Archäologie:London war im Mittelalter die europäische Metropole der Gewalt

Zeichen grober Gewalt: Ein Schädel, den die Forscher untersucht haben. (Foto: Museum of London; Kathryn Krakowka)
  • Archäologen haben 399 mittelalterlichen Schädel in London untersucht. Bei 27 fanden sie klare Hinweise auf Gewalteinwirkung.
  • 25 Prozent der Getroffenen starben wahrscheinlich umgehend oder kurz nach dem Angriff.
  • Die Forscher vermuten, dass Betrunkene ihre Konflikte auf die brachiale Weise lösten.

Von Hanno Charisius

Rau und wüst ging es zu im mittelalterlichen London. Auch wenn der Alltag wohl nicht ganz so brutal gewesen sein dürfte, wie man es sich nach einer Staffel "Game of Thrones" vielleicht vorstellt, war Gewalt doch allgegenwärtig. Das belegen Schädelfunde auf mittelalterlichen Friedhöfen im Londoner Stadtgebiet. Die Archäologin Kathryn Krakowka von der University of Oxford untersuchte 399 Schädel und fand bei 27 klare Hinweise auf Gewalteinwirkung.

Wenig überraschend, waren vor allem Männer im Alter zwischen 26 und 35 Jahren Ziel der Hiebe und vor allem solche, die in ärmeren Gegenden der Stadt lebten, schreibt die Wissenschaftlerin im American Journal of Physical Anthropology. Doch auch auf Friedhöfen, die den gehobenen Ständen vorbehalten waren, entdeckte Krakowka Spuren der Gewalt.

25 Prozent der Getroffenen starben wahrscheinlich umgehend oder kurz nach dem Angriff. Wie hoch die Todesrate durch die gezielten Hiebe genau lag, lässt sich jedoch nicht sagen. Auch Gewalteinwirkungen auf andere Körperteile als den Kopf erfasste Krakowka bei ihrer Untersuchung nicht.

Die Wissenschaftlerin glich ihre Daten mit den Aufzeichnungen Londoner Bestatter aus jener Zeit ab. Diese registrierten eine auffällige Häufung von Tötungsdelikten in den Nächten von Sonntag auf Montag. Krakowka vermutet, dass Betrunkene ihre Konflikte auf die brachiale Weise lösten. Dafür spreche auch, dass sie an den Gebeinen von Adeligen weniger Anzeichen für einen gewaltsamen Tod fand. Sie vermutet, dass die gehobenen Stände begannen, ihre Dispute eher auf juristischem Wege klärten, als mit Faust, Schwert oder Knüppel.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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