Weltfinanzgipfel:Die Kraft des Geldes

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Ziel der Weltwirtschaftskonferenz ist es, das Finanzsystem ins Gleichgewicht zu bringen - doch das kann nur gelingen, wenn die Industriestaaten ihre Kräfte zähmen.

Alexander Hagelüken

Die Geldexperten, die sich vor mehr als sechzig Jahren im Nordosten der USA trafen, waren mehr Luxus gewohnt. Das Hotel im Skiort Bretton Woods wirkte ramponiert. Doch wer wollte klagen? Im Jahr 1944 lag Europa in Trümmern. Die Fachleute machten sich daran, eine Finanz-Architektur für eine bessere Zukunft zu entwerfen. Sie zementierten Wechselkurse und schufen Organisationen wie den Internationalen Währungsfonds. Unter dem Namen Bretton Woods hielt ihr Modell Jahrzehnte, die Amerika - und Europa - ungeahnten Wohlstand bescherten.

Nur wenn alle Industriestaaten (hier ein Foto vom G8-Treffen in Heiligendamm) kooperieren, ist eine Neuordnung des Finanzsystems möglich. (Foto: Foto: AFP)

Kein Wunder, dass die Erinnerung an den Skiort bemüht wird, wenn sich an diesem Wochenende die Mächtigen des Erdballs wieder in den USA versammeln. Der Weltfinanzgipfel soll eine bessere Zukunft garantieren, Bretton Woods 2.0 sozusagen. Diesmal hat kein Krieg die Erde verwüstet, doch die Probleme sind ebenfalls gewaltig. Das schlimmste Finanzchaos seit 1929 hat das Geldhandelssystem der ganzen Welt kollabieren lassen, die Lebensbedingungen könnten sich auf Jahrzehnte verschlechtern.

Die Gewalten müssen gezähmt werden

Die Gefahr ist nicht gebannt. Selbst wenn die Regierungen den Unfall vorerst abgewendet haben sollten, werden ihnen weitere Großtaten abverlangt. Können Sie eine lange Weltrezession verhindern, die Millionen Arbeitsplätze vernichtet? Wie sind existentielle Krisen wie die vom Herbst 2008 künftig zu vermeiden?

Im Kern geht es darum, ein Finanzsystem ins Gleichgewicht zu bringen. Hedgefonds sitzen bevorzugt in Steuer-Oasen, wo sie ohne staatliche Aufsicht mit Summen jonglieren, mit denen sie alle großen deutschen Konzerne kaufen könnten. Eine nützliche Idee wie die Kreditversicherung ist zu einer Spekulationswaffe mutiert - mit dem zehnfachen Volumen der deutschen Wirtschaftsleistung.

Mit einem Wimpernschlag werden Werte in der Größe zerstört, wie sie alle Deutschen in einem langen Arbeitsjahr schaffen. Die neuen Gewalten zerren selbst an große Industriestaaten. Ihre Kräfte müssen gezähmt werden, damit die Bürger die Kontrolle über ihr Dasein zurückerlangen - statt ständig in der Furcht zu leben, dass anonyme Mächte mit ihrer Existenz spielen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso die USA und Großbritannien eine Reform des Finanzsystems erschweren.

Die Neuordnung des Finanzsystems ist eine historische Aufgabe, die nicht vom Ausgang einer einzigen Konferenz abhängen darf. Man sollte den Washingtoner Gipfel als Beginn eines Prozesses verstehen. Die Vorbereitungen für das Bretton Woods von 1944 dauerten ja auch drei Jahre. Nur so lassen sich die überzogenen Erwartungen an das Treffen am Wochenende reduzieren. Und nur so relativieren sich alle Spekulationen über die Teilnahme des nächsten US-Präsidenten. Auch wenn Barack Obama nicht dabei ist, so sind noch lange nicht alle Mühen sinnlos.

Zwei Beobachtungen stimmen optimistisch: Seitdem die reale Wirtschaft von der Krise erfasst ist und rund um den Globus die Entlassungswellen schwappen, gerät jede Regierung unter den nötigen Druck, die Verursacher der Krise anzugehen - die wild gewordenen Finanzhäuser, so viel Macht sie auch haben mögen. Außerdem: Zu Bretton Woods 2.0 sind Schwellenländer wie China oder Indien eingeladen, ohne die keine Lösung gelingen wird.

Die Globalisierung der Märkte erschwert die Reform aber auch. Vor sechzig Jahren mussten sich nur Amerikaner und Europäer auf ein neues System verständigen - die Dominanz Washingtons erleichterte das Geschäft. Die ersten Erfahrungen mit globalisierten Verhandlungsrunden dagegen zeigen: es dauert. Auf ein Welthandelsabkommen wartet der Erdball nach einem Jahrzehnt weiterhin vergeblich.

Die Illusion von Reichtum wird zerstört

Ein noch größeres Hindernis auf dem Weg zu einer neuen Finanzarchitektur ist die Rolle der USA und Großbritanniens: Sie werden Macht und Einnahmen einbüßen. Wenn der Staat mehr kontrollieren wird und die Geldhäuser und ihre Manager mehr Verantwortung übernehmen müssen, dann schmelzen die Gewinne der Branche. 2007 waren das 40 Prozent aller US-Firmengewinne.

Preisblasen bei Eigenheimen und Wertpapieren können nicht mehr wachsen - und damit wird die Illusion von Reichtum bei vielen Amerikanern und Briten zerstört. Hier liegt das Problem: Von der aufgeblähten Finanzbranche haben viele gut gelebt, das Gewerbe hat Briten wie Amerikanern Steuern und internationalen Einfluss gesichert und nebenbei manche Schwäche ihrer Industrie kaschiert.

Die Branche auf Entzug zu setzen, würde Barack Obama reichlich Mut und Kraft kosten. Viele seiner Ratgeber aus dem ökonomischen Establishment werden ihn zur Vorsicht mahnen. Offenbar scheut der neue Mann eine Festlegung und bleibt deswegen dem Gipfel fern. Europa sollte davon unbeeindruckt bleiben. Die EU-Staaten haben bemerkenswert einig auf die Krise reagiert. Diesen Elan gilt es nach Washington und in die Nachfolgetreffen der nächsten Monate zu retten und so viel Kooperation wie möglich zu vereinbaren. Auch die Konjunktur wird sich nur gemeinsam stützen lassen, so wie es in Deutschland die Sachverständigen fordern. Die Zeit für Alleingänge ist vorbei. Die USA müssen diese bittere Nachricht nur noch akzeptieren.

© SZ vom 13.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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