SZ-Serie: Die großen Spekulanten (34):Der Turbo im Porsche-Vorstand

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Er bräuchte eigentlich das Blech nicht, um Geld zu verdienen: Mit trickreichen Geschäften fährt Porsche-Finanzchef Holger Härter Milliarden- gewinne ein.

Dagmar Deckstein

Porsche ist schon ein in vieler Hinsicht bemerkenswertes Unternehmen. Nicht nur, was den seinerzeit, 2005, alle Welt überraschenden Einstieg des David aus Zuffenhausen beim Goliath Volkswagen in Wolfsburg und den bis heute eskalierenden Machtkampf darüber anbetrifft, wer bei VW eigentlich die Regie führt.

"Härter ist das, was man einen exzellenten Strategen nennt," zollt Holger Härter sogar ein Frankfurter Investmentbanker Lob. (Foto: Foto: ddp)

Acht Milliarden Euro Umsatz, elf Milliarden Gewinn

Porsche hat es sogar geschafft, - bis dato einmalig in der Geschichte der Konzerne - eines der Grundgesetze der Betriebswirtschaftslehre außer Kraft zu setzen: Gewinn ist gleich Umsatz minus Kosten und damit immer kleiner als der Erlös. In Kürze wird der Sportwagenbauer seine vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2007/08 vorlegen, die schon Ende Juli durchsickerten. Von Anfang Juli 2007 bis Ende Juli 2008 wird Porsche um die acht Milliarden Euro Umsatz eingefahren haben, aber elf Milliarden Euro Gewinn verzeichnen. Wie das geht? Durch Spekulationsgeschäfte, wie denn sonst.

"Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, dürften wir wieder ein Ergebnis erzielen, bei dem wir die Freudentränen nur schwerlich unterdrücken können", hatte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking schon auf der Hauptversammlung im Januar vielsagend die Pythia gegeben. Aber er, der Automann, der Spezialist für Technik und Produktion, schaffte solche Rekordgewinne mit noch so viel Effizienzbesessenheit und Kostenbewusstsein bei der Herstellung der 911er, der Boxster und Cayennes nicht allein. Ohne seinen Beifahrer Holger Härter wäre Porsche nicht ganz das, was es heute ist, nämlich der profitabelste Autohersteller der Welt.

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"Der bräuchte das Blech nicht zum Geld verdienen

"Der kongeniale Finanzchef der Sportwagenschmiede steht zwar nicht annähernd in jenem Rampenlicht, in dem sich der vielfach gefeierte und bewunderte und manchmal auch angefeindete Porsche-Sanierer Wendelin Wiedeking sonnt. Aber die Erfolge des Zahlentüftlers im Hintergrund sind fast noch spektakulärer als die des Vorstandsvorsitzenden, der die einstige Pleitefirma in die Spitzenliga der Profitabilität hinaufwuchtete.

"Der bräuchte das ganze Blech nicht, um Geld zu verdienen", scherzt Wiedeking zuweilen über seinen Finanzjongleur und sieht ihm gerne nach, dass der Volkswirt vom Mainzer Uni-Institut für theoretische Volkswirtschaftslehre so gar kein Benzin im Blut hat. Braucht er auch nicht. "Härter ist das, was man einen exzellenten Strategen nennt", zollt ihm sogar ein Frankfurter Investmentbanker neidlos Lob.

Schon vor dem Coup mit dem VW-Engagement waren Härters ausgebuffte Währungsabsicherungsgeschäfte in den letzten Jahren geradezu legendär. Nordamerika ist nach wie vor der mit Abstand größte Markt für Porsche. In Vor-Härter-Zeiten stürzte ein schwacher Dollar die Zuffenhausener regelmäßig in die Krise, und auch heute treibt die Dollarkursentwicklung so manches Export-Unternehmen an den Rand des Ruins. Nicht Porsche. Härter hat mit dieser Kursentwicklung durch sein Kurs-Hedging sogar noch satte Gewinne gemacht. Wie er dabei vorgeht, darüber hat er noch bei jeder Bilanzpressekonferenz kein Sterbenswörtchen verlauten lassen.

Starke Nerven - für den Einstieg in Wolfsburg

Derivate, Hedging, Optionen - das ist die Welt des Holger Härter, und diese Welt sorgt dafür, dass ihn eine gewisse magische Aura umweht. Die wird noch verstärkt durch Härters betont gelassene und unprätentiöse Art, die ihn manchmal etwas entrückt und distanziert erscheinen lässt. Immer sachlich, immer überlegt, immer beherrscht wirkt der 52-Jährige. Aber bei den Finanztransaktionen à la Härter braucht es wohl auch starke Nerven. Welche Strategien sich das Porsche-Management auch immer ausdenkt, Härter sorgt für die finanztechnische Umsetzung.

