Der Eispanzer der Antarktis schmilzt mit zunehmendem Tempo ab. Während der Kontinent in den 1980er Jahren noch 40 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr verlor, ist der Verlust in diesem Jahrzehnt auf 252 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr gestiegen. Der daraus resultierende Anstieg des Meeresspiegels beläuft sich auf 3,6 Millimeter pro Jahrzehnt.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschergruppe um Eric Rignot von der University of California im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences. Für ihre Studie haben die Klimatologen die Entwicklung in 18 Regionen der Antarktis untersucht. Sie stützen sich dabei auf zahlreiche Satellitenmessungen, welche den Südkontinent aus dem Weltall abtasten. Am stärksten ist die Westantarktis in Mitleidenschaft gezogen, aber auch in der Ostantarktis zeigen sich erhebliche Effekte - was zum ersten Mal in dieser Klarheit gezeigt werden konnte.
Zeitweise war die Eisschmelze in Teilen der Antarktis, vor allem in der Ostantarktis, unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert worden. Alle nunmehr stark betroffenen Gebiete befinden sich in der Nähe von warmen, zirkumpolaren Tiefenströmungen des umgebenden Meeres. Auf sie führen die Autoren den Rückgang vor allem zurück.
Vergleichbar mit dem Rückgang auf Grönland
Der antarktische Eisverlust ist nach Aussage des Fernerkundungs-Experten Matthias Braun von der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Rückgang auf Grönland vergleichbar. Die Studie zeige demnach, wie schon andere zuvor, dass die Westantarktis derzeit den Hauptbeitrag im Massenverlust der Antarktis beisteuert. "Interessant ist jedoch auch, dass mehrere Gebiete in der Ostantarktis Masse verloren zu haben scheinen, was so bisher nicht bekannt war", sagt Braun.
Von "beeindruckenden Ergebnissen" spricht der Tübinger Geologe Reinhard Drews. Es werde jetzt deutlich, dass die Beschleunigung der Auslassgletscher in der Antarktis zum Eisverlust führe. Dieser werde nicht von mehr Schneefall kompensiert. Einig sind sich die meisten Wissenschaftler indes, dass das Abbrechen größerer Eisberge von Schelfkanten wie "Larsen C" im Jahr 2017 kein direkter Beweis für das zunehmende Abtauen ist. Ein solches Kalben von Gletschern sei generell ein normaler Vorgang heißt es. Der Glaziologe Veit Helm vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut bestätigt den von Rignot und seinem Team festgestellten generellen Trend, findet aber, dass die Messunsicherheiten in der aktuellen Veröffentlichung zu gering angegeben seien. "Dennoch bleibt die Kernaussage bestehen", so Helm.
Global betrachtet, ist das Abschmelzen der Antarktis nur einer unter mehreren Treibern des Meeresspiegelanstiegs. Aufgrund weiterer Klima-Faktoren steigt der globale Meeresspiegel aktuell um 3,1 Millimeter pro Jahr. Wichtigster Beitrag ist derzeit noch das Anschwellen der Ozeane, weil wärmer werdendes Wasser gemäß der Gesetze der Physik seine Dichte verringert und mehr Volumen einnimmt.