Psychologie:Wenn das strahlende Mädchen zur Spende aufruft

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Einzelschicksale rühren die Menschen mehr als kollektives Leid (Symbolbild). (Foto: Reuters/AP)
  • Die wichtigste Spenden-Lektion aus der Psychologie lautet: Der Einzelfall rührt, alles andere ist nüchterne Statistik.
  • Von negativen Bildern wenden sich Menschen rasch ab. Spendenorganisationen setzen daher für ihre Aufrufe auf positive Emotionen.
  • Umfragen zeigen, dass jene Menschen eher glücklich mit sich und ihrem Leben sind, die regelmäßig für gute Zwecke geben.

Von Sebastian Herrmann

Was nur kann ein Einzelner ausrichten, auf welchen heißen Stein soll der Tropfen seiner Hilfe fallen, den zu geben er imstande ist? Wer spendet, handelt keinesfalls rational und versucht nicht, größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Im Gegenteil, der Impuls zu helfen wird von Emotionen getragen. Hilfsorganisationen wissen das und richten ihre Kampagnen danach aus. Um Menschen zu Hilfe zu bewegen, muss das Elend der Welt ein Gesicht erhalten. Die wichtigste Spenden-Lektion aus der Psychologie nämlich lautet: Der Einzelfall rührt, alles andere ist nüchterne Statistik.

So hat Christopher Hsee von der University of Chicago in mehreren Studien gezeigt, dass das Schicksal eines Einzelnen zu größerer Hilfsbereitschaft motiviert als das Unglück vieler. In seinen Versuchen zeigte sich, dass ein Kind mehr Spenden erhielt als im Vergleich 20 Jungen und Mädchen mit ähnlichem Schicksal zusammen. Eigentlich absurd, denn wer wirklich einen Unterschied machen will, sollte einer Gruppe von Menschen mehr geben als einem Einzelnen. Jedoch rühren Zahlen oder das Schicksal großer Gruppen nicht an die Gefühle, sie wecken kaum Empathie - das aber muss geschehen, damit Menschen helfen. Mit der Geschichte eines einzelnen Menschen können wir uns hingegen verknüpfen, wir können sie nachempfinden.

Das Kinderhilfswerk Unicef lässt ein Baby aus Afrika strahlen

Es kommt also darauf an, die richtigen Gefühle zu wecken. Auf den Webseiten großer Hilfsorganisationen lächeln den Besucher zum Beispiel oft kleine, sehr rührende Kinder an, die meist fröhlich sind. Auf der Internetpräsenz von SOS-Kinderdorf zum Beispiel oder bei Ärzte ohne Grenzen, wo sich ein Bild eines afrikanischen Mädchens findet, das glücklich lächelnd mit dem Stethoskop einer jungen Ärztin spielt. Ein Bild, das Nähe, Hoffnung und Wärme vermittelt. Bei der Welthungerhilfe halten lachende Kinder ihre Hände unter einen klaren Strahl Trinkwasser. Das Kinderhilfswerk Unicef lässt ein Baby aus Afrika strahlen, im Hintergrund des Bildes lächeln drei Frauen. Als Zyniker ließe sich sagen: Das Elend der Welt trägt einen ziemlich fröhlichen Ausdruck im Gesicht.

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Natürlich spiegeln die Fotos nicht die Realität bitterer Armut wider - aber sie motivieren Spender eher als Darstellungen von Elend und Leid. Von negativen Bildern wenden sich Menschen rasch ab. Spendenorganisationen setzen für ihre Aufrufe daher auf positive Emotionen. Dass diese wirken, haben die Psychologen Alexander Genevsky und Brian Knutson von der Stanford University gezeigt. Sie verglichen Aufrufe kranker Menschen, die per Crowdfunding versuchten, Spenden zu bekommen. Die Analyse von mehr als 13 000 solcher Appelle zeigte, dass Aufrufe mit fröhlichen Patienten deutlich mehr Geld einwarben als solche mit Fotos verzweifelter Kranker.

Das klingt zunächst widersprüchlich, müsste nicht Mitleid die Menschen zu Hilfe motivieren? Offenbar nicht. Die Psychologen argumentieren, dass positiv besetzte Bilder es leichter vorstellbar machen, dass Hilfe tatsächlich wirkt und sich der Patient erholen wird. Negative Bilder eines Elenden lösen hingegen instinktive Distanzierung aus: Statt zu geben, eilen die meisten Passanten zum Beispiel wortlos an einen verwahrlosten Bettler vorbei. Der Unglückliche weckt dunkle Emotionen in ihnen, sie fliehen vor ihren eigenen Empfindungen.

Überhaupt müssen Spender das Gefühl haben, etwas zu bewirken. Je machtloser ein Spender sich angesichts massenhaften Elends fühlt, desto eher verzichtet er darauf, überhaupt zu geben. Hilft sowieso nichts, denkt er. So haben Forscher beobachtet, dass Helfer mehr geben, wenn sie zum Beispiel 80 von 100 Menschen statt 200 von 1000 retten können. Das ist absurd, schließlich hätte man im zweiten Fall mehr helfen können. Doch stellt sich das Gefühl der Machtlosigkeit mit größerer Wucht ein, weil man in dem Fall auch mehr Unglücklichen nicht hat helfen können.

Hilfsorganisationen wissen das und erzählen personalisierte Geschichten des Erfolgs, um Spendern das Gefühl zu geben, sie hätten einen Unterschied bewirkt. Denn auch das gehört dazu: Wer gibt, belohnt sich selbst. Zu spenden versetzt die Belohnungszentren des Hirns in rege Aktivität, haben Neurowissenschaftler festgestellt. Dabei entsteht ein warmes Gefühl aus der Gewissheit heraus, richtig gehandelt zu haben. So gelingt es Wohltätern, auf jeden Fall einen Unterschied zu bewirken. Umfragen haben gezeigt, dass jene Menschen eher glücklich mit sich und ihrem Leben sind, die regelmäßig für gute Zwecke geben.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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