Verkehrspolitik:Autobahnen sind für alle da - nicht nur für Raser

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In Deutschland wird die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen stets so diskutiert, als hätte jemand die Abschaffung eines Grundrechts gefordert. (Foto: imago/Olaf Döring)

Deutschland sollte von den Niederlanden lernen und die Geschwindigkeit auf Autobahnen begrenzen - obwohl selbst der niederländische Ministerpräsident von einer "beschissenen Maßnahme" spricht.

Kommentar von Thomas Fromm

Die Niederlande sind ein verhältnismäßig kleines Land, und im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Deutschland oder Frankreich ist der Autoverkehr dort durchaus überschaubar. Dennoch sollte man sich die Entscheidung der Nachbarn in Berlin sehr genau anschauen - denn sie könnte inspirieren: Auf niederländischen Autobahnen soll zumindest tagsüber künftig eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde gelten, um den Schadstoffausstoß auf diese Weise drastisch zu senken.

Interessant ist, was Ministerpräsident Mark Rutte dazu sagte: Es sei zwar eine "beschissene Maßnahme". Aber leider aus Gründen des Umweltschutzes unumgänglich.

Es ist beschissen, aber wir machen es trotzdem - das ist ein klares Statement. In Deutschland ist man noch nicht so weit. Anders gesagt: Weil man solche radikalen Tempolimits übel findet, lässt man sie gleich bleiben.

Hauch von Gotteslästerung

Mit der Forderung nach allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf deutschen Autobahnen war das immer schon so eine Sache. In der Öffentlichkeit wurde darüber diskutiert, als hätte jemand en passant die Abschaffung eines elementaren Grundrechts gefordert. Im Land der Autobauer, in dem Hersteller wie Porsche jahrzehntelang ihre PS-Zahlen und Drehmomente zum Dogma erhoben und mit der Sportlichkeit des Fahrens um ihre Kunden warben, hatte der Ruf nach Geschwindigkeitsbegrenzungen einen leichten Hauch von Gotteslästerung.

Zumindest galten die Befürworter solcher Tempolimits als spaßbefreite Langweiler. Vielleicht hätte es auch in keinem anderen Land in Europa einen Schlager gegeben, in dem der Sänger seinen Maserati zum Thema macht ("fährt 210") und die Devise ausgibt: "Ich geb' Gas, ich geb' Gas! Will nicht spar'n, will nicht vernünftig sein."

Das war in den 80er Jahren, die Welt war hedonistisch, und Autos hatten vor allem schnell zu sein. 35 Jahre später liegen die Dinge anders. Bei Autos zählt nicht mehr so sehr der Hubraum, sondern die Frage nach CO₂- und Stickoxidemissionen. Zeit also, um vernünftig zu werden.

Die Grünen fordern seit längerem zumindest Tempo 130 auf allen deutschen Autobahnabschnitten - bislang vergeblich. Dabei wäre dies der richtige Kompromiss, um zu zeigen: Es geht uns um die Luft, aber auch um die Sicherheit der Menschen. Autobahnen sind keine Teststrecken für teure, PS-schwere Boliden und Sonntags-Rennfahrer, sondern Verkehrswege für alle.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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