Erderwärmung:Was Forscher über den Klimawandel wirklich wissen

Dürre durch El Nino

Dürre auf den Philippinen: Die Trockenheit wurde wahrscheinlich vom Wetterphänomen El Niño ausgelöst.

(Foto: dpa)

Zuletzt aktualisiert am 19. Januar 2019

Von Christoph von Eichhorn, Marlene Weiß und Markus C. Schulte von Drach

Um wie viel Grad hat sich die Erde bereits erwärmt und warum?

Bis heute ist die Temperatur im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts bereits um gut ein Grad angestiegen. Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn systematischer Messungen fallen alle in die Zeit nach 1997. 2016 war laut Zahlen der US-Atmosphärenbehörde NOAA das bislang wärmste Jahr - die weltweite Durchschnittstemperatur lag 0,94 Grad über dem Mittel des 20. Jahrhunderts. 2017 war laut Zahlen der Nasa das zweitwärmste Jahr.

Bei einem einzelnen zu heißen Jahr könne man noch von einem Zufall ausgehen, sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. "Aber diese Häufung heißer Jahre ist praktisch nicht mehr zu erklären ohne den Klimawandel." Es gebe keine anderen plausiblen Erklärungen als die vom Menschen emittierten Treibhausgase in der Atmosphäre.

Der Weltklimarat bezeichnet es in seinem jüngsten Sachstandbericht als "extrem wahrscheinlich", dass der Anstieg der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre für mehr als die Hälfte des beobachteten Temperaturanstiegs der letzten 60 Jahre verantwortlich ist. Treibhausgase wie CO₂, aber auch Methan oder Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) reichern sich in der Atmosphäre an und absorbieren Wärmestrahlung, die von der Erde abgegeben wird, so dass sich die Atmosphäre erwärmt.

Wie schnell steigen die Emissionen an?

Der Ausstoß von Kohlendioxid hat nach Schätzungen des Forschungsverbunds "Global Carbon Project" 2018 um etwa 2,7 Prozent zugenommen. Bereits 2017 war der Ausstoß um 1,6 Prozent angestiegen, nachdem er zuvor drei Jahre fast auf dem selben, wenn auch hohen Niveau verharrt hatte. Damals hatten Wissenschaftler auf eine Trendwende gehofft.

Mittlerweile emittiert die Menschheit durch die Verbrennung fossiler Energien 37,1 Gigatonnen (Gt) CO₂ pro Jahr, mehr als je zuvor. Auch die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre stieg laut "Global Carbon Project" im Jahr 2018 auf einen Rekordwert von durchschnittlich 407 ppm (Teilchen pro Million Teilchen) an. Die Forscher schreiben ernüchtert: "Der Höhepunkt der weltweiten Emissionen ist noch nicht in Sicht."

Wie heiß könnte es werden?

Der Weltklimarat IPCC hat verschiedene Szenarien entwickelt, welche die Zukunft des Erdklimas beschreiben. Im optimistischsten Fall steigt die globale Durchschnittstemperatur bis 2100 nur noch um ein halbes Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wären es etwa 1,5 Grad. Das Szenario geht allerdings davon aus, dass die CO₂-Emissionen nur noch wenig zunehmen und von 2030 an stark abnehmen. Etwa bis Mitte des Jahrhunderts dürfte die Menschheit überhaupt keine Treibhausgase mehr freisetzen.

Ziel des Übereinkommens von Paris ist es, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfte die Menschheit insgesamt nur noch 1170 Gigatonnen CO₂ emittieren. Beim derzeitigen Treibhausgasausstoß wäre dieses Budget in 26 Jahren ausgeschöpft. Soll sich die Erde nur um 1,5 Grad erwärmen, dürfen sogar nur noch 420 Gt Kohlendioxid in die Atmosphäre entweichen.

Die aktuellen Zusagen der Staaten reichen jedenfalls weder für das eine noch für das andere Ziel aus. Sie führen eher auf drei Grad Erwärmung hin. Auch der aktuelle Stand wäre indes schon besser als das Worst-Case-Szenario, das noch vor wenigen Jahren am wahrscheinlichsten schien: Wären die Emissionen weiter ungebremst angestiegen, wie sie es lange taten, hätte man mit mindestens vier Grad rechnen müssen.

Aber war in den letzten Jahren nicht von einer "Erwärmungspause" die Rede?

Immer wieder überschattete die Frage die Klimadebatte, ob die Erwärmung nach 1998, das besonders warm war, eine Pause eingelegt habe. Mittlerweile gilt diese Klimapause als widerlegt. "Die Erwärmung hat nicht komplett stagniert, sie ist langsamer geworden", sagt Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Das sei einer Folge natürlicher Schwankungen gewesen, wie sie das Weltklima immer wieder zeige.

So haben sich offenbar in den vergangenen 20 Jahren die Passatwinde über dem Pazifik verstärkt, wodurch der Ozean kühler wurde. So konnte Wärme aus der Atmosphäre in das Meer wandern. Auch waren die Winter in Eurasien etwas kälter als sonst. Was diese Prozesse ausgelöst hat, wissen Klimaforscher noch nicht genau. Seit einigen Jahren steigen die globalen Durchschnittstemperaturen jedenfalls wieder kräftig.

