Währungsunion:Warum Spanien den Euro liebt

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Sie sind begeisterte Europäer. Am Status quo will in Spanien keiner rütteln. Schließlich gehört das Land zu den großen Nettoempfängern der Euro-Zone. (Foto: Andres Kudacki/AP)
  • Spaniens Bevölkerung ist politisch tief in konservativ und links gespalten.
  • Im Herbst stehen Parlamentswahlen an. Unabhängig vom Ergebnis ist ein Euro-Austritt des Landes doch in keiner Weise zu befürchten.
  • Höchst umstritten sind dagegen die drastischen Sparmaßnahmen, an denen die Regierung seit Jahren festhält.

Analyse von Thomas Urban, Madrid

Ganze drei Dutzend Demonstranten haben sich eingefunden, um Manuela Carmena den Rücken zu stärken. Die 73-jährige Kandidatin des linksalternativen Wahlblocks "Jetzt Madrid" (Ahora Madrid) versucht, mit den Sozialisten eine Koalition im neu gewählten Madrider Stadtrat zu schmieden. Zusammen hätten die linken Gruppierungen 29 Sitze, einen mehr als für die Mehrheit erforderlich. Doch längst nicht alle Vertreter der Sozialisten sind von der Aussicht begeistert, Juniorpartner in der künftigen Stadtregierung zu sein. Denn die pensionierte Richterin verspricht zu viele Dinge, die die Haushalts- und Wirtschaftsexperten der anderen Parteien für unfinanzierbar halten: die Aufstockung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe, den Verzicht auf Zwangsräumungen bei säumigen Kreditnehmern, finanzielle Beihilfen und kostenlose Gesundheitsfürsorge für illegale Einwanderer.

Manuela Carmena wird von der erst vor 14 Monaten gegründeten Partei Podemos (auf Deutsch: Wir können) unterstützt, deren Führung sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft radikal umbauen will: Weg vom Kapitalismus, mehr Staatsbesitz und mehr staatliche Kontrolle lauten die Parolen. Aber in einem Punkt sind sich alle Parteien in Spanien einig: Das Land bleibt in der Euro-Zone. Auch die linksalternativen Spanier sind begeisterte Europäer. Zwar wollen sie mit dem "bürokratischen Kraken" Brüssel aufräumen, aber auf gar keinen Fall am Status quo rütteln. Denn Spanien gehört zu den großen Nettoempfängern der Euro-Zone.

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Merkel-Karikaturen sind in Spanien selten

Podemos-Chef Pablo Iglesias ist Abgeordneter des Europa-Parlaments. Er sei gerade dabei, das "Brüsseler ABC" zu lernen, sagte er. Die Griechen möchte auch er in der EU behalten, denn er sieht die Regierung von Alexis Tsipras als wichtigen Verbündeten bei seinem Projekt, die EU auf Kurs zu bringen. Erster Schritt: "Weg mit dem Spardiktat Angela Merkels!" Doch Merkel-Karikaturen sind in den spanischen Medien inzwischen eine Seltenheit, genauso wie Anti-Merkel-Spruchbänder bei Demonstrationen. Bei der großen Mehrheit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die spanische Krise hausgemacht ist: die Folge wilder Immobilienspekulation, deren tiefere Ursachen auch in der epidemischen Korruption der bisherigen großen Parteien zu suchen ist, der Konservativen und der Sozialisten.

Wohl hatte es nach der Wahl Tsipras' zum griechischen Premier in Madrid eine von Podemos veranstaltete Solidaritätskundgebung gegeben, bei der auch Dutzende griechischer Fahnen geschwenkt wurden. Doch diese sind längst verschwunden. Iglesias und sein Stab bei Podemos haben festgestellt, dass das "griechische Thema" bei der überwältigenden Mehrheit ihrer Landsleute sehr schlecht ankommt. Die meisten Medien berichten überaus negativ über die Politik Athens.

