In Aufsichtsräten deutscher Firmen sitzen zu wenige Frauen. Der Anteil der weiblichen Kontrolleure, der von Anteilseignern gewählt wurde, liegt nur bei 4,9 Prozent. Damit hinkt Deutschland den USA gut zwanzig Jahre hinterher.
Erstaunlich ist das Ergebnis nicht, das die Frankfurt School of Finance & Management in einer Umfrage herausgefunden hat, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Auch andere Studien liefern ähnliche Resultate, etwa des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) oder der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Überraschend sind nun aber einige Antworten, die den Wissenschaftlern der Frankfurt School von insgesamt 330 Aufsichtsratsmitgliedern der größten deutschen Aktiengesellschaften und GmbHs gegeben worden sind. So sind nur 6,2 Prozent der Befragten der Ansicht, dass eine lückenlose, kontinuierliche Karriereentwicklung ohne Unterbrechungen (wie Mutterschutz und Kindererziehung) "die unabdingbare Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sein sollte", betont der Autor der Studie, Dirk W. Rudolph.
Auslandserfahrung gefragt
Die Praxis dagegen sehe anders aus. Die große Mehrheit widerspricht auch der gängigen Ansicht, jemand habe nur dann eine Chance, von der Kapitalseite in den Aufsichtsrat gewählt zu werden, wenn er vorher lange im Vorstand war.
Mehr als 80 Prozent der Befragten sagen, eine Bewerberin könne auch dann ein Aufsichtsratsmandat übernehmen, wenn sie keine Führungserfahrung habe. Gefragt seien vielmehr Auslandserfahrung, Berufskenntnisse aus anderen Unternehmen und Branchen oder Erfahrungen im Umgang mit Unternehmenskrisen.
Ebenfalls mehr als 80 Prozent der befragten Kontrolleure, die von der Kapitalseite gewählt waren, befürworteten mehr kontrovers geführte Diskussionen. Unterschiedliche Ansichten seien "sehr erwünscht" und verbesserten die Entscheidungsfindung. 84 Prozent hätten gerne mehr Heterogenität im Aufsichtsrat, etwa hinsichtlich der Bildung, des Alters oder der Kenntnisse seiner Mitglieder.
Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass bei einem höheren Frauenanteil in Aufsichtsräten auch mit einer stärkeren sozialen Verantwortung der Unternehmen zu rechnen sei. "Das müsste eigentlich dazu führen, dass Aufsichtsräte sich sehr aktiv darum bemühen, qualifizierte Frauen für diese Position zu finden", sagt Wissenschaftler Rudolph.
Doch 68 Prozent verneinen die Ansicht, dass der eigene Aufsichtsrat sich in der Vergangenheit sehr aktiv bemüht hat, qualifizierte Frauen zu finden.
Bei der Transparenz des Berufungsprozesses gehen die Meinungen auseinander. Während 72 Prozent der befragten Frauen angeben, die Berufungsprozesse der Aufsichtsräte seien nicht transparent genug, sieht das nur jedes zweite männliche Aufsichtsratsmitglied so.
Mehr Transparenz bei der Berufung gewünscht
Sehr unterschiedlich sind die Antworten zur Frauenquote. Während Frauen mehrheitlich (72,3 Prozent) annehmen, dass die durch eine Quote geschaffenen Aufsichtsratspositionen "innerhalb kurzer Zeit" mit qualifizierten Frauen besetzt werden könnten, glauben dies Männer mehrheitlich nicht (79,8 Prozent).
Dagegen rechnen Männer damit, dass "langfristig" die Stellen mit Frauen besetzt werden könnten. "Dies widerspricht dem häufig vorgetragenen Argument, es würden sich nicht ausreichend viele qualifizierte Frauen finden lassen", betont Rudolph.
Unabhängig vom Geschlecht und davon, ob sie auf der Kapital- oder Arbeitnehmerbank sitzen, fordern die befragten Aufsichtsräte mehr Transparenz bei der Berufung der Kontrolleure. Die Mehrheit spricht sich dafür aus, Firmen zu verpflichten, aktiv nach geeigneten Frauen für freie Aufsichtsratspositionen zu suchen und diese Anstrengungen in den Geschäftsberichten zu dokumentieren.