VW:"Wir kämpfen um jeden Euro"

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Ein Käfer in Rio de Janeiro. Das Modell wird schon lange nicht mehr gebaut. (Foto: Mario Tama/Getty Images)
  • VW hat Toyota überholt und ist zum größten Autobauer der Welt aufgestiegen.
  • Doch VW verkauft trotzdem weniger Autos, vor allem in China.
  • Der Konzern will in den kommenden Jahren Milliarden Euro einsparen.

Von Angelika Slavik, Hamburg, und Thomas Fromm, Hamburg/München

Manchmal gibt es Dinge, auf die hat selbst der mächtige VW-Konzern keinen Einfluss. Dinge, die außerhalb seiner Macht stehen und die zeigen, wie schnell sich die Dinge ändern können.

Zum Beispiel bei dieser großen weißen Statue in Form eines VW-Golf. Ein acht Tonnen schweres Geschenk, das VW der Stadt Wolfsburg zum Geburtstag aufstellte. Die symbolische Bedeutung des Auto-Kolosses war klar: Größe zeigen in einer Stadt, bei der man automatisch an VW und nur an VW denkt, wenn man ihren Namen hört. Es dauerte genau zwei Wochen, bis Unbekannte das Symbol der Stärke mit Graffiti beschmierten.

Mit Triumphen ist es eben so eine Sache. Oft sind es Momentaufnahmen, und dann passiert etwas, was man so nicht geplant hatte.

Der Dienstag war dann noch mal so ein Tag des Triumphes. Da wurde offiziell, was VW schon seit Jahren plant: Der Konzern ist nun der größte Autobauer der Welt: 5,04 Millionen verkaufte Fahrzeuge im ersten Halbjahr gegen 5,022 Millionen von Toyota - das war es gewesen: Bis 2018 wollte man auf dem ersten Platz aller Autohersteller sein. Jetzt ist Juli 2015, und man hat die Krone.

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In China läuft's nicht mehr so rund

Dann kam der Mittwoch und damit die Graffiti: VW, der Konzern, bei dem man sich auf immer wieder neue Rekorde im Drei-Monats-Rhythmus gewöhnt hatte, muss seine Absatzziele für das laufende Jahr kassieren - statt des üblichen Wachstums gibt es nun nur noch Verkäufe "auf dem Niveau des Vorjahres". Also nicht viel mehr als zehn Millionen Autos. Konzernchef Martin Winterkorn sprach von "einem immer härteren Marktumfeld" - und

er meinte damit auch die dramatischen Einbrüche in Regionen wie Russland oder Südamerika. Vor allem aber meinte er: China. Lange hatte man auf den weltgrößten Automarkt gesetzt, eine Fabrik nach der anderen hochgezogen, gut von den Milliardengewinnen gelebt. Und nicht wenige Manager behaupteten, es sei ihr "zweiter Heimatmarkt", was vielleicht nicht ganz so falsch ist, denn VW verkauft mehr als ein Drittel seiner Fahrzeuge in China. Auch ein großer Teil des Gewinns kommt von dort. Da man in China mit Partnern arbeitet, werden die Gewinne gesondert ausgewiesen.

SZ-Grafik; Quelle:Bloomberg (Foto: ipad)

Da spürt man deutlich, wenn die China -Verkäufe zum Halbjahr mit vier Prozent im Minus liegen. Dass die Sache nicht mehr rundläuft, spürte schon die Premiummarke Audi, deren China-Absatz im Juni um 5,8 Prozent zurückging. Ein schwerer Schlag, wenn man zweistellige Wachstumsraten gewohnt ist.

Vor allem aber: China ist für die Autohersteller nicht mehr kalkulierbar, denn es gibt wenig, was sie machen können, wenn Chinesen ihre Autos partout nicht mehr kaufen. Börsencrash, Rabattschlachten, politische Regulierungen. Ein bisschen Ironie liegt in der ganzen Sache: Zuerst war es China, das die Bilanzen der deutschen Autokonzerne schwer aufhübschte und einen Konzern wie VW zum Weltmarktmarktführer machte. Ein schwacher China-Markt könnte der Grund dafür sein, dass sich schon bald wieder Toyota vor die Wolfsburger schiebt.

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Triumphe können endlich sein

Triumphe können endlich sein. Oder, wie es VW-Finanzchef Hans Dieter Pötsch sagte: Mit China werde es nicht von heute auf morgen wieder aufwärts gehen, nach all den Boomjahren müsse man sich nun auf eine "neue Normalität" einstellen. Neue Normalität, das heißt dann auch: Der Gewinn des Zwölf-Marken-Reiches ging zwischen April und Ende Juni insgesamt um 16 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro zurück; für das erste Halbjahr steht immer noch ein Minus von einem Prozent auf 5,66 Milliarden Euro in der Bilanz. Einziger Trost in dem Milliarden-Zahlenwerk: Die schwache Hausmarke VW mit Modellen wie dem Golf und dem Passat ist wieder etwas profitabler geworden - dank eines im vergangenen Jahr gestarteten Sparprogramms.

Sparen, das wird nun in den nächsten Monaten das Thema sein. Milliarden sollen in den nächsten Jahren gespart werden, überall im Konzern werden Projekte und Abteilungen durchleuchtet: Wo kann man noch etwas rausholen? Der Konzern braucht das Geld, denn die Autobranche verändert sich gerade rasant, und wenn das Geld für neue Motoren, Technologien und vernetzte Autos nicht aus China kommt, dann muss es woandersher kommen. "Wir kämpfen um jeden Euro", versprach Finanzchef Pötsch am Mittwoch vor Analysten. Das war sehr martialisch formuliert: kämpfen. Analysten hören so etwas gerne: Wenn jemand um jeden Euro kämpft, dann steigen meistens auch die Gewinne und damit auch die Aktienkurse.

Aber was passiert, wenn Vorstandsmitglied Pötsch um jeden Euro kämpft? Dann wird es spannend in Wolfsburg.

VW soll eine ganz neue Struktur bekommen

Der Konzern soll umgebaut werden, möglich, dass er schon in einigen Monaten eine völlig neue Struktur mit neuen, eigenen Markengruppen hat. Möglich auch, dass einige Vorstandsressorts in der Zentrale dann nicht mehr existieren, weil ein Teil der Wolfsburger Macht an die Regionen abgegeben werden soll.

Zum Kampf um jeden Euro kommt der Kampf um Posten und Macht. Seit dem Frühjahr ist der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber Chef des Aufsichtsrates, und noch ist nicht ausgemacht, wann und von wem er abgelöst wird. Soll der heutige VW-Chef Winterkorn sein Nachfolger werden? Wenn ja, wer soll dann den 68-Jährigen an der Konzernspitze beerben? Das Personalkarussell, sagen Insider, dürfte in den kommenden Monaten heißdrehen, zumal auch die Tage von Personalvorstand Horst Neumann und Finanzchef Pötsch gezählt sind.

Einer der Kandidaten für die Nachfolge Winterkorns ist ausgerechnet ein Mann, der noch bis vor Kurzem bei BMW war: der neue VW-Markenchef Herbert Diess. Der aber muss erst mal zeigen, was er kann - und die Marke VW auf Vordermann bringen. Dafür braucht es Zeit, von der der Konzern zurzeit nicht allzu viel hat.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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