Wissenschaft im Film "Planet der Affen":Wenn Affen den Menschen verdrängen

Science-Fiction mit hohem Science-Anteil: Der neue "Planet der Affen"-Film ist zu großen Teilen wissenschaftlich fundiert. Aktuelle Studien belegen zum Beispiel, dass Schimpansen manche Denkaufgaben besser lösen als Menschen.

Lennart Pyritz

Die Menschheit kann einpacken. Die Pharmaindustrie hat ein Medikament entwickelt, das Affen klug macht, Menschen hingegen umbringt. Schritt für Schritt übernehmen die behaarten Verwandten deren Platz in der Welt. Ganz so weit ist es in der Realität zwar noch nicht, aber wie ein solches Szenario ablaufen könnte, zeigt der Mitte August angelaufene Film "Planet der Affen: Prevolution". Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans sind im Hollywood-Film so wirklichkeitsnah animiert wie nie zuvor. Viele Szenen, in denen die Affen Geschicklichkeitstests bestehen, Werkzeuge benutzen oder mit Gesten kommunizieren, wirken ebenfalls sehr realistisch. Ein Blick auf die jüngeren Forschungsergebnisse von Primatologen bestätigt: Der Science-Anteil an diesem Science-Fiction-Spektakel ist ungewöhnlich groß.

Schimpanse Ceasar, Planet der Affen

Auf gleicher Augenhöhe: Caesar, der Schimpanse, und der Schauspieler James Franco in einer Szene des angelaufenen Kinofilms "Planet der Affen: Prevolution".

(Foto: AP)

Zu Beginn des Films testet der junge Wissenschaftler Will Rodman ein Alzheimer-Medikament an Schimpansen. Die kognitiven Fähigkeiten der Tiere prüft er dabei mit dem Türme-von-Hanoi-Test. Die Aufgabe besteht darin, über Zwischenschritte unterschiedlich große Ringe von einem Stab auf einen anderen umzuschichten - möglichst schnell und ohne dass jemals ein größerer auf einem kleineren Ring liegt. Eines von Rodmans Schimpansenweibchen erledigt den Test perfekt - besser als viele Menschen. "Meines Wissens nach ist der Hanoi-Test noch nicht mit Schimpansen gemacht worden", sagt Josep Call, Direktor des Primaten-Forschungszentrums am Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. "Aber mit einer geeigneten Anpassung des Ablaufs sollte es möglich sein." Christopher Krupenye, Anthropologe an der Duke University, der im Kongo das Denkvermögen von Schimpansen und Bonobos untersucht, pflichtet ihm bei: "Studien haben gezeigt, dass Schimpansen planen können. Deshalb ist es möglich, dass diese den Test bei geeigneter Methodik erfolgreich absolvieren könnten."

Gedächtnisaufgaben, in denen Schimpansen besser abschneiden als Menschen, sind seit langem bekannt. Berühmt ist eine Studie des Primatologen Tetsuro Matsuzawa von der Universität Kyoto. Er trainierte das Schimpansenmännchen Ayumu darauf, sich Zahlen einzuprägen, die nur für Sekundenbruchteile auf einem Bildschirm eingeblendet wurden und danach unter weißen Vierecken verschwanden. Ayumu konnte die Vierecke zuverlässig in der durch die Zahlen vorgegebenen Reihenfolge antippen, zuverlässiger als menschliche Probanden.

Abstimmung in Affensprache

Unsere nächsten Verwandten kommunizieren auch auf ausgefeilte Weise. Im Film nutzt Caesar, der spätere Anführer der Affenrevolte, mehrmals eine Geste, um Zustimmung zu erfragen. Er streckt dazu den Arm aus und präsentiert dem Gegenüber seine Handfläche. Der Gefragte wiederum streicht sacht mit den Fingern über die Hand, um sich einverstanden zu erklären. Caesar fragt auf diese Weise seinen menschlichen Ziehvater Rodman, ob er im Wald spielen und klettern darf. Als ihn die Menschen ins Tierheim sperren, sichert sich Caesar auf diese Weise die Unterstützung eines anderen Schimpansen, der ihm zunächst feindselig gegenübersteht. "Es gibt tatsächlich eine ähnliche Geste, die zur Versöhnung eingesetzt und ,wrist offer' genannt wird", erklärt Call. "Dabei streckt ein Schimpanse seine abgewinkelte Hand einem anderen entgegen. Dieser beißt dann behutsam in das Handgelenk. Schimpansen nutzen den ausgestreckten Arm auch als Geste, um Futter zu erbetteln oder Unterstützung in Konflikten zu bekommen. Die Handfläche wird dabei allerdings nicht gestreichelt."

Rund 30 Gesten nutzen die Tiere in Gefangenschaft regelmäßig, um miteinander zu kommunizieren oder Stimmungen auszudrücken. Bei freilebenden Schimpansen wurden sogar mehr als 60 Gesten beobachtet. "Umherstampfen mit gesträubtem Fell und manchmal auch einem Ast in der Hand dient etwa dazu, Dominanz zu demonstrieren oder Konkurrenten herauszufordern", sagt Feldforscher Krupenye. "Umgekehrt zeigt ein Tier seine Zähne, was Beschwichtigung und Unterwerfung signalisiert, wenn ein anderes ihm Schmerzen zufügt. Ein drittes Tier umarmt den Unterlegenen dann bisweilen, um ihn zu trösten."

