Start-up-Gründer:Dieser Mann will den Hunger in der Welt stillen - und blamiert sich

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Soylent-Gründer Rob Rhinehart mit seinem Produkt. Den Plan, sich ein Jahr ausschließlich davon zu ernähren, hat er bislang nicht umgesetzt. (Foto: AFP)
  • Der Gründer eines amerikanischen Astronautenkost-Start-ups Rob Rhinehart hat es geschafft, innerhalb kürzester Zeit zum Stadtgespräch in Los Angeles zu werden.
  • Er wollte ein Jahr lang in einem Container leben und sich dort nur von der Flüssignahrung seiner Firma ernähren.
  • Er setzte diesen Plan jedoch nie um. Stattdessen wurde der Container übel beschädigt - und Rhinehart fast verhaftet.

Von Jürgen Schmieder

Es sollte dringend jemand das Buch "Silicon Valley für Anfänger" veröffentlichen, ein Handbuch über Start-up-Gründer an der Westküste der USA. Es sollte ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen enthalten ("Welt verbessern", "Disruption", "Einhörner") sowie einen Hinweis darauf, dass der Firmenchef von heute einen unverwechselbaren Spleen braucht: Apple-Boss Steve Jobs trug diesen schwarzen Rollkragenpulli, Markus Persson, Erfinder des Videospiels Minecraft, feiert derzeit in seiner Villa die krassesten Partys, Facebook-Chef Mark Zuckerberg las ein Jahr lang alle zwei Wochen ein Buch.

Rob Rhinehart wiederum, Gründer der Flüssignahrungs-Firma Soylent, wollte unbedingt in einem Container leben. Er kaufte sich im Januar für 21 300 Dollar ein Grundstück in Montecito Heights, einer Künstlergegend im Nordosten von Los Angeles mit Blick auf die Skyline der Stadt und das Stadion des Baseballvereins Dodgers. Dort platzierte er einen knallroten Schiffscontainer mit eingebauten Fenstern, daneben eine türkisfarbene Toilettenkabine und ein paar Solarzellen. Das war's.

Ein Jahr Austronautenkost und Leben im Container

Rhinehart wollte umsetzen, was er vor einem Jahr in einem Manifest an seine Jünger verkündet hatte: Er wolle sich ausschließlich von der Ersatznahrung Soylent ernähren, er brauche weder Auto noch Kühlschrank und werfe die aus China georderten T-Shirts nach dem Gebrauch weg, weil das effizienter sei als die Benutzung einer Waschmaschine.

Der Unternehmer will mehr erreichen, als dass Programmierer aufhören, sich ausschließlich von Tiefkühlpizza zu ernähren - er will nichts weniger als den Hunger in der Welt stillen: "Soylent 2.0 ist die ökologisch effizienteste Nahrung, die jemals erfunden wurde", wirbt er. Zahlreiche Menschen glauben an diese Vision, sein Unternehmen wird mit mehr als 100 Millionen Dollar bewertet.

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Viel Gererde, ziemlich wenig dahinter

Rhinehart jedoch zog nie wirklich in diesen Container, den Nachbarn gerne mal als "Mittelfinger Richtung Los Angeles" bezeichneten, er schaute nur ab und zu vorbei. Dafür kamen jene Menschen, die in Montecito Heights gern mal ein Bier trinken, den Sonnenuntergang oder ein Feuerwerk betrachten oder andere spaßige Dinge machen. Um es kurz zu halten: Die Scheiben wurden eingeschlagen, der Container innen mit Graffiti von Gangmitgliedern versehen und die Toilette als Mülleimer missbraucht. Nach einer Party am 4. Juli, die Rhinehart veranstaltet haben soll, fanden Polizisten auf den Grundstücken der Nachbarn Schnapsflaschen und Stummel von Marihuana-Zigaretten.

Das hielt die Stadt dann für keine besonders schöne Vision von einer besseren Zukunft und forderte Rhinehart auf, den Müll und bestenfalls gleich den ganzen Container zu entsorgen. Bei einem Erdbeben, so die Begründung, würde er nach unten rutschen wie ein Eiswürfel in einem Glas. Die Reaktion des Besitzers: "Mein Haus wurde mit Graffiti beschmiert und zerstört. Das soll mein Fehler sein? Wo war die Polizei?" Rhinehart weigerte sich zunächst, der Aufforderung nachzukommen und bis zum 7. September aufzuräumen. Deshalb, so die Drohung, würde er an diesem Tag verhaftet werden. Ihm droht dann eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren.

Rhinehart hat nun aber angekündigt, den Container für kurze Zeit zu entfernen - und danach mit gleich mehreren Modulen zurückzukommen und sein, wie er es nennt, "Experiment nachhaltigen Lebens" fortzusetzen. Auch diese Aktion ist dem leider noch nicht existierenden Handbuch für Start-up-Gründer entnommen: Die lassen sich nämlich von niemandem sagen, dass eine Idee gewaltiger Quatsch sein könnte. Sie machen einfach weiter.

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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