Meere, Arktis, Wetter: Folgen für den Planeten

Schmelzen die Pole tatsächlich?

Eismessungen am Nordpol

Eismessungen am Nordpol

(Foto: dpa)

Seit 1992 haben die Eispanzer Grönlands und der Antarktis an Masse verloren, hier sind sich die Forscher sehr sicher. Ebenso sicher ist es, dass die Gletscher weltweit zurückgehen. Im vergangenen Jahrzehnt gingen Gletschern in Alaska, Kanada, Grönland, Asien und den südlichen Anden besonders viel Eis verloren.

Der Verlust ist regional jedoch sehr unterschiedlich: Das arktische See-Eis ist seit Ende der 1970er um etwa dreieinhalb Prozent pro Jahrzehnt geschrumpft. Im März 2017 maß die Nasa mithilfe von Satellitenaufnahmen die geringste maximale Ausdehnung des arktischen Eises seit Beginn der Aufzeichnungen.

In der Antarktis hat sich das Eis auf dem Meer im gleichen Zeitraum dagegen noch ausgedehnt, um etwa eineinhalb Prozent pro Jahrzehnt - ein Befund, den sich Klimaforscher bislang nicht recht erklären können. Das Eis variiert regional gesehen beträchtlich: Im Osten der Antarktis dehnt sich das Eis aus, im Westen, vor allem im Bereich der Amundsen-See, ist die Eisfläche geschrumpft. Ein Problem für die Forscher ist, dass sie die Dicke der Eisschicht nicht genau kennen.

Sicher dagegen ist, dass die Antarktis insgesamt an Masse verliert. Derzeit verliert sie laut einer Studie im Fachmagazin PNAS 252 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr - sechs Mal mehr als noch während der 1980er Jahre.

Wie schnell steigen die Meeresspiegel?

Wie stark der Meeresspiegel ansteigt, ist einer der großen Unsicherheitsfaktoren in der Klimaforschung. Bis heute ist das Wasser bereits um etwa 23 Zentimeter gestiegen. Noch im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2013 rechneten die Forscher nur mit rund einem halben Meter Anstieg bis zum Jahr 2100, schlimmstenfalls sollten es 80 Zentimeter werden.

Diese Annahmen halten sehr viele Klimaforscher inzwischen für deutlich zu konservativ. Vor allem der Beitrag der Antarktis zum Anstieg des Meeresspiegels könnte viel höher sein als angenommen. Die dortigen Eismassen reichen im Prinzip aus, um den Pegel des Wassers um unvorstellbare 60 Meter steigen zu lassen; entsprechend relevant ist alles, was dort passiert. Lange dachte man, die Region um den Südpol würde erst sehr spät zu schmelzen beginnen. Neuere Messungen und Simulationen aber zeigen besorgniserregende Ergebnisse: Allein die Antarktis könnte demnach bis zum Jahr 2100 mehr als einen Meter zum Wasseranstieg beitragen, insgesamt könnte das Wasser bis dahin um bis zu 1,80 Meter steigen. Sollte es wirklich so kommen, würde das katastrophale Krisen auslösen. Riesige Städte wie Mumbai und Shanghai wären bedroht, Miami und New Orleans sowieso. Heute dicht bevölkerte Küstenregionen würden unbewohnbar.

Noch ist nicht klar, ob dieses Schreckensszenario eintritt, oder wann. Sicher ist jedoch, dass es umso näher rückt, je schneller und weiter die Erwärmung voranschreitet: Gelingt es, sie auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, würde das zwar keinen absoluten Schutz bieten. Aber es wäre weit weniger riskant als drei oder vier Grad Temperaturanstieg. "Jenseits von zwei Grad Erderwärmung steigen die Großrisiken steil an", sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). So könne etwa der Eispanzer Grönlands schmelzen - ein Prozess, der nicht mehr aufzuhalten ist, sobald er begonnen hat. "Dann steigt der Meeresspiegel allein wegen dieses Eisschilds um kaum vorstellbare sieben Meter", sagt Schellnhuber.

Macht der Klimawandel Wetterextreme wahrscheinlicher?

Wann immer das Wetter irgendwo auf der Welt verrückt spielt, stellt sich die Frage: Ist das noch normal? Oder schon der Klimawandel? In vielen Fällen kann man sie inzwischen recht klar beantworten: Ja, der Klimawandel hat Extremereignisse wahrscheinlicher gemacht. Das gilt besonders für Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen. Immerhin liegen neun der zehn wärmsten je gemessenen Jahre im 21. Jahrhundert, heiße Tage sind bereits spürbar häufiger geworden. Bei zwei Grad Erwärmung müssten der Nahe Osten und Nordafrika mit bis zu 46 Grad Celsius an den heißesten Tagen rechnen. Auch in Europa läge die Zahl der Hitzetoten jährlich wohl um etwa 20 Prozent höher. Sollte das Zwei-Grad-Ziel verfehlt werden, könnten unter anderem Teile Südasiens bis 2100 schwer von Hitzewellen getroffen werden.

