Spanien fürchtet Verschärfung der Schuldenkrise:Am Rande des Nervenzusammenbruchs

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Die Krise in Spanien wird immer bedrohlicher: Zunächst hieß es, Kunden zögen massenweise Geld bei einer heimischen Bank ab. Dann stufte die Ratingagentur Moody's auch noch 16 Finanzinstitute herunter. Die Furcht im Land wächst.

Javier Cáceres, Madrid

Nach beispiellosen Turbulenzen an den Finanzmärkten wächst in Spanien die Furcht vor der Verschärfung der Schuldenkrise. In der Nacht zum Freitag hat die Ratingagentur Moody's 16 spanische Banken herabgestuft. Die Möglichkeiten der spanischen Regierung, einzelne Banken zu stützen, haben sich verschlechtert, begründete die Agentur den Schritt.

Demonstration gegen Sparmaßnahmen in Barcelona: In Spanien herrscht Furcht vor der Verschärfung der Schuldenkrise. (Foto: AP)

Zuletzt stiegen die Zinsen für spanische Anleihen abermals - da fordert Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy nun eine "klare und entschlossene Botschaft" zur Verteidigung des Euro sowie "der Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden aller Euro-Länder." Er sagte nicht explizit, an wen die Botschaft gerichtet war.

Es liegt aber auf der Hand, dass er die Europäische Zentralbank (EZB) meinte. Übersetzt sollte dies heißen, dass die EZB am Markt intervenieren und spanische Anleihen kaufen müsse, um für Entspannung am Kapitalmarkt zu sorgen.

"Es ist sehr schwer, sich zu finanzieren"

Am Mittwoch waren