Streit um Bankenaufsicht:Weidmanns geheimer Plan

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Streit um die Bankenaufsicht: Bundesbankpräsident Jens Weidmann (rechts) mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. (Foto: dpa)
  • Bundesbankpräsident Jens Weidmann warb laut SZ-Informationen in Berlin dafür, dass die Bankenaufsicht komplett von der Bundesbank durchgeführt wird.
  • Hintergrund der Debatte ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 4. November die Aufsicht über die größten und wichtigsten Banken der Euro-Zone übernimmt.
  • Innerhalb der neuen EZB-Aufsicht wird die Bafin erste Ansprechpartnerin der EZB sein - und nicht die Bundesbank.

Von Andrea Rexer, Frankfurt

Für die Deutschen ist die Bundesbank nach wie vor ein Garant für Stabilität, auch wenn die D-Mark inzwischen durch den Euro ersetzt ist - und die Bundesbank viele Kompetenzen an die Europäische Zentralbank (EZB) abgeben musste. Mit Jens Weidmann hat sie einen Präsidenten mit Rückgrat, der EZB-Chef Mario Draghi immer und immer wieder Paroli bietet. So sehr, dass ihn Draghi schon auf den Namen "Mr. No" getauft hat. Doch dieses Mal hat sich Weidmann selbst ein schallendes "Nein" eingefangen - und zwar von niemand Geringerem als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung war Jens Weidmann in den vergangenen Monaten in Berlin vorstellig geworden, um für ein Projekt zu werben: Er wollte, dass die Bankenaufsicht künftig komplett von der Bundesbank verantwortet wird - und nicht mehr wie bisher in geteilter Zuständigkeit mit der Bonner Bundesfinanzaufsicht Bafin. Finanzminister Wolfgang Schäuble jedoch hat dem Ansinnen eine glasklare Absage erteilt. "Es wurde vor einigen Jahren entschieden, wie die Kompetenzverteilung aussehen soll, und dabei bleibt es", heißt es in Schäubles engstem Umfeld.

Hintergrund der Debatte ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am 4. November die Aufsicht über die größten und wichtigsten Banken der Euro-Zone übernimmt. Die kleineren Banken - wie Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kleinere Privatbanken - stehen weiterhin unter der Kontrolle der nationalen Aufseher. Die Bundesbank kontrolliert dabei das laufende Geschäft, die Bafin hat die juristische Verantwortung. Damit gibt es in Deutschland gleich drei Köche für eine Suppe: die EZB, die Bundesbank und die Bafin.

Hinter den Kulissen brodelt es

In der Bundesbank bestreitet man den Vorstoß Weidmanns nicht. Ja, es habe Gespräche über die Struktur der Bankenaufsicht mit Schäuble gegeben. Das sei schon einige Zeit her. Man intoniert die Sachlage etwas anders: Weidmann habe darauf hingewiesen, dass die neue Struktur der Bankenaufsicht sehr komplex und die Bundesbank daher dazu bereit sei, über die Struktur erneut zu reden. Doch schließlich habe man akzeptiert, dass eine Neuordnung politisch nicht durchsetzbar sei.

Das klingt, als sei inzwischen wieder alles in Butter. Doch hinter den Kulissen brodelt es noch immer. Sowohl die Bundesbank als auch das Finanzministerium verlieren durch die neue EZB-Aufsicht an Macht. "Schäuble hat jetzt in Sachen Bankenaufsicht nichts mehr mitzureden. Das wurmt ihn", heißt es in Frankfurt. Vor der Änderung konnte der Minister einem der beiden Aufseher, nämlich der Bafin, Weisungen erteilen. Doch jetzt ist das Ministerium nur noch durch eine Vertreterin der Bafin in der EZB repräsentiert, die sich mit Vertretern aus anderen Ländern verständigen muss.

"Die Bundesbank erträgt nicht, dass die Bafin jetzt die erste Geige spielt", kontert man in Berlin. Denn zur "National Competent Authority", also zur ersten Ansprechpartnerin für die EZB in Aufsichtsfragen, ist die Bafin bestimmt worden - und nicht die Bundesbank. Auch das war eine Entscheidung, gegen die sich die Bundesbank mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Sie hatte dabei ein starkes Argument zur Hand: Letztendlich muss Weidmann, der im EZB-Rat sitzt, die Entscheidungen der neuen Bankenaufsicht mittragen - warum sollte die Bafin zwischengeschaltet sein?

Neuer Konflikt reißt alte Gräben auf

Der neue Konflikt hat zudem alte Gräben aufgerissen. Denn die Frage, wer Banken beaufsichtigen soll, ist seit Jahren ein Zankthema zwischen Politik und Bundesbank. Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung wurde vor Jahren festgehalten, dass die Bundesbank die Bafin übernehmen sollte - und diese neue Einheit dann vom Finanzministerium beaufsichtigt werden solle. Doch lehnte der damalige Bundesbankpräsident Axel Weber den Vorschlag der Politik ab. Er fürchtete, dass die Politik die Unabhängigkeit aushebeln wolle. Auch beim aktuellen Vorschlag Weidmanns hätte das Ministerium kein Weisungsrecht bekommen. Damit hätte der Finanzminister noch seinen letzten Zugriff auf die Bankenaufsicht verloren.

Und da ist noch eine alte Geschichte, die in diesen Tagen wieder aufgewärmt wird: Als es in der Finanzkrise um die Gründung des Bankenrettungsfonds Soffin ging, hätte die Politik ihn am liebsten der Bundesbank zugeordnet. Die Gründung wäre so viel einfacher und billiger gewesen, weil man die Infrastruktur der Notenbank hätte nutzen können. Doch auch dagegen wehrte sich Weber strikt, mit Blick auf die Unabhängigkeit. Das kam bei Schäuble nicht gut an. "Und jetzt will der neue Präsident auf einmal das Gegenteil?", wundert man sich im Ministerium.

Aus Sicht der Bundesbank sind die Situationen nicht vergleichbar. Die EZB-Aufsicht habe die Karten völlig neu gemischt. Wenn auf EU-Ebene die Notenbank die Banken kontrolliert, warum dann nicht auch auf nationaler Ebene? Im europäischen Vergleich ist Deutschland mit seiner geteilten Aufsicht inzwischen ziemlich allein auf weiter Flur.

Die deutsche Antwort auf die Neuordnung ist lapidar: Dann ist es eben jetzt komplizierter.

© SZ vom 29.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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