Spenden:Wenn die gute Tat immer besser werden muss

Pupils wait for the French President to enter their classroom during a visit at a school in Ouagadougou

Wer Bildung in armen Ländern wie Burkina Fasofördern will, sollte keine Schulen oder Bücher spenden, sondern Geld für Entwurmungskampagnen - aus Effizienzgründen. Aber ist es wirklich so einfach?

(Foto: REUTERS)

Große Geldgeber legen beim Spenden dieselbe Logik an wie beim Investieren. Die Welt wird dadurch nicht unbedingt besser.

Kommentar von Christoph Gurk

Für 3000 Dollar. Günstiger kann man kein Menschenleben retten. Das sagt zumindest "Give Well", eine Organisation, die errechnet, wie kosteneffektiv Hilfs- und Entwicklungsprojekte arbeiten. Give Well ist Teil einer weltweiten Bewegung, die sich effektiver Altruismus nennt. Das Ziel: Zeit und vor allem auch Geld so effektiv zu nutzen wie nur möglich, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ihre Ursprünge hat die Denkschule in England und den USA, vor allem in Silicon Valley ist sie in Mode. Dustin Moskovitz, einer der Mitgründer von Facebook, spendet sein Vermögen nach diesen Grundsätzen.

Mittlerweile gibt es auch eine deutsche Stiftung mit Hauptsitz in Berlin, dazu Ortsgruppen in allen großen Städten, in denen sich die Mitglieder organisieren. Etwa 2000 sollen es in Deutschland sein, eine verschwindend kleine Zahl verglichen mit den 17 Millionen Menschen, die dieses Jahr hierzulande Geld gespendet haben oder dies noch in der Weihnachtszeit tun werden. Allein: Der effektive Altruismus ist nur eine Ausprägung eines viel größeren Trends, einer Revolution des Gebens, die mit unternehmerischen Mitteln die Hilfsbranche verändern möchte.

Immer mehr Spender, darunter auch Groß-Philanthropinnen wie BMW-Erbin Susanne Klatten, haben sich ihr angeschlossen. Sie wollen ihr Geld nicht mehr nur Organisationen überweisen, mit deren Zielen sie sich verbunden fühlen, sie wollen auch Beweise für die Effektivität der Hilfe. Geben soll nicht mehr von reiner Nächstenliebe geleitet werden, sondern von Kosten-Nutzen-Überlegungen, Wirkungspotenzial statt Wohltätigkeit, Hirn statt Herz. Dafür werden Daten gesammelt und Organisationen durchleuchtet, es gibt längst extra Berateragenturen und Analyse-NGOs, darunter eben auch Give Well.

Tatsächlich stehen am Ende von deren Analysen teils erstaunliche Ergebnisse. Beispielsweise, dass mangelnde Bildung in Entwicklungsländern oft auf Wurmbefall zurückgeht. 1,5 Milliarden Menschen leiden weltweit an Wurmerkrankungen. Wenn die Würmer Kinder befallen, werden diese so geschwächt, dass sie tage- oder wochenlang im Unterricht fehlen. Wer also Bildung fördern will, hat Give Well ausgerechnet, sollte keine Schulen bauen oder Bücher spenden, sondern Geld für Entwurmungskampagnen. Ein anderes Beispiel sind mit Insektiziden behandelte Moskitonetze. Sie kosten zwischen fünf und acht Dollar, und verrechnet man diesen Anschaffungspreis mit der Lebensdauer der Netze, der Kindersterblichkeit und anderen Faktoren, kommt man am Ende zu jenen 3000 Dollar, die es kostet, mit Moskitonetzen ein Leben zu retten. Wer genug und vor allem richtig spendet, der kann am Ende also mehr Leben retten als ein Arzt oder Feuerwehrmann. Und genau das ist ein Problem.

Analysen allein reichen nicht, um eine gerechtere Welt zu schaffen

Folgt man dieser Logik, stellt sich nämlich schnell die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, für mehrere Tausend Euro einen Blindenhund für einen Sehbehinderten in Deutschland zu kaufen - oder ob es nicht viel effektiver ist, das Geld zu verwenden, um mehrere Hundert Menschen in Afrika mit günstigen Operationen von Augenkrankheiten zu befreien. Menschen werden zur Rechenmasse, und auf einmal gibt es nicht nur gute, sondern auch bessere Taten.

Natürlich ist der effektive Altruismus nur die radikalste Ausprägung dieser analyse- und datengetriebenen Art des Helfens. Doch selbst die Varianten, die lediglich auf nachgewiesene Wirkung setzen, haben entscheidende Denkfehler. Sie vertrauen darauf, dass wissenschaftliche Analysen den Weg weisen zu einer besseren Welt. Nur: Gerade die größten Probleme sind oft kaum analysierbar. Wie misst man beispielsweise die Wirkung von Hilfsprojekten bei struktureller Unterdrückung von Frauen oder Minderheiten? Dazu kommt die zweite, noch entscheidendere Frage: Wie sieht eine bessere Welt eigentlich aus? Eine Debatte darüber gibt es nicht. Die Frage nach Wirkung stellt den Status quo nicht grundsätzlich infrage. Notleidenden wird so natürlich dennoch effektiver und wirkungsvoller geholfen. Inwieweit reiche Spender mitverantwortlich sind für die Armut im Rest der Welt, spielt aber keine Rolle.

Dabei ist nicht grundsätzlich falsch, sich vor einer Spende zu fragen, an wen man sein Geld gibt, welche Ziele die Organisation hat, was sie erreicht hat und noch erreichen will. An wen man dann aber letztendlich spendet, dafür gibt es viele Gründe, und keiner ist besser als der andere. Das Wichtigste ist ja ohnehin nicht die Frage, für wen man sich einsetzt, sondern dass man überhaupt jemandem hilft. Oder um es mit Erich Kästner zu sagen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

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