Im Film belässt es Affenchef Caesar nicht bei einfachen Gesten. Er lernt zusätzlich Zeichensprache und unterhält sich so mit den Menschen und einem Orang-Utan im Tierheim. Zwar kommunizieren Menschenaffen unterschiedlicher Art normalerweise nicht miteinander. "Sie ignorieren sich meist gegenseitig", sagt Josep Call. Allerdings können Schimpansen tatsächlich Zeichensprache lernen, wie der Wissenschaftler erklärt: "Ungefähr 200 Begriffe, andere Studien berichten sogar von 500, aber derart große Zahlen wurden von einigen Forschern heftig bestritten." Unbestritten ist, dass Tatu, Dar und Loulis, drei Schimpansen aus dem Chimpanzee and Human Communication Institute an der Central Washington University in Ellensburg, Dutzende Zeichen der amerikanischen Gebärdensprache beherrschen, darunter Handzeichen für Verben, Pronomen und Substantive. Die Tiere haben sogar bekannte Gebärden kombiniert, um neue Bezeichnungen zu schaffen, etwa "Wasser" und "Vogel" für "Schwan" oder "weinen", "schmerzen" und "Essen" für Rettich.

Flucht aus dem Tierheim

Zur Flucht aus dem Tierheim nutzt Caesar ein Werkzeug. Er stiehlt einem Besucher ein Messer und entriegelt nachts damit seine Gefängnistür. Der Handgriff mag etwas zu filigran und langfristig geplant für einen Schimpansen sein. Dass die Tiere systematisch Werkzeuge einsetzen, steht aber außer Frage. Im tansanischen Mahale-Nationalpark angeln sie beispielsweise Termiten mit Stöckchen aus ihrem Bau. Im westafrikanischen Nationalpark Taï suchen sich die Tiere gezielt Steine, um Nüsse nach dem Hammer-und-Amboss-Prinzip zu knacken.

Warum haben Affen trotz ihrer beeindruckenden kognitiven und handwerklichen Fähigkeiten dem Menschen noch nicht seinen Platz in der Welt streitig gemacht? Vielleicht liegt es an etwas, das Kognitionswissenschaftler "Theory of Mind" nennen. Der wolkige Begriff beschreibt die Fähigkeit nachzuvollziehen, was andere planen, denken, fühlen oder erwarten. Eine organisierte Revolte, die Wahl einer neuen Gesellschaftsform, die die Affen im Film durchführen - all das setzt eine derartige Begabung voraus. Wer sich nicht tief in andere hineinversetzen kann, der kann auch nicht gemeinsam ein abstraktes Ziel verfolgen.

Krupenye sagt: "Mentale Zustände anderer zu verstehen, ist vermutlich die wichtigste Fertigkeit, die es Menschen ermöglicht hat, komplexe kulturelle Institutionen zu entwickeln." Zwar haben Schimpansen Teile einer Theory of Mind, wie Primatenforscher Call betont: "Sie sind insbesondere feinfühlig dafür, was andere beabsichtigen und was andere sehen oder hören." Menschen können dennoch mehr. "Ein fundamentaler Unterschied zwischen Mensch und Schimpanse ist das Teilen von Absichten. Nur der Mensch teilt sein komplexes Innenleben mit anderen. Das ermöglicht unserer Art, ein soziales Leben von einzigartigem Ausmaß zu führen", sagt Call.

Beim Sprechen ist Schluss mit der Ähnlichkeit

Auch mit dem Sprechen tun sich Schimpansen schwer. Im Film sagt Caesar die Worte "Nein" und "Caesar ist zu Hause". Vergleichbares haben Forscher nie beobachtet. Dabei wären Schimpansen anatomisch in der Lage, Wörter zu formulieren. Vermutlich fehlen ihnen aber bestimmte Gene, die Menschen das Sprechen ermöglichen. Wissenschaftler um Wolfgang Enard und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie vermuten, dass das sogenannte FOXP2-Gen eine entscheidende Rolle spielt. Alle Säugetiere haben es, aber beim Menschen weicht die Struktur von der anderer Arten ab. Ändert sich diese durch eine Mutation, können Menschen nicht mehr artikulieren und haben Probleme mit der Grammatik.

Der Aufstieg der Affen beginnt im Kinofilm mit einem Alzheimer-Medikament, das die Tiere intelligenter und mitfühlender werden lässt, die Menschen hingegen krank macht. Nach einem Zwischenfall im Forschungslabor ist der kleine Caesar der einzige Überlebende der außergewöhnlich klugen Schimpansen. Der Wissenschaftler Rodman nimmt ihn mit nach Hause, zieht ihn wie einen Sohn auf und beobachtet fasziniert, wie Caesar Gebärdensprache lernt, Schach spielt und seine Umwelt erforscht. Dabei versäumt er es allerdings, auf die Identitätskrise Caesars einzugehen, der sich als einfaches Haustier behandelt fühlt - die Basis für die spätere Affenrevolte.

Rodmans Pendant in der realen Welt könnte Tetsuro Matsuzawa sein. Seit 30 Jahren widmet sich der japanische Primatologe den geistigen Fähigkeiten des Schimpansenweibchens Ai. Auch ihre Beziehung scheint innig zu sein. Matsuzawa nennt Ai "meine Forschungskollegin". Über ihre erste Begegnung, bei der Ai ein Jahr alt und gerade aus Afrika importiert worden war, schreibt der Primatologe: "Als ich in die Augen des Schimpansen sah, erwiderte sie meinen Blick. Ich hatte gedacht, Schimpansen seien große, schwarze Affen. Aber dies war kein Affe. Dies war etwas Geheimnisvolles." Vielleicht hat die Menschheit Glück, dass Matsuzawa nebenher nicht auch an einem Alzheimer-Medikament geforscht hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: