Weidmann übt Kritik an Plänen zur Bankenunion:Der Ökonom will nützlich sein

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Witze macht er über seine Zunft, bei der Unabhängigkeit der EZB versteht er keinen Spaß: Bundesbank-Chef Weidmann sagt in Berlin deutlich, was er von den Plänen zur Bankenaufsicht hält. Sein größter Fan in der Bundesregierung, Wirtschaftsminister Rösler, drängt die Kanzlerin, mehr auf ihren einstigen Berater zu hören.

Jannis Brühl, Berlin

Erst einmal erzählt Jens Weidmann einen Witz: Zwei Männer in einem Heißluftballon verfliegen sich. Sie rufen einem Spaziergänger zu: "Wo sind wir?" Der ruft zurück: "In einem Ballon!" Pointe: "Der muss Ökonom sein: Seine Antwort ist 100 Prozent richtig, aber vollkommen nutzlos." Das Publikum auf dem Jahrestreffen des Markenverbandes, der Interessenvertretung deutscher Markenhersteller, lacht: Der Banker kann auch witzig. Auch wenn er relativiert: "Wir sind nicht gerade dafür bekannt, unterhaltsam zu sein."

Bundesbank-Chef Jens Weidmann formulierte bei der Jahrestagung des Markenverbands einen weiteren Appell an die Politik, die Europäische Zentralbank nicht zu missbrauchen. (Foto: dpa)

Dann wird Weidmann ernst: Der Ökonom, der Chef der Bundesbank ist, will nicht nutzlos sein. Er will die Politik wieder einmal davon abhalten, die Europäische Zentralbank (EZB) zu missbrauchen.

Gegen den Kauf von Staatsanleihen spricht er sich schon seit langem aus. Das sei illelgale Staatsfinanzierung. Er ist einsamer Mahner in der Wüste, EZB-Chef Mario Draghi kauft die Papiere, um angeschlagene Staaten zu stützen. Auch Bundeskanzlerin Merkel, deren Berater Weidmann einmal war, konnte - oder wollte - es nicht verhindern.

Jetzt hat Weidmann ein neues Ziel: Auch die Ansiedlung der neuen Bankenaufsicht bei der EZB, die Geldhäuser in Europa vor dem Chaos der Vergangenheit schützen soll, gefällt ihm nicht: "Die Tatsache, dass in Zukunft Bankenaufsicht und Geldpolitik unter einem Dach vereint sein sollen, führt zu potenziellen Interessenskonflikten - zu Konflikten mit dem Hauptziel Preisstabilität, aber auch mit der Unabhängigkeit der Notenbank", sagt Weidmann.

Deutschland sei gut damit gefahren, die Bankenaufsicht seiner Bundesbank zu übertragen - und das, obwohl es im schwarz-gelben Koalitionsvertrag stand. In dem hatte Schwarz-Gelb noch behauptet: "Der Umfang der bisherigen rechtlichen Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank wird durch die hinzukommenden hoheitlichen Zuständigkeiten nicht berührt." Offensichtlich hatten sie zuvor nicht mit Weidmann geredet.

Das alles hat er so ähnlich schon in der Neuen Zürcher Zeitung vom Mittwoch gesagt, die Nachrichtenticker ventilieren dennoch eilig: "Weidmann macht Front gegen Bankenaufsicht unter Dach der EZB".

Die EU-Kommission will die 6000 Banken in den 17 Eurostaaten von der EZB beaufsichtigen lassen. Sie soll ab Anfang 2013 schrittweise die Überwachung übernehmen. Geplant sind auch ein einheitlicher europäischer Einlagensicherungsfonds sowie Abwicklungsfonds für Banken in Schieflagen.

Besonders wendet sich Weidmann dagegen, auch alte Schulden der Banken in der Bankenunion zu vergemeinschaften - etwa in spanischen Probleminstituten. Zwar müsse die "Rückkopplung zwischen Banken und Staaten gedämpft" werden. Die Union solle nur für Probleme zuständig sein, die nach ihrer Einrichtung auftreten. "Für die Altlasten in den Bankbilanzen müssen weiter diejenigen Länder verantwortlich zeichnen, unter deren nationaler Aufsicht die Lasten entstanden sind."

Ansonsten sind sich im Berliner Haus der Kulturen der Welt alle einig: Je weniger politische Eingriffe, um so besser. Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat ein Heimspiel und outet sich einmal mehr als Weidmann-Fan: "Sehr geehrter Herr Doktor Weidmann, sie haben die volle Unterstützung zumindest des Teils der schwarz-gelben Regierung, der hier vertreten ist." Indirekt forderte er die Kanzlerin auf, die Prinzipien des Bundesbankchefs entschiedener gegen Draghi zu vertreten: Weidmann habe mit seinem Eintreten für einen Stabilitätskurs "die Zustimmung der gesamten Bundesregierung verdient".

Das hören die Markenmanager gern. Sie misstrauen den europäischen Institutionen ohnehin, führen sie doch einen Lobbykampf gegen Schritte zum Verbraucherschutz, die sie als erstickend empfinden: Einschränkungen von Werbung oder Gedankenspiele, Verpackungen zu vereinheitlichen.

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