VW und Porsche: Entscheidung im Machtkampf:Auf der Straße der Sieger

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Es ist ein Triumph der Ingenieure gegen die Finanzstrategen: VW-Chef Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch kommen nach dem Sieg im Machtkampf um Porsche ihrem großen Traum näher - den Weltmarktführer Toyota abzulösen.

Michael Kuntz

Der Mann hielt sich während der Schlammschlacht der vergangenen Monate dezent im Hintergrund, nun ist er einer der Gewinner des Machtkampfs um Volkswagen und Porsche: Martin Winterkorn, 62, bisher Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns und künftig auch Herr über Porsche.

VW-Chef Martin Winterkorn und VW-Patron Ferdinand Piëch haben über die Zocker aus Zuffenhausen triumphiert. (Foto: Foto: dpa)

Er ist ein jahrzehntelanger Weggefährte von Ferdinand Piëch, 72, dem Patriarchen, dem über seine Familienfirma Porsche die Hälfte von VW gehört und der als Aufsichtsratschef heute mindestens so mächtig ist wie früher als Vorstandsvorsitzender. Piëch konnte sich am Ende mit seinem Plan durchsetzen, erst Porsche zu entschulden und dann aus dem stolzen Sportwagenhersteller die zehnte Marke im VW-Konzern zu machen.

Piëch ist damit seiner Vision einen Schritt nähergekommen, aus dem größten europäischen Autohersteller die weltweite Nummer eins zu formen mit kleinen und großen Fahrzeugen im Angebot vom VW Lupo bis zum Scania Schwerlastwagen. Dazu gehören die Edel-Marken Bugatti, Bentley, Lamborghini und nun auch noch Porsche.

Wie Porsche und VW genau zueinander kommen, das ist noch nicht beschlossen. Es soll eine Fusion auf Augenhöhe geben, heißt es. Das heißt es allerdings fast immer, wenn Unternehmen andere übernehmen. Immerhin tauchte Winterkorn nun nach der Aufsichtsratssitzung von VW am Donnerstag in Stuttgart aus der Versenkung wieder auf und verkündete als Erster: "Der Weg für einen neuen VW/Porsche-Konzern ist frei."

Volkswagen will bis zum Jahr 2018 Toyota überholen, den Weltmarktführer aus Japan. Mit dieser Vorgabe rüttelte Winterkorn Volkswagen auf, als er im Januar 2007 den bei Piëch in Ungnade gefallenen Bernd Pischetsrieder, 61, an der Spitze der Autofirma mit 370.000 Mitarbeitern ablöste.

Winterkorn: Ruhepol im Dauerstreit

Die Hauptmarke VW verdiente kein Geld, ein bald gefeuerter Sanierer bedrohte die Belegschaft unablässig, obwohl diese 20 Prozent Mehrarbeit ohne mehr Lohn zugestimmt hatte. Dann kam Winterkorn und verbreitete eine Aufbruchstimmung und ein neues Selbstbewusstsein in Wolfsburg, die bis heute anhalten. Und das nicht nur, weil der VW-Verein VfL Wolfsburg Deutscher Fußballmeister geworden ist.

Piëch und Winterkorn - das sind zwei Männer und ein Weg. Beide leiteten die Tochter Audi und wurden dann VW-Konzernchefs. Bei Audi erweiterte Winterkorn das von Piëch mit dem Qattro-Antrieb gelebte Motto "Vorsprung durch Technik" um die betriebswirtschaftliche Variante "Vorsprung durch Gewinn". Jahrelang stammte der Konzerngewinn vor allem von Audi. Der Professor für Maschinenbau machte aus der biederen Marke eine sportliche Marke, die in der gleichen Liga spielte wie BMW und Mercedes. In Wolfsburg nun ist Winterkorn dabei, seinen Erfolg bei Audi zu wiederholen - in etwa dem sechsfachen Maßstab.

Zum Dauerstreit im Clan der Familien Porsche und Piëch äußerte sich Winterkorn öffentlich nie. Allenfalls im kleinen Kreis ließ er sich schon einmal entlocken, die Sache sei doch recht einfach, schließlich sei sein Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, und mit dem habe er seinen Arbeitsvertrag abgeschlossen.

