Wende bei Schaeffler und Co.:Eine Mischung aus Glück und Geschick

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"Too big to fail": Schaeffler, Infineon, Heidelcement und Porsche haben eines gemeinsam: Sie schafften vergangenes Jahr eine erstaunliche Wende - weil sie zu groß sind, um sie fallen zu lassen.

Martin Hesse

Als sich Jürgen Geißinger vor ein paar Wochen den Münchner Journalisten stellte, demonstrierte der Schaeffler-Chef enormes Selbstbewusstsein. Der Autozulieferer und Wälzlagerhersteller sei nicht nur über den Berg, sondern schon auf dem Weg in die Zukunft, dichtete Geißinger.

Maria-Elisabeth Schaeffler, Gesellschafterin des Schaeffler-Konzerns, freute sich vor kurzem in einem Interview über ein "eindrucksvolles Comeback". Die Aufnahme entstand in der Residenz in Würzburg. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Man wachse schneller als gedacht, die Zusammenarbeit mit der gerade übernommenen Continental laufe immer besser und die Finanzierung sei langfristig gesichert. Das Publikum hörte und staunte. War das der Geißinger, dessen Unternehmen gut ein Jahr zuvor nach der Conti-Übernahme als hoffnungslos überschuldet galt?

Einen Tag nach Geißingers Auftritt brüstete sich Peter Bauer, Chef des Halbleiterkonzerns Infineon, mit dem besten Quartalsergebnis der Unternehmensgeschichte und musste sich fragen lassen, was er mit dem überschüssigen Geld anfangen wolle.

Auf wundersame Weise die Wende geschafft

Auch Infineon hatte im Frühjahr 2009 noch die Höchststrafe für Unternehmen gedroht: Insolvenz. Jetzt sind die Münchner eine Art Börsenliebling, wie auch der Baustoffkonzern Heidelcement. Die Firma aus Heidelberg, die zum Imperium des verstorbenen Unternehmers Adolf Merckle gehörte, hatte sich 2007 mit der Übernahme des britischen Konkurrenten Hanson übernommen, geriet 2008 in die Klemme und schaffte 2009 auf wundersame Weise die Wende.

Die Liste ließe sich fortsetzen, mit Porsche und anderen bekannten Unternehmen, die im vergangenen Jahr dem Tod von der Schippe gesprungen und nun wieder oben auf sind.

Wie konnte das geschehen? Wie haben die Unternehmen den Kopf aus der Schlinge gezogen? Warum blieben andere auf der Strecke, aber gerade diese prominenten Krisenfälle nicht?

Wie so oft rettete die Firmen eine Mischung aus Glück und Geschick. So unterschiedlich die Unternehmen auch sind, so haben Schaeffler, Infineon, Heidelcement und Porsche doch eines gemeinsam: Sie sind too big to fail, zu groß oder zu bedeutend, um sie fallenzulassen.

Auch Unternehmen können systematische Bedeutung haben

Dieser Begriff wurde in der Finanzkrise für Banken geprägt, deren Zusammenbruch eine Kettenreaktion auslösen könnte. Doch auch Unternehmen können systemische Bedeutung haben. So werden Infineon-Manager nicht müde zu betonen, dass die meisten Autohersteller für die Steuerung ihrer Motoren auf ihre Halbleiter angewiesen sind.

Auch an Schaeffler und dem MDax-Konzern Continental hängt die gesamte deutsche Autoindustrie. Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass die Kunden es bei ihren Zulieferern zum Schlimmsten hätten kommen lassen.

Noch wichtiger als die Bedeutung von Produkten der angeschlagenen Konzerne war das Gefahrenpotential, das die Krisenfirmen für ihre Banken bargen. Hätten die Gläubiger von Porsche, Schaeffler oder Heidelcement die Unternehmen in die Insolvenz gezwungen, indem sie auf der Rückzahlung fälliger Kredite bestanden, wären Milliarden-Abschreibungen in den Bankbilanzen die Folge gewesen.

Das konnten sich angeschlagene Kreditinstitute wie Commerzbank, Royal Bank of Scotland oder die Landesbank Baden-Württemberg nicht leisten.

Plötzlich wieder an der Börse beliebt

Es war also auch die Not der Banken, die den Unternehmen das Überleben sicherte. Im August 2009 gelang Schaeffler-Finanzvorstand Klaus Rosenfeld der Befreiungsschlag, als er mit den fünf Gläubigerbanken eine Verlängerung der Kredite bis 2015 aushandelte.

Ähnliches gelang im gleichen Jahr Heidelcement. Der Baustoffkonzern schuldete um und erhöhte das Kapital. Plötzlich war das Unternehmen an der Börse wieder so beliebt, dass die Merckle-Gruppe, die bisher die Mehrheit an Heidelcement hielt, ihren Anteil auf knapp ein Viertel reduzieren konnte.

Später gelang auch noch der Verkauf des Generikaherstellers Ratiopharm zu einem stolzen Preis. Die Erben Adolf Merckles, der sich auf dem Höhepunkt der Krise Anfang 2009 das Leben genommen hatte, konnten die übrigen Teile der Firmengruppe behalten. Der Krieg mit den Banken ist beigelegt, anders als noch 18 Monate zuvor erwartet, haben die Gläubiger noch nicht einmal Geld dabei verloren.

Das Kalkül, auf Zeit zu spielen, ist für sie aufgegangen. All das war nur möglich, weil sich die Kapitalmärkte im Laufe des Jahres 2009 viel schneller erholten, als befürchtet worden war. Nur so konnte Infineon zunächst umschulden und dann neues Kapital aufnehmen. Den gleichen Weg ging Continental.

Kein operatives Problem

Auch VW stemmte eine große Kapitalerhöhung, um die Übernahme von Porsche zu finanzieren. Im Duell der beiden Autokonzerne hatten die Wolfsburger einfach den Spieß umgedreht, als Porsche unter den Schulden zusammenzubrechen drohte, die der Sportwagenhersteller für den Kauf von VW aufgenommen hatte.

Zugute kam den Krisenfirmen auch, dass sich die Wirtschaft schneller erholte als im ersten Halbjahr 2009 gedacht. Seitdem füllten sich die Auftragsbücher wieder. Und je besser das Geschäft lief, desto leichter fiel es den Konzernen, Banken und Kapitalmärkte anzuzapfen.

Warum aber gerade Schaeffler, Heidelcement oder Porsche überlebten, und andere wie der Handelskonzern Arcandor nicht, hat noch einen weiteren Grund. Schaeffler und Co. hatten nicht in erster Linie ein operatives Problem. An ihren Geschäftsmodellen und Produkten gab es wenig Zweifel.

Vielmehr litten sie in der Krise darunter, dass sie zuvor aus Selbstüberschätzung zu teure Übernahmen gewagt und sich das Geld dafür von Banken geliehen hatten. Schaeffler übernahm sich mit Conti, Heidelcement mit Hanson, Porsche mit VW. Nur bei Infineon lag der Fall etwas anders, der Konzern hatte Verlustbringer wie Qimonda zu lange durchgeschleppt. Sie alle aber haben Fehler korrigiert - und bekamen eine neue Chance.

Eine Tabelle mit den 100 größten Unternehmen Deutschlands finden Sie hier.

© SZ vom 28.08.2010/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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