Tiere:Wie Pferde die Emotionen von Menschen entschlüsseln

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Dass Pferde feinfühlig für Stimmungen sind, hat mit ihrer sozialen Lebensweise zu tun. (Foto: Richard Savickas/Unsplash)
  • Hören Pferde die tadelnde Stimme eines Menschen und sehen gleichzeitig ein freundliches Gesicht derselben Person, stutzen sie.
  • Auch das Körperverhalten spielt eine Rolle, wie frühere Studien bereits gezeigt haben.

Von Katrin Blawat

Wer seine Gefühle verstecken will, der sollte sich von Pferden fernhalten. Die Tiere sind Meister darin, menschliche Emotionen innerhalb von Sekunden zu entschlüsseln - auch solche, die dem Zweibeiner unangenehm sind und die er zu überspielen versucht. Ein Mensch fordert sein Pferd lauthals auf, schneller zu laufen, fürchtet sich aber gleichzeitig vor mehr Geschwindigkeit? Die Chancen stehen gut, dass beide nie über das Schneckentempo hinauskommen.

Wie Pferde es schaffen, den Menschen derart gut zu durchschauen, beschreiben japanische Forscher um Ayaka Takimoto von der Universität Hokkaido im Fachmagazin Scientific Reports. Demnach nutzen Pferde verschiedene Informationsquellen gleichzeitig, um die wahren Gefühle des Menschen zu erkennen. Dazu werten die Tiere sowohl den Klang der Stimme als auch den Gesichtsausdruck des Zweibeiners aus. Normalerweise spiegeln beide dieselbe Emotion; ein wütend blickender Mensch hört sich auch unwirsch an.

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In ihrer Studie testeten die Forscher, ob es Pferde verwirrt, wenn dieser Zusammenhang aufgelöst wird, wenn also der Gesichtsausdruck eines Menschen und seine Stimme nicht zueinander passen. Erkennt das Tier die Inkongruenz, deutet dies darauf hin, dass Pferde die aus Gesicht und Stimme gewonnenen Informationen integrieren, um die Gefühlslage des Menschen zu deuten. Eine derartige Fähigkeit wurde bislang vor allem bei Hunden belegt.

Tatsächlich bestätigten auch die Experimente mit Pferden die Integrations-These. Hörten die Tiere zum Beispiel aus einem Lautsprecher die tadelnde Stimme eines Menschen und sahen zur gleichen Zeit auf einem Bildschirm das freundliche Gesicht derselben Person, stutzten die Pferde. Sie interessierten sich dann für das Gesicht deutlich schneller, als wenn Ausdruck und Stimmlage übereinstimmten.

Besonders große Irritation bei vertrauten Menschen

Auffallend stark ausgeprägt war der Effekt, wenn das Pferd den abgebildeten Menschen und dessen Stimme gut kannte. Offenbar irritierte es die Tiere besonders stark, wenn sich ein vertrauter Mensch, der eigentlich gut einzuschätzen sein sollte, anders verhielt als erwartet.

Die Verwirrung der Pferde interpretieren die Forscher als Beleg dafür, dass die Tiere menschliche Emotionen mithilfe mehrerer Quellen entschlüsseln. Außer Stimme und Gesichtsausdruck spielt dabei auch die Körperhaltung eine Rolle, wie frühere Studien gezeigt haben.

Dass Pferde Emotionen sogar bei Vertretern einer fremden Spezies sehr feinfühlig wahrnehmen, liegt an ihrer eigenen sozialen Lebensweise. In einer Herde genügt oft ein strenger Blick des Gruppenchefs, um ein anderes Tier zur Raison zu bringen. Indem sie auf minimale Signale reagieren, vermeiden die Tiere Rangeleien und damit potenzielle Verletzungen. Die kann sich das Pferd, das für Raubtiere in freier Natur vor allem eine Fleischquelle darstellt, nicht leisten.

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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