Piëch und Winterkorn - bei beiden verbindet sich der technische Sachverstand des Ingenieurs mit einer bemerkenswerten Begeisterung für die Produkte, gern auch deren Details. Winterkorn kann locker zehn Minuten über die Exaktheit der Nähte auf den Ledersitzen eines Autos referieren. Geradezu gerührt waren Beobachter, als Winterkorn und Piëch über die Automesse in Detroit pirschten, um gemeinsam im Kleinwagen eines fernöstlichen Konkurrenten zu verschwinden. Der eine auf dem Fahrersitz, der andere dahinter, nur so konnten sie das richtige Raumgefühl spüren.

Vorsitzender der "Niedersachsen AG"

Gegen dieses eingespielte Team also hatte die vorlaute Porsche-Truppe aus Zuffenhausen keine Chance, als sie versuchte, in einem Schachspiel mit rätselhaften Optionsgeschäften und lautstarker Besserwisserei die Macht in Wolfsburg zu erobern.

Piëch und Winterkorn standen in der Abwehr gegen Wolfgang Porsche, den demissionierten Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und seinen ebenfalls aus dem Amt entfernten Finanzvorstand Holger Härter nicht allein. Ihr mächtigster Verbündeter war Ministerpräsident Christian Wulff, der als Großaktionär vorführte, wie eine politische Allianz aus Landesregierung, IG Metall und Bundesregierung funktioniert. Die belebte das VW-Gesetz neu, sicherte Niedersachsen seine Sperrminorität und vereitelte so die Absicht von Porsche, über einen Beherrschungsvertrag die elf Milliarden Euro aus der VW-Kasse zu plündern. Es wäre der perfekte Plan gewesen: Porsche übernimmt VW - und VW bezahlt alles.

Wulff war hochmotiviert, für den mit 100.000 Arbeitsplätzen wichtigsten Konzern in seinem Land zu kämpfen. Alles andere wäre für ihn auch politischer Selbstmord gewesen. Es drohte die Abwanderung des wichtigsten Unternehmens nach Baden Württemberg. Wulff, 50, sieht sich als Vorstandsvorsitzender der "Niedersachsen AG" und fordert regelmäßig von VW, attraktive Autos zu bauen, echte Volkswagen also, und die dann zu erschwinglichen Preisen an möglichst viele Kunden zu verkaufen. Da widerspricht niemand zwischen Hannover und Wolfsburg.

Zusätzliche Wachstumschancen

Wulff und Piëch kämpften nicht von Anfang an gemeinsam. Eine gewisse Geschmeidigkeit bewies Wulff im Umgang mit Piëch, als er ihn erst wegen seiner Doppelfunktion als VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Teilhaber kritisierte und sich später gegen Porsche-Chef Wiedeking verbündete.

Der Nachfolger von Wiedeking ist bisher öffentlich wenig in Erscheinung getreten. Michael Macht, 48, wirkt bei Porsche seit 1998 als Produktionsvorstand, was Wiedeking auch war, bevor er erster Mann wurde. Macht wird sich seine Rolle im VW-Konzern erobern müssen. Das dürfte ihm als Gründer der überaus erfolgreichen Porsche Consulting in Bietigheim Bissingen ohne die Hilfe externer Berater gelingen. Über die Consulting-Tochter am Wohnort von Wiedeking vermarktet Porsche die Konzepte der schlanken Produktion, mit der die Sportwagenfirma profitabelster Autohersteller der Welt geworden ist. Macht hatte einst mit Wiedeking das Kaizen-Konzept studiert, also die Methode asiatischer Hersteller - und dann in den eigenen Werken, aber auch bei den Zulieferern angewendet.

Wenn zwei Konzerne zusammengehen, ist oft von Synergien die Rede, die Einsparungen ermöglichen. Nicht so bei VW und Porsche. Laut Winterkorn bietet die angestrebte Zusammenführung vielversprechende Perspektiven: "Sie macht zwei starke Unternehmen noch stärker." Winterkorn erwartet zusätzliche Wachstumschancen. "Damit werden bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue Arbeitsplätze geschaffen." Wie Audi soll Porsche sich unter dem Dach von Volkswagen eigenständig entwickeln können - und den Konzern nach vorne bringen beim Versuch, den Rivalen Toyota zu überholen.

© SZ vom 24.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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