So auch beim Einstieg in Wolfsburg, der sich für Porsche inzwischen wie eine riesige Finanzinvestition auswirkt. Allein 5,9 von den erwarteten elf Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Geschäftsjahr dürften Analystenschätzungen zufolge aus Kurssteigerungen der bis vor kurzem noch 31-prozentigen Beteiligung von Porsche an VW stammen. Vor wenigen Tagen erst hat Porsche die Beteiligung auf 35,14 Prozent aufgestockt. Weitere 3,5 Milliarden Euro Gewinn dürften allein durch Aktienoptionsgeschäfte kassiert worden sein. Immerhin liegt der Kurs der VW-Aktie heute um die 280 Euro; als Porsche Ende 2005 die ersten knapp 20 Prozent am Unternehmen kaufte, lag der gerade mal bei 35 Euro.

Auch auf der Bilanzpressekonferenz im vergangenen November gab sich Härter äußerst wortkarg auf Nachfragen, wie man die erfolgreichen Optionsgeschäfte mit der Volkswagen-Aktie eingefädelt habe. Er erklärte nur, man habe Kauf- (Call) und Verkaufsoptionen (Put) erstanden und damit die VW-Aktien frühzeitig praktisch schon virtuell erworben. Wenige Wochen zuvor war Wiedeking in einem Interview gefragt worden, ob Porsche umfangreich VW-Aktien erwerbe, da deren Kurs seit Wochen gegen den Trend gestiegen sei.

Der gab sich nicht ganz so wortkarg und antwortete: "Ich vermute, dass Banken kaufen. Immerhin müssen sie ja auch in der Lage sein, uns die Aktien zu liefern, für die wir die Optionen besitzen." Frage: "Das heißt, die Banken verlieren das Geld, das Sie gewinnen?" Wiedeking: "Sie kennen ja das Geschäftssystem mit den Optionen. Bei der einen oder anderen Bank wird man sich schon seine Gedanken machen." So geht das also.

Vom Bodenbelaghersteller zur Edelkarossenschmiede

Sozusagen sein Meisterstück lieferte Härter ab, als Porsche im vergangenen Jahr beim Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle den freien VW-Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten musste. Binnen kurzer Zeit musste Porsche sich 35 Milliarden Euro leihen - den siebenfachen Jahresumsatz - , um im Ernstfall die freien Aktionäre abfinden zu können. Kein Problem für Härter, der in der Finanzszene aufs beste vernetzt ist. Gebraucht hat er das Geld jedoch nicht.

Das Übernahmeangebot von Porsche war für freie VW-Aktionäre bewusst so unattraktiv, dass keiner seine Aktien verkaufen wollte. Aber Porsche war es ja nur darum gegangen, nach dem geplanten Scheitern des Übernahmeangebots erst wieder bei der Finanzaufsicht die nächste Stufe anzeigen zu müssen, die 50-Prozent-Schwelle. Das dürfte wohl spätestens im November so weit sein, und seither konnte Porsche in aller Ruhe selbst bestimmen, wann es seine Beteiligung aufstockt. Ein Schachzug, wie er so recht nach Härters Geschmack ist.

So gesehen war es wohl Wiedekings beste und wichtigste Personalentscheidung, als er Härter 1999 als Finanzvorstand beim Bietigheimer Bodenbelaghersteller DLW loseiste. Dennoch ist es bemerkenswert, was der begnadete Zocker, der von " Futures" und "cash settled options" genauso schwärmt wie von der Musik Richard Wagners und den Büchern Franz Kafkas, vom Treiben auf den Finanzmärkten so hält. Insbesondere von der Börse, auf der Spekulationen über die Zukunft gehandelt werden: "Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, nach einer fundamentalen Erklärung von Aktienkursen zu fragen.

Porsche ist absolut unterbewertet. Der Anteil, den wir an VW besitzen, ist schon mehr wert als die gesamte Börsenkapitalisierung von Porsche. Wer heute die Porsche-Aktie kauft, bekommt Porsche umsonst mitgeliefert und bezahlt nur den VW-Anteil. Das ist doch absurd und beweist, dass der Bewertungsansatz hinten und vorne nicht stimmt. Die Börse spiegelt heutzutage ganz offensichtlich nicht mehr den Wert der Unternehmen wider, sondern wird von anderen Faktoren getrieben."

© SZ vom 23.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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