Straßenverkehr:Busfahrern drohen schlechtere Arbeitsbedingungen

Flixbus

Häufig eine günstige Alternative zur Bahn: Ein Fernbus des Marktführers Flixbus am Hannoveraner ZOB.

(Foto: dpa)
  • Busfahren ist billig. Doch Gewerkschafter berichten von einem wachsenden Druck bei den Fahrern.
  • Ein neues EU-Gesetzespaket könnte die Lage nochmals verschlechtern. Es sieht deutlich längere Lenkzeiten für die Fahrer vor.
  • Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einem Sicherheitsrisiko.

Von Markus Balser, Berlin

Deutlich günstiger als Flugzeug und Bahn, komfortabler als Mitfahrgelegenheiten: So viele Menschen wie noch nie fahren inzwischen mit Bussen durchs Land. Gerade in den Ferien wird der Bus für immer mehr Passagiere zur Alternative. Für genau 41,98 Euro ist etwa die Fernstrecke Berlin - Verona zu haben. Flüge und der Normalpreis der Bahn liegen bei etwa 200 Euro. Allein mit dem Fernbus-Marktführer Flixbus waren 2017 etwa 40 Millionen Menschen unterwegs - neuer Rekord. Tendenz? Steigend. Gewerkschaften allerdings wissen, wer für die Billigtickets einen hohen Preis bezahlt: die Fahrer. Bei Arbeitnehmervertretern gehen immer mehr Klagen über wachsenden Druck im Führerhaus ein. "Fahrer berichten von unerträglichen Verschlechterungen bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung", sagt Verdi-Bundesvorstand Christine Behle der Süddeutschen Zeitung.

"Gerade im Fernbusverkehr werden Hunderte Kilometer unter dem Zeitdruck des Fahrplans zurückgelegt. Ruhezeiten können so oft gar nicht eingehalten werden. Auch der Druck auf die Löhne ist groß."

Und es könnte für viele Arbeitnehmer der Branche noch schlimmer kommen. An diesem Mittwoch stimmt das Europäische Parlament über Reformvorschläge aus dem sogenannten EU-Mobilitätspaket ab. Und die umfassen so brisante wie umstrittene Verschlechterungen für Fahrer. Der Verkehrsausschuss hat vorgeschlagen, Ruhe- und Lenkzeiten aufzuweichen. So könnten die Arbeitszeiten bei Reisebus-Fahrern nicht nur zweimal pro Woche auf 16 Stunden verlängert werden. Fahrer könnten auch an zwölf Tagen hintereinander ohne Ruhetag unterwegs sein. "Solche Arbeitsbedingungen sind ein Riesensicherheitsrisiko auf deutschen Straßen", sagt Verdi-Funktionärin Behle. "Durch überlange Fahrzeiten und verschobene Ruhepausen wächst die Unfallgefahr. Wer in einen Bus steigt, kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass der Fahrer ausgeruht ist."

Gemessen an ihrer enormen Beförderungsleistung sind Reisebusse bislang ein sicheres Verkehrsmittel. So wies das Statistische Bundesamt in der letzten großen Untersuchung für 2015 lediglich 295 verunglückte Reisebusinsassen aus, einer von ihnen starb. Im selben Jahr verunglückten in Deutschland insgesamt fast 400 000 Menschen, es gab 3459 Verkehrstote.

Die Sorge, dass sich das ändern könnte, treibt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) um. Die Tageslenkzeit dürfe schon heute bis zu neun Stunden betragen, zweimal in der Woche sogar zehn Stunden. Eine Pause sei erst nach viereinhalb Stunden vorgeschrieben. Schon solche Arbeitszeiten seien, verglichen mit der eines Büro-Arbeitnehmers mit einer 39-Stunden-Woche, "wegen der physischen und psychischen Belastung nicht tragbar", warnt ein GdP-Sprecher. Eine nochmalige Verschlechterung aber sieht auch die GdP als Sicherheitsrisiko.

Die Busbranche hat sich in den vergangenen Jahren radikal gewandelt. Hauptgrund für den Boom ist die Liberalisierung des Fernbusmarktes 2013. Neben den Reisebussen gibt es seither auch private Linienbusse. Wie kein zweites steht das Unternehmen Flixbus für den Wandel. Nach mehreren Übernahmen dominiert der Portalbetreiber aus München den Markt. Die grünen Busse fahren mehr als 90 Prozent aller Fahrplankilometer. Dabei hat Flixbus so gut wie keine eigenen Busse. Das Unternehmen arbeitet als digitale Plattform. Es schafft die Marke und ein elektronisches Buchungssystem für Kunden, den Betrieb selbst übernehmen mittelständische Busunternehmen. Damit zeigt das Unternehmen: Am Produkt verdient im digitalen Zeitalter nicht zwangsläufig dessen Produzent. Am Kunden verdient, wer es schafft, mit eigenen Plattformen die Verbindung von Anbieter und Nutzer herzustellen.

In der Branche fehlen Tausende Fahrer

Werden die EU-Pläne Realität, könnten die Bedingungen für Busunternehmen noch härter werden. Denn die Vorschläge des Verkehrsausschusses sehen auch vor, die im Rahmen der neuen Entsenderichtlinie beschlossene Formel "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" im Transportsektor nur im Ausnahmefall gelten zu lassen. Nur dann nämlich, wenn Fahrer innerhalb eines Landes unterwegs sind, nicht aber bei grenzüberschreitenden Fahrten. De facto könnten dann Busse aus Deutschland von osteuropäischen Niedriglohnkräften gelenkt werden. "Der Reise- und Fernbussektor könnte in Deutschland zum unkontrollierbaren Dumpinglohnsektor verkommen - mit weitgehend entrechteten Beschäftigten", fürchtet Verdi-Funktionärin Behle. "Die Folge wäre, dass die mittelständisch geprägte Branche in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig wäre, wenn sie nicht Personal im Ausland rekrutiert. In kürzester Zeit würden sich Briefkastenfirmen mit Personalagenturen in Ländern mit einem Mindestlohn unter 300 Euro bilden."

Entsprechend kritisch sieht auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer die Pläne. "Eine Ausweitung der Lenkzeiten und eine Reduzierung der Pausen oder Ruhezeiten sind mit uns nicht machbar", teilt der Verband mit. Auch bei der Entsendung von Fahrern sieht der BDO Mängel. Schon jetzt fehlen der Branche Fahrer. In den nächsten Jahren gibt es nach Branchenangaben 22 000 Fahrer zu wenig. Werden die Arbeitsbedingungen noch schlechter, wird es noch schwerer, die Lücken zu füllen.

Der Parlamentsausschuss hatte das umstrittene Paket Anfang Juni gegen die Stimmen von Grünen und Teilen der Sozialdemokraten beschlossen. Das Europaparlament hatte einen ersten Abstimmungstermin über den Vorschlag dann Mitte Juni verschoben, weil sich die Parlamentarier nicht einigen konnten. Sie beschlossen, weitere Diskussionen und eine Abstimmung auf der Plenartagung am Mittwoch abzuhalten. Das Ergebnis sei offen, verlautete aus Parlamentskreisen. Das Votum in Straßburg legt die finale Position des Parlaments für die Verhandlungen über das erste EU-Mobilitätspaket mit dem Europäischen Rat fest. Es gilt damit als richtungsweisend.

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