Alternative Energien:Ein Sack Wärme

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Wissenschaftler haben eine ungewöhnliche Methode gefunden, überschüssigen Strom aus Solaranlagen zu speichern: Die Energie ließe sich nutzen, um Kalk damit zu brennen. Im Winter könnte man daraus dann Wärme erzeugen.

Von Andrea Hoferichter

Mit einem Tank voll Kalk im Keller könnten Hausbesitzer künftig Solarstrom vom Hausdach im Winter zum Heizen nutzen. Vorausgesetzt, der Plan von Marc Linder und Matthias Schmidt vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart geht auf. Mit sommerlichen Sonnenstromüberschüssen wollen die Ingenieure eine Art Heizstab betreiben, damit Kalk brennen und so einen Wärmevorrat für den Winter anlegen. Die chemisch gespeicherte Energie kann bei Bedarf zum Heizen genutzt werden.

"Kalk ist ein billiger Baustoff und speichert Wärme länger als ein Wasserspeicher", sagt Linder. Mit Sonnenstromüberschüssen aus einer typischen Dachsolaranlage könne genug Kalk gebrannt werden, um den Wärmebedarf eines Niedrigenergiehauses das ganze Jahr über zu decken. Zudem lasse sich die Kapazität leicht an den Bedarf anpassen, indem mehr oder weniger Material eingesetzt werde. Mit ihrem Kalkspeicher wollen die Ingenieure einen Beitrag zur Wärmewende leisten, die bisher nur schleppend vorankommt: Laut einem aktuellen Positionspapier der Deutschen Umwelthilfe beträgt der Anteil regenerativer Energien im Wärmesektor nicht einmal 13 Prozent.

Ein Problem bleibt: Das pulverige Material ist ein Albtraum für Ingenieure

Beim Kalkbrennen entsteht zunächst Wasserdampf, mit dem auch im Sommer etwa Wasser zum Duschen oder für den Abwasch erhitzt werden kann. Rund 60 Prozent der eingebrachten Energie aber bleiben im gebrannten Kalk gespeichert, der sich in einem Tank oder sackweise verpackt in einem Keller oder Schuppen lagern lässt. Zum Heizen in der kalten Jahreszeit wird er mit Wasser "gelöscht". Die Reaktion läuft dann rückwärts, und Wärme wird wieder frei.

Eine Pilotanlage am DLR in Köln zeigt, dass das Prinzip funktioniert. Sie füllt einen ganzen Raum und liefert Temperaturen von fast 500 Grad Celsius. Die Anlage wurde in einem EU-Projekt als Alternative zu den Flüssigsalzspeichern solarthermischer Kraftwerke entwickelt. "In dieser Branche haben die etablierten Verfahren aber noch die Nase vorne", räumt Linder ein. Die Anlagen für den Hausgebrauch, an denen die Forscher ebenfalls gerade arbeiten, sind nicht nur kleiner, sondern produzieren auch niedrigere Temperaturen zwischen 80 und 100 Grad Celsius. Vor allem eine Herausforderung gilt es noch zu meistern: "Das pulverige Material ist ein Albtraum für Ingenieure", klagt Linders Kollege Schmidt. Es sei schwierig, die Anlagen abzudichten und das Material dorthin zu bekommen, wo es hinsoll.

"Einige Unternehmen arbeiten schon an solchen Langzeitspeichern"

Das Verfahren ist zudem nicht konkurrenzlos. Geforscht wird auch an Speichern, die poröse Materialien enthalten, zum Beispiel Kieselgel oder Zeolithe. Andere Stoffe funktionieren wie Handwärmer für die Jackentasche: Sie werden beim Erhitzen flüssig und erst wieder fest, wenn man einen Impuls gibt, wenn man zum Beispiel im Handwärmer ein Metallplättchen knickt. Dann wird die Wärme wieder frei.

Mit überschüssigem Sonnenstrom kann auch Wasserstoff aus Wasser produziert und in einem Tank gelagert werden, bei Bedarf wird mit einer Brennstoffzelle ein Teil der Energie zurückgewonnen. "Einige Unternehmen arbeiten schon an solchen Langzeitspeichern", berichtet Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Nicht zuletzt könne der Strom in Batterien gespeichert und für eine elektrische Heizung genutzt werden. "Elektrische Heizungen werden kommen. Die Stromspeicherung ist allerdings noch unwirtschaftlich", sagt Quaschning. Eine Heizung mit Kalkspeicher könnte Vorteile haben, muss sich aber erst in der Praxis beweisen. "Letztlich entscheidet der Markt, welche Technik sich durchsetzt", sagt er.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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