Umweltpolitik:Der peinliche Auftritt der Autonation

Lesezeit: 1 min

Deutschland braucht erst Ermahnungen der EU, um bei der Luftreinhaltung voranzukommen. Den jahrelangen Irrweg muss nun Umweltministerin Hendricks ausbaden.

Kommentar von Thomas Kirchner, Brüssel

Barbara Hendricks, sie war nicht zu beneiden an diesem Morgen in Brüssel. Nicht nur wegen der Schelte, die sich die deutsche Umweltministerin von der EU-Kommission wegen der Versäumnisse in Sachen Luftreinhaltung in Großstädten anhören musste. Sondern auch, weil sie eine Politik rechtfertigen musste, hinter der sie selbst nicht ganz steht. Das sind so die Absurditäten, die das Leben in einer großen Koalition und in einem immer noch autovernarrten Land mit sich bringt.

Im Prinzip bleibt die Lage nach dem Treffen dieselbe wie zuvor. Die Bundesregierung hatte nichts Neues zu bieten, und die EU-Kommission behält sich weiterhin vor, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Das könnte schon recht bald geschehen. Und dann müsste Deutschland zahlen - selbst schuld. Die Brüsseler Behörde setzt bloß europäische, von Deutschland mit beschlossene Vorgaben durch, die, wenn sie befolgt würden, jährlich einigen Hunderttausend Menschen das Leben retteten. Nachdem sich die Kommission bei Abgasvorgaben gerne mal deutschen Interessen gebeugt hat, geht sie inzwischen mit jener Stringenz und Konsequenz ans Werk, die das Thema verlangt.

Das Problem besteht nicht erst seit gestern

Die Ministerin bat um Verständnis. Man habe ja einiges unternommen, es werde langsam besser, das Feinstaub-Problem sei im Griff, und die Vorgaben ließen sich beim besten Willen nicht über Nacht erfüllen. Und die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof? Werde sich wohl kaum vermeiden lassen, man brauche eben mehr Zeit.

Aber das Problem besteht ja nicht erst seit gestern. Die Abgasbelastung in vielen deutschen Großstädten liegt seit langem weit über den EU-Normen. Vor zweieinhalb Jahren kündigte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren an; seit einem Jahr ist bekannt, dass Brüssel in Luxemburg klagen würde, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. In all der Zeit haben Bundes- wie Landespolitiker von Union und SPD schärfere Maßnahmen zur Verbesserung der Luft bekämpft, im Interesse der Autoindustrie. Deutschland hat manches unternommen, aber eben nichts Entscheidendes, mit dem die EU-Grenzwerte wenigstens halbwegs eingehalten werden könnten. Es waren, wie die Umweltverbände zu Recht kritisieren, oft "Placebo-Maßnahmen".

Wirklich helfen würden Umweltplaketten und vor allem technische Veränderungen an den Diesel-Motoren. Wenn Gerichte nicht ohnehin Fahrverbote anordnen. Dass Deutschland jedoch die Ermahnungen aus Brüssel braucht, um endlich voranzukommen, ist schlichtweg peinlich.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Abgase
:Bundesregierung muss zum Rapport beim EU-Umweltkommissar

Im Kampf gegen Feinstaub tut Deutschland noch immer viel zu wenig. Die EU-Kommission spricht von einer "letzten Chance" für Nachbesserungen.

Von Markus Balser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: