Nationaler Pandemieplan:Masterplan mit Lücken

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Die Umsetzung des nationalen Pandemiekonzepts liegt in den Händen der Länder. Sie sind unterschiedlich gut auf den Ernstfall vorbereitet.

Hanno Charisius

Es sind einfache Dinge, die vor den Influenzaviren schützen. Händewaschen zum Beispiel, wenn man vom Einkaufen nach Hause kommt. Das Küsschen beim Begrüßen von Freunden einstweilen weglassen, sogar der Handschlag birgt ein Infektionsrisiko. Ein Gruß auf Distanz ist in Zeiten erhöhter Ansteckungsgefahr der beste Schutz für den Einzelnen. Um ein ganzes Land zu schützen, reichen die simplen Regeln allerdings nicht aus. Deshalb haben Katastrophenschützer und Mediziner vor vier Jahren angesichts der Vogelgrippe den nationalen Pandemieplan entwickelt. Er soll eine von Bund und Ländern konzertierte Reaktion ermöglichen, wenn der Erreger nach Deutschland kommt.

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Analog zum System der Weltgesundheitsorganisation WHO ist auch der Pandemieplan Deutschlands in sechs Stufen untergliedert. In den ruhigen Phasen 1 und 2 untersuchen Experten etwa die Wirksamkeit von Medikamenten und stellen die Kapazitäten für die Impfstoff-Produktion sicher. Derzeit steht die Welt auf Stufe 4 des WHO-Alarmplans - und das vogelgrippebedingt bereits seit einigen Jahren.

Das deutsche Pendant benennt für diese Phase die "Isolierung eines neuen Influenza-Subtyps bei Menschen" als Kriterium. In dieser Zeit wird der Informationsaustausch zwischen nationalen und internationalen Stellen verstärkt. Regierungsstellen versorgen Ärzte mit Informationsmaterial, und an den Flughäfen wird erhöhte Aufmerksamkeit angeordnet. In Phase 4 ruft das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Krisenstab ein. Das aber auch nur, wenn es "stark lokalisierte Infektionen bei wenigen Menschen" gibt.

In Phase 5, der "pandemischen Warnperiode", in der sich das Virus weiter ausbreitet, kann eine Kontrolle des Reiseverkehrs angeordnet werden. Für das medizinische Personal gibt es detaillierte Richtlinien, wie mit Infizierten umzugehen ist.

Patienten wird ein Mundschutz empfohlen, um ihre Umgebung vor Keimen zu schützen. Als Eigenschutz für Nicht-Infizierte empfiehlt die WHO die Atemmasken aus Papier jedoch nicht. In Phase 6, wenn es eine "zunehmende und fortdauernde Übertragung in der Allgemeinbevölkerung" gibt, beginnt die Impfstoffproduktion, und Medikamente werden verteilt. Zusätzliches medizinisches Personal wird rekrutiert. Je nach Einschätzung der Experten kann in dieser Phase auch die Schließung von Schulen und öffentlichen Einrichtungen empfohlen werden. Die Entscheidung liegt jeweils bei den einzelnen Bundesländern.

Das oberste Ziel ist, das Virus daran zu hindern, das öffentliche Leben aus dem Takt zu bringen. Deshalb wird "der zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderliche Personenkreis" zuerst mit Impfstoff versorgt - wenn er denn verfügbar ist. Dann wird laut Pandemieplan die Bevölkerung "nach Altersjahrgängen geimpft".

Die Umsetzung aller Pläne liegt in der Hoheit der Bundesländer, genauso wie die Bevorratung mit modernen Grippemedikamenten wie Tamiflu oder Relenza. Die WHO empfiehlt, Arzneimittel für 25 Prozent der Bevölkerung einzulagern, das Robert-Koch-Institut hält 20 Prozent Versorgung für angemessen. Aber nicht einmal das leisten sich alle Länder, und der Staat hat keinen Einfluss darauf. Wie gut Kranke versorgt werden, wird deshalb im Ernstfall wahrscheinlich auch davon abhängen, wo sie wohnen. Eine länderübergreifende Pandemieübung im Jahr 2007 hatte gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Landesbehörden nicht immer spannungsfrei verläuft.

© SZ vom 28.04.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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