Sozialpsychologie:Unattraktive Menschen verdienen oft besser als hübsche Kollegen

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Wie beurteilt man das Aussehen eines Menschen? Selbst dafür entwickeln Forscher Methoden. (Foto: Allef Vinicius/Unsplash)
  • 20 000 US-Amerikanern wurden befragt und ihr Aussehen bewertet.
  • Der Effekt zeigte sich unabhängig vom Geschlecht. Außerdem spielte es keine Rolle, in welcher Branche die Probanden arbeiteten.
  • Eine mögliche Erklärung könne in den Persönlichkeitsmerkmalen liegen, spekulieren die Sozialwissenschaftler.

Von Sebastian Herrmann

Heutzutage geschieht es ja ruckzuck, dass sich jemand diskriminiert fühlt. Da kann der Überblick über die Ungerechtigkeiten der Welt schon verloren gehen. "Lookism" ist so eine Zeitgeistdiagnose, die erklärungsbedürftig ist. Vereinfacht gesagt steckt dahinter die Annahme, dass es gut aussehende Menschen im Leben leichter haben und unansehnliche Zeitgenossen schwer benachteiligt werden. Als Hauptbeleg werden Studien ins Feld geführt, die zeigen: Die Schönen verdienen meist mehr als die Hässlichen.

Doch wie es aussieht, hält diese Annahme einer Überprüfung kaum stand. Satoshi Kanazawa von der London School of Economics und Mary Still von der University of Massachusetts zeigen in einer Studie, dass arg unattraktive Menschen verblüffenderweise oft besonders gut verdienen - und dass keine Diskriminierung hinter dem Effekt steckt ( Journal of Business and Psychology).

Die Wissenschaftler werteten Daten von rund 20 000 US-Amerikanern aus, die für die National Longitudinal Survey of Adolescent Health (ADD Health) über Jahre begleitet wurden und im Alter von 16 bis 29 Jahren regelmäßig Auskunft gaben. Unter anderem vermerkten die beteiligten Forscher dabei auch immer wieder, wie attraktiv die Erscheinung des jeweiligen Probanden war, und fragten darüber hinaus das Bruttoeinkommen ab.

Die unansehnlichsten Männer und Frauen verdienten überraschenderweise stets mehr als die weniger hässlichen oder irgendwie durchschnittlichen Teilnehmer der Studie und gelegentlich sogar mehr als die von äußerer Schönheit gesegneten.

Branche und Geschlecht spielen keine Rolle

Der Effekt zeigte sich unabhängig vom Geschlecht, er traf sowohl auf Männer als auch auf Frauen zu. Außerdem spielte es keine Rolle, in welcher Branche die Probanden arbeiteten. Es sei also nicht so, dass zum Beispiel attraktive und weniger attraktive Menschen im Durchschnitt unterschiedliche Berufe wählen und ein abstoßendes Äußeres auf irgendeine Weise dazu verleite, eher Berufe mit besonders guten Verdienstaussichten zu wählen oder umgekehrt. Sogar innerhalb einzelner Branchen steckten die besonders unattraktiven Menschen häufig mehr Gehalt in die Tasche als ihre ansehnlicheren Kollegen.

Die Ergebnisse scheinen bisherigen Studien zu widersprechen, die einen Gehaltsbonus für schöne Menschen ermittelt hatten. Das liegt wohl daran, dass in diesen Untersuchungen oft weniger präzise zwischen den verschieden Graden von Attraktivität unterschieden wurde und quasi nur unterdurchschnittlich schöne Menschen mit Normalos oder überdurchschnittlich Schönen verglichen wurden. Der Einkommensvorteil der Hässlichen trifft jedoch vor allem für jene Studienteilnehmer zu, die am extremen Ende des Spektrums angesiedelt sind.

Was den Effekt antreibt, ist hingegen nicht ganz klar. Die Sozialwissenschaftler verweisen auf Persönlichkeitsmerkmale, die durchaus mit äußeren Erscheinungsformen korrelieren könnten. Viele der besonders unansehnlichen Studienteilnehmer zeigten zum Beispiel niedrige Werte bei der Charakterdimension "Offenheit für Neues". Das kann mit beruflichem Erfolg korrelieren, weil sich Menschen leichter auf Dinge fokussieren, wenn sie nicht für alles Neue offen sind. Doch das ist Spekulation.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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