei weitere Modi (Eco und Eco+) unterstützen ihn beim Stromsparen. In zwei Stufen drosselt der E-Golf die Leistung, was das Auto zwar langsamer, aber in der Stadt keineswegs behäbig macht. Im Eco+-Modus ist der Wolfsburger immer noch 55 kW / 75 PS stark und maximal 90 km/h schnell. Im normalen Fahrprofil ist die Höchstgeschwindigkeit elektronisch auf 140 km/h begrenzt.

Vor allem wegen der teuren Batterietechnik kostet der VW E-Golf mindestens 34 900 Euro. (Foto: Volkswagen AG)

Bleibt die Kostenfrage zu klären. "Unser oberstes Ziel war es, bezahlbare Elektromobilität anzubieten", sagt Thomas Lieber. Das ist Volkswagen nur bedingt gelungen. 34 900 Euro will der Hersteller für den E-Golf mindestens haben. Damit ist er fast genauso teuer wie ein BMW i3, aber sowohl der 110 PS starke Diesel-Golf als auch der 122 PS starke Benziner sind etwa 13 000 Euro günstiger. Immerhin kann sich die Serienausstattung mit LED-Licht vorne und hinten, dem umfangreichen Infotainmentsystem, Klimaautomatik und Standheizung sehen lassen. Zudem ist der E-Golf zehn Jahre lang von der Kfz-Steuer befreit und in den ersten drei Jahren kann man je 30 Tage im Jahr einen konventionell angetriebenen Leihwagen nutzen. Die Garantie für die Batterie beträgt acht Jahre.

Da die Testfahrt ausschließlich im Berliner Stadtverkehr stattfand, lässt sich leider nicht beurteilen, wie sich die Reichweite entwickelt, sobald man auf Landstraßen oder Autobahnen unterwegs ist. VW selbst spricht von einer realen Reichweite von 130 bis 190 Kilometern. Ob das stimmt, muss der VW E-Golf zu einem späteren Zeitpunkt unter Beweis stellen. Der Alltagstest wird zeigen, ob er tatsächlich der Allrounder unter den Elektroautos ist. Die Chancen dafür stehen jedenfalls nicht schlecht, so viel lässt sich nach der Probefahrt durch Berlin sagen.

Die Reisekosten zur Präsentation des VW E-Golf in Berlin wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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