Streik im Regionalverkehr:Lokführer legen Privatbahnen lahm

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Streik im Nah- und Regionalverkehr: Reisende müssen sich zu Wochenbeginn auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen. Verdi-Chef Frank Bsirske kritisiert die Spezialgewerkschaften.

Claus Hulverscheidt

Berufspendler und andere Bahn-Reisende müssen sich zu Wochenbeginn erneut auf Zugausfälle und Verspätungen im Nah- und Regionalverkehr einstellen. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kündigte am Sonntag an, dass die privaten Bahngesellschaften Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahnen von Montagmorgen, 2.30 Uhr, an für 24 Stunden bestreikt würden. Die sechs Firmen decken mit Marken wie Metronom, Ostdeutsche Eisenbahn, Westfalenbahn, Nord-Ostsee-Bahn (NOB) oder Regentalbahn etwa ein Fünftel des deutschen Nahverkehrsnetzes ab. Der Marktführer Deutsche Bahn (DB) und mit ihm mehrere große S-Bahn-Gesellschaften bleiben dagegen vorerst von dem wieder aufflammenden Arbeitskampf verschont.

Streik ab Montagfrüh: Lokführer bei den sechs großen Bahn-Konkurrenten legen die Arbeit nieder. (Foto: dpa)

GDL-Chef Claus Weselsky begründete die Streikankündigung mit der Weigerung der Privatbahnen, einen bundesweit einheitlichen Rahmentarifvertrag für alle 26.000 Lokführer in Deutschland abzuschließen. Da die Firmen zu keinen echten Gesprächen bereit seien, "werden die Lokführer durch ihre Streiks die passende Antwort geben", sagte er. "Die Sturheit der Arbeitgeber führt dazu, dass der Tarifkonflikt erneut auf dem Rücken der Reisenden ausgetragen werden muss." Dafür bitte er um Verständnis. Zum Schutz der Fahrgäste würden alle Streiks zwölf Stunden im Voraus angekündigt, auch wenn man es den eher kleinen Unternehmen damit ermögliche, ausfallende Lokführer durch deren Vorgesetzte zu ersetzen. "Für uns zählt aber die Streikbereitschaft unserer Lokomotivführer, und die ist bisher immer in hohem Maße gegeben gewesen", erklärte Weselsky. Die sechs Anbieter hatten Anfang März ihre Verhandlungsgemeinschaft aufgelöst und peilen nun Einzelabschlüsse mit der Gewerkschaft an.

Parallel laufen die Verhandlungen zwischen der GDL und der bundeseigenen Deutschen Bahn weiter. Die DB ist zu einem einheitlichen Rahmentarifvertrag bereit, die Gewerkschaft verlangt für die rund 20.000 Lokführer des Unternehmens aber darüberhinaus fünf Prozent mehr Lohn. Die Bahn akzeptiert die Forderung im Grundsatz, will die Erhöhung aber in mehreren Schritten umsetzen. Zudem wird über Beschäftigungssicherung und betriebliche Altersvorsorge geredet. DB-Personalvorstand Ulrich Weber sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Gespräche bewegten sich "weiter in einem guten Modus". "Wir gucken, dass wir eine Lösung am Verhandlungstisch hinkriegen", erklärte er. Auch Weselsky sprach von Fortschritten, die es rechtfertigten, die DB zumindest bis zum nächsten Verhandlungstermin am 7./8.April von Streiks zu verschonen.

Ein Arbeitskampf nur bei den Privatbahnen könnte allerdings teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und damit in seiner Wirkung begrenzt bleiben. Die GDL befand sich bisher auch deshalb in einer starken Position, weil sie mit relativ wenigen Mitgliedern den gesamten Betrieb des Großkonzerns Deutsche Bahn lahmlegen konnte, der wiederum mit den Protesten seiner Kunden zu kämpfen hatte. Allerdings musste sich die Gewerkschaft zuletzt den Vorwurf gefallen lassen, allein aus PR-Gründen ein Unternehmen zu bestreiken, das bereit ist, auf die Forderungen der Arbeitnehmer einzugehen.

Völlig konfliktfrei laufen allerdings auch die Verhandlungen zwischen der GDL und der Deutschen Bahn nicht. So besteht die Gewerkschaft nach eigenen Angaben weiterhin auf einer Erhöhung des sogenannten Nachtarbeitszeitzuschlags, was die DB verweigert. Weselsky zufolge versucht die Bahn zudem, ein einheitliches Tarifniveau zu umgehen, indem sie Fahrleistungen an Anbieter vergibt, die entweder gar keinen Tarifvertrag hätten oder geringere Löhne zahlten. Eine DB-Sprecherin sagte dazu, es gebe keine allgemeine Umgehung des Tarifniveaus. Die von Weselsky kritisierte Vergabe sei vor Abschluss des Branchentarifvertrags zustande gekommen. Die Bahn sei bereit, bei den jetzt laufenden Gesprächen einen Lösungsvorschlag für das Problem zu unterbreiten.

Harsche Kritik an der GDL und anderen spezialisierten Arbeitnehmer-Organisationen äußerte einmal mehr der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach in ein und demselben Unternehmen mehrere Gewerkschaften Tarifabschlüsse tätigen dürften, drohe eine Zersplitterung der Interessenvertretung, sagte er am Wochenende in Bremen. Damit habe sich das Gericht vom Prinzip der Tarifeinheit - ein Betrieb, ein Tarifvertrag - verabschiedet. Nach dem Vorbild der GDL, der Pilotenvereinigung Cockpit und der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund könnten so Interessenvertretungen entstehen, die nur die Vorteile ihrer eigenen Mitglieder, nicht aber die Bedürfnisse der übrigen Mitarbeiter eines Betriebs im Auge hätten. So würden Arbeitskämpfe zu Verteilungskämpfen. "Die Schwächeren drohen auf der Strecke zu bleiben", erklärte Bsirske. Er kündigte zudem an, dass Verdi weiter für einen gesetzlichen Mindestlohn kämpfen werde.

© SZ vom 28.03.2011/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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