Nicht anders sah es in Barcelona aus, wo die linksalternative Liste "Barcelona gemeinsam" bei der Kommunalwahl vor einigen Tagen zur stärksten Gruppierung wurde, aber mit elf von 47 Mandaten im Stadtrat weit von einer Mehrheit entfernt ist. Bei der Jubelfeier am Wahlabend wehten hinter der Spitzenkandidatin Ada Colau einige katalanische Fahnen, denn sie hat bisher die Verfechter einer staatlichen Souveränität dieser Industrie- und Touristikregion unterstützt und damit die Podemos-Führung in Madrid irritiert. Griechische Fahnen aber waren nicht zu sehen.

Sollte sich bei den Wahlen zum nationalen Parlament im Herbst, wahrscheinlich im November, ebenfalls eine Mehrheit linker Gruppierungen ergeben, wird ein Austritt Spaniens aus der Euro-Zone also kein Thema sein. Im Gegenteil: Die dann zu bildende neue Regierung wird sich energisch dafür einsetzen, die Griechen in der EU zu halten. Die spanischen Wirtschaftsverbände plagt eine andere Sorge: dass der Sanierungskurs der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy aufgegeben wird. Dank eines drastischen Sparprogramms ist Spanien schneller als erwartet aus der Rezession gekommen, für Ende 2015 wird ein Wachstum von drei Prozent erwartet, ein Spitzenwert in der Euro-Zone.

Unter den oppositionellen Sozialisten gibt es viele, die den Kurs Rajoys befürworten, auch wenn sie wohl einige Akzente anders setzen würden, etwa eine Reichensteuer einführen und die Sozialleistungen weniger stark beschneiden. Aber sie sind zufrieden damit, dass man nicht selbst die unpopulären Sparmaßnahmen durchsetzen muss, die vor allem Renten, Arbeitslosenhilfe sowie Gesundheits- und Bildungswesen betreffen. Eine Mehrheit der Spanier hat Umfragen zufolge aber Verständnis für einen Personalabbau im öffentlichen Dienst und einen Umbau des Gesundheitssystems, das mit seinen langen Wartezeiten auf Behandlungstermine für Unmut sorgte. Es wird bisher aus Steuermitteln finanziert, was bedeutet, es gibt keinerlei Anreize zum Sparen, da ja für fast alle Arztbesuche, Therapien und verschriebene Medikamente der Steuerzahler aufkommt.

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Wirtschaftskompetenz zählt für die Wähler

Doch ist es keineswegs eine ausgemachte Sache, dass die nächste Regierung von Linksgruppen gebildet wird. Kommunal- und Regionalwahlen funktionieren auch in Spanien nach anderen Spielregeln als die Entscheidungen über das nationale Parlament, sie waren auch in der Vergangenheit immer wieder Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Gesamtlage. Doch bei nationalen Wahlen ist Untersuchungen zufolge eines der wichtigsten Kriterien für die Entscheidung der Wähler die Wirtschaftskompetenz. Und hier führen trotz ihrer zahlreichen Korruptionsaffären nach wie vor deutlich die Konservativen. Hinzu kommt, dass die liberalen Ciudadanos (Bürger), die entschiedene Verfechter der Marktwirtschaft sind und im Parteienspektrum etwa der deutschen FDP entsprechen, einen nicht geringen Teil der Wähler hinter sich bringen dürften, die sich bei der Kommunalwahl für lokale Bürgerinitiativen entschieden haben. Diese treten nämlich nicht landesweit an. Damit aber würde auch den Neomarxisten um Podemos-Chef Iglesias ein wichtiger Verbündeter fehlen. Uberdies könnte die Begeisterung über die hohen Stimmenanteile der Linksalternativen rasch verfliegen, wenn diese sich als Stadträte oder Mitglieder von Stadtregierungen erstmals mit der Verwaltungswirklichkeit auseinandersetzen müssen.

Das Rennen um die künftige Führung in Madrid ist also offen. Sollte der sich abzeichnende Aufschwung anhalten, könnte die Zeit für die Konservativen arbeiten. Aber wer auch immer in den Moncloa-Palast, dem Sitz des Ministerpräsidenten, einziehen wird: Ein Grexit würde dort niemandem gefallen.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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