Erdbeben in Pakistan:Forscher rätseln über neue Insel

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Eine neue Insel ist vor Pakistans Südküste aufgetaucht (Foto: Reuters)

Vor der Küste Pakistans ist eine neue Insel aus dem Ozean aufgetaucht. Geologen fragen sich nun, ob und wie das Phänomen mit dem tödlichen Erdbeben vom Dienstag zusammenhängen könnte.

Es ist neben den Tragödien, die sich nach dem Erdbeben in Pakistan abspielen, natürlich nur eine Nebensache. Allerdings eine spektakuläre: Es scheint, als hätte das Beben, das mehr als 200 Menschen getötet hat, vor der Küste des Landes auch eine neue Insel aus dem Meer gehoben.

Vor der pakistanischen Hafenstadt Gwadar ist offenbar der Meeresboden so angestiegen, dass nun eine felsige Fläche bis zu zwölf Meter aus dem Wasser des Indischen Ozeans ragt. Die Insel befindet sich mehrere hundert Meter vor der Küste in der Arabischen See und soll eine Fläche von etwa 30 mal 40 Metern besitzen, manche Quellen sprechen auch von einer Länge von fast 100 Metern. Am Strand haben sich aufgeregte Augenzeugen des Phänomens versammelt. Erste Schaulustige haben die Insel bereits besucht.

Noch ist nicht ganz klar, ob die neue Insel tatsächlich mit dem Erdbeben der Stärke 7,7 zusammenhängt, das sein Epizentrum in der dünn besiedelten Region Awaran hatte.

Erste Schaulustige besuchen die neue Insel (Foto: REUTERS)

Dass bei Erdbeben neue Inseln entstehen, ist nicht so ungewöhnlich. So tauchten nach dem Erdbeben 2004 im Indischen Ozean, das jenen Monster-Tsunami auslöste, der die Küsten von Thailand und Indonesien verheerte, eine Reihe von winzigen Inseln in der Nähe der Andamanen auf, einer Inselgruppe 300 Kilometer südwestlich von Myanmar.

Allerdings handelte es sich damals um ein unterseeisches Erdbeben, das eine etwas andere Ursache hatte als die aktuelle Katastrophe. Damals wurde das Beben ausgelöst durch massive Spannungen in der Erdkruste, die dadurch entstehen, dass sich im Indischen Ozean die indisch-australische Kontinentalplatte unter die eurasische Platte schiebt. Löst sich eine solche Spannung auf, kann es, wie 2004, zu einem besonders schweren Megathrust-Erdbeben führen, bei dem Teile der Erdkruste plötzlich aufsteigen.

In der Grenzregion von Indien und Pakistan allerdings schieben sich die eurasische und die indische Erdplatte seitlich aneinander vorbei und verhaken sich immer wieder, was zu Spannungen führt, die sich in Erdbeben entladen. "Stellen Sie sich vor, Sie reiben zwei Holzblöcke aneinander", erklärte der Geophysker John Bellini vom U.S. Geological Survey (USGS) dem US-Magain The Week. Auf die Frage, ob so ein Erdbeben eine neue Insel aufsteigen lassen könnte, sagte er: "Ich wüsste nicht, wie das gehen soll."

Steckt ein Schlammvulkan dahinter?

Ein Vorschlag kommt von Rob Mellors vom kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory. Der Spezialist für Erdbeben in Asien und dem Nahen Osten hält es für möglich, dass ein Schlammvulkan die Ursache ist, berichtet The Weather Channel.

Hängt die Entstehung der Insel mit eine Schlammvulkan zusammen? (Foto: AFP)

Wie Bill Barnhart vom U.S. Geological Survey dem US-Wetterkanal erklärte, könnten solche Vulkane entstehen, wenn Gase wie Methan, die in den tieferen Erdschichten gefangen sind, durch die Erschütterungen eines Erdbebens freigesetzt werden. "Die Gase reißen Schlamm mit sich, wenn sie zur Oberfläche aufsteigen." Ist die Masse groß genug, könnte sie eine Insel bilden.

Bereits früher, nach einem Erdbeben in Indien 2001, habe sich in dieser Region ein Schlammvulkan gebildet, sagte Barnhart dem Weather Channel. Außerdem wurden Mellors zufolge 1945 und 1999 ähnliche Inseln beobachtet wie jetzt.

Der Abstand der neuen Insel zum Epizentrum des Erdbebens sei allerdings "ein wenig überraschend", sagte John Armbruster vom Lamont Doherty Earth Observatory an der Columbia University dem US-Sender NBC.

Auch Meeresströmungen können Inseln aus Sand aufschwemmen, wie etwa die nordfriesische Insel Norderoogsand. Immer wieder sind es allerdings auch Vulkanausbrüche, die neue Inseln entstehen lassen, indem sich vom Meeresboden aus Lavaberge bilden. So tauchte im Dezember 2011 vor der Küste des Jemen eine Insel auf, nachdem ein unterseeischer Vulkan im Roten Meer ausgebrochen war. Vor der Kanaren-Insel El Hierro wuchs 2011 ebenfalls ein Vulkan in die Höhe, der allerdings die Wasseroberfläche nicht erreichte. Und 2006 entstand ebenfalls eine Vulkan-Insel in der Nähe der Tonga-Inseln im Pazifik.

Von einem Vulkanausbruch in der Arabischen See vor Pakistans Küste ist jedoch nichts bekannt.

Nach Angaben eines Vertreters der Stadtverwaltung von Gwadar, so berichtet AFP, ist vor rund 60 Jahren an der selben Stelle wie jetzt schon einmal eine kleine Insel aufgetaucht, die jedoch nach einiger Zeit wieder verschwand. Auch NBC berichtet von Einwohnern von Gwadar, die nach einem Erdbeben 1968 eine Insel auftauchen und nach einem Jahr wieder verschwinden gesehen haben.

Rob Mellors kennt ein weiteres Beispiel. Wie er dem Weather Channel sagte, sei es 1945 in der Region zu einem unterseeischen Beben der Stärke acht gekommen. Auch damals seien mehrere Inseln entstanden, die nach drei Monaten wieder verschwunden waren.

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