Nicht ganz so klar ist die Lage bei Stürmen: Noch lässt sich nicht nachweisen, dass verheerende Ereignisse wie der Hurrikan Irma in der Karibik wirklich häufiger oder schlimmer geworden sind. Allerdings halten Forscher einen Zusammenhang für wahrscheinlich: Warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf, das liefert schweren Stürmen Energie.

Muss sich Deutschland künftig auf mehr heiße Sommer wie im Jahr 2018 einstellen?

Für Deutschland sagen einige Prognosen bis zum Jahr 2100 eine Erwärmung um etwa vier Grad im Vergleich zum 20. Jahrhundert voraus. Damit werden auch lange, trockene Sommer wahrscheinlicher. Klimaforscher beobachten, dass sich Luftströme auf der Nordhalbkugel seit einigen Jahren abschwächen, vermutlich ausgelöst durch eine wärmere Arktis. Damit wechseln sich weniger Hochs und Tiefs über Mitteleuropa ab. Einzelne Hochs können dann wochenlang über einem Fleck hängen bleiben, und es fällt kein Regen mehr.

Ernten, Migration, Konflikte: Folgen für den Menschen

Wirkt sich die Erderwärmung auf die Welternten aus?

Das gilt als wahrscheinlich, unklar ist allerdings, in welchem Ausmaß. Besonders Reis, Weizen und Mais in tropischen Regionen macht die Erderwärmung zu schaffen. Etwa ein Zehntel dieser Felder könnte im Zeitraum 2030 bis 2049 rund ein Viertel weniger Ertrag liefern, schätzen die Verfasser des IPCC-Berichts. Eine Erderwärmung um vier Grad oder mehr hätte wohl gravierende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit.

Könnten Menschen wegen des Klimawandels aus ihrer Heimat fliehen?

Naturkatastrophen wie Stürme und Überschwemmungen zwangen 2013 mehr als 22 Millionen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, die meisten Umweltflüchtlinge gab es in Asien. Da der Klimawandel Extremwetter-Ereignisse wie Dürren und Überschwemmungen verschärft, könnten in den nächsten Jahren noch mehr Menschen entwurzelt werden. Die genaue Zahl ist sehr schwer vorauszusagen, Schätzungen reichen von 50 Millionen bis 200 Millionen Klimaflüchtlingen im Jahr 2050. Sollte der Meeresspiegel um einen halben Meter ansteigen, wäre der Siedlungsraum von 72 Millionen Menschen bedroht.

Was bedeutet das für Konflikte?

2015 warnten die G7-Außenminister, der Klimawandel sei "eine der zentralen Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts". Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, sinkende Einkommensmöglichkeiten, unbewohnbare Rückzugsräume und Fragen des Ressourcenzugangs könnten "zu zwischenstaatlichen Spannungen, zum Zerfall von Staaten und Gesellschaften führen".

South Korean troops carry out peace-keeping mission in South Suda

Blauhelmsoldaten im Sudan

(Foto: dpa)

Auch das US-Verteidigungsministerium nennt den Klimawandel "eine akute und wachsende Bedrohung unserer nationalen Sicherheit", da er zu mehr Naturkatastrophen, Flüchtlingsströmen und Konflikten über Ressourcen wie Nahrung und Wasser führen werde.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon machte 2007 für den Konflikt in Darfur im Sudan den Klimawandel mitverantwortlich. Die Gewalt zwischen den ethnischen Gruppen sei während einer extremen Dürre ausgebrochen, unter der die Region damals litt. Ein Zusammenhang mit der Erderwärmung wird auch beim syrischen Bürgerkrieg vermutet. US-Forschern zufolge hatten bis 2011 viele Syrer nach einer lange Dürre ihre Existenzgrundlage verloren, 1,5 Millionen waren in Städte gezogen. Diese Entwicklungen hätten zu den Unruhen beigetragen.

Der Klimawandel ist für derartige Konflikte aber nicht der alleinige Auslöser. In Darfur etwa mussten immer mehr Menschen von immer weniger Boden leben. In Syrien fiel der Beginn des Konflikts in den Arabischen Frühling, in das Aufbrechen religiöser und politischer Spannungen. Allerdings halten Forscher es für plausibel, dass Klimaveränderungen bestehende Konflikte verstärken. Als gefährdet gelten Staaten, die anfällig für Klimaveränderungen und zugleich politisch instabil sind, zum Beispiel der Sudan, Tschad, die Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik und der Jemen.

Die Erderwärmung sollte als Auslöser von Kriegen also nicht überschätzt werden. Aber auch bei Konflikten, die als ethnisch, religiös oder sozial motiviert gelten, sollte man seine mögliche Bedeutung berücksichtigen. Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels dürften deshalb auch ein Beitrag zum Frieden sein.

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