Psychologie:Warum die Freude am Schönen schneller vergeht, wenn man sie teilt

Lesezeit: 3 min

  • Im Kollektiv stellt sich Überdruss schneller ein, zeigt eine aktuelle Studie.
  • Die Forscher argumentieren, dass sich der Eindruck der Routine verstärke, wenn mehrere Menschen ihre Aufmerksamkeit auf das Gleiche richten.
  • Das könnte erklären, warum Mode oft so kurzlebig ist.

Von Sebastian Herrmann

Zu den vielen lästigen Umständen des Lebens zählt, dass so viele Menschen die gleichen Leidenschaften pflegen. Es gleicht ja einem Angriff auf die selbstempfundene Einzigartigkeit, wenn der eigene Musikgeschmack doch nicht so ausgefallen ist oder die Nachbarn die gleichen Reiseziele aufsuchen.

So hört man sich Sätze sagen wie "Als die Band noch nicht so groß war, haben die Konzerte mehr Spaß gemacht" oder: "Als wir durch Island gefahren sind, war es noch nicht so überlaufen." Aber es ist nicht nur die Kränkung, doch nur einer von vielen zu sein, die den Spaß an beliebten Dingen verdirbt: Wie Psychologen um Rajesh Bhargave vom Imperial College London in der Fachzeitschrift Journal of Personality and Social Psychology berichten, verblasst die Freude am Schönen generell schneller, wenn Menschen diese mit anderen teilen. Im Kollektiv stellt sich offenbar schneller ein Sättigungsgefühl ein.

Bisher hat sich die psychologische Forschung auf die unmittelbaren Effekte konzentriert, die sich durch hedonistische Gruppenerfahrungen ergeben. So hat etwa Erica Boothby im Fachblatt Psychological Science demonstriert, dass Schokolade besser schmeckt, wenn sie mit anderen zusammen genossen wird. Wenn die Sinne mehrerer Menschen auf den gleichen Stimulus ausgerichtet seien, verstärke dies vermutlich die empfundenen Freuden daran, schreiben auch die Psychologen um Bhargave. Ein Essen im Restaurant oder der Besuch eines Konzertes macht in guter Gesellschaft eben größeren Spaß als alleine.

Im Experiment reduzierte sich die Freude an Dingen rascher, wenn die Probanden diese teilten

Doch wie lange der Genuss anhält, wenn eine Erfahrung wiederholt wird, dazu fehlten bislang Studien. Die Forscher um Bhargave argumentieren, dass sich der Eindruck der Routine verstärke, wenn mehrere Menschen ihre Aufmerksamkeit auf das Gleiche richten. Das Wissen darüber, dass andere gerade auch schon wieder dieselben Bilder betrachten oder von den gleichen Pralinen naschen, mache den Eindruck der Wiederholung kognitiv präsenter und damit eindringlicher. Dadurch setze dann ein Sättigungsgefühl rascher ein.

Die Psychologen untersuchten den Effekt in mehreren Einzelexperimenten, bei denen die Probanden Süßigkeiten aßen, Bilder betrachteten oder Musik hörten. Stets reduzierte sich die Freude an diesen Dingen rascher, wenn sie diese teilten.

Dabei spielte es keine Rolle, ob die anderen wirklich anwesend waren. Es reichte zu wissen, dass andere die gleichen Bilder betrachteten oder dieselbe Musik hörten, der Effekt blieb der gleiche. Es braucht also gar nicht das gelangweilte Gesicht eines Bekannten, um auch die Lust an einer wiederholten Vergnügung zu verlieren.

Daraus ergebe sich, so die Psychologen um Bhargave, die Alltagsrelevanz ihrer Studie. In Zeiten von Social Media sähen nämlich immer mehr Menschen die gleichen Bilder, Filme oder hörten die gleichen Songs - und wüssten auch, dass sie diese Inhalte mit vielen anderen teilen.

Sorgt die globale Vernetzung dafür, dass sich die hedonistische Tretmühle immer schneller dreht?

"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich rasch eine Art Überdruss einstellt", schreibt der Psychologe. Vielleicht, doch das ist Spekulation, kann der Effekt zum Teil erklären, dass Moden oder Vorlieben in der Gegenwart gefühlt ebenso plötzlich entstehen, wie sie wieder verschwinden: Eventuell sorgt die globale Vernetzung dafür, dass sich die hedonistische Tretmühle immer schneller dreht. Denn das Gegenmittel liegt auf der Hand: die Suche nach Abwechslung, neuen Erfahrungen und neuen Produkten, deren Strahlkraft aber wieder nachlässt, sobald andere auf den gleichen Zug aufspringen.

Lässt sich die Studie nun als Plädoyer dafür lesen, künftig nur mehr alleine und mit Scheuklappen auf die Suche nach schönen Erfahrungen zu gehen? Wahrscheinlich nicht. Mit Freunden regelmäßig zu joggen oder essen zu gehen, bietet schließlich ausreichend Abwechslung, weil die Beteiligten dabei ratschen und nicht die ganze Zeit bierernst auf die geteilte Tätigkeit fokussiert sind.

Anders gesagt: Wer regelmäßig mit Bekannten essen geht und immer das gleiche Gericht bestellt, verliert vielleicht schneller die Lust an dieser Speise, als wenn er alleine stets das Gleiche isst. Aber, Achtung, Binsenweisheit, die meisten Speisekarten lassen zu, auch mal etwas anderes zu bestellen - und dann bleibt ein gemeinsames Essen mit Freunden so schön wie eh und je.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Links-grün-versiffter Gutmensch! Rassist! Im Internet posten nur Vollpfosten die letzte Grütze - möchte man meinen. Werden die Aussagen aber mündlich überbracht, fällt die Reaktion des Publikums ganz anders aus - zum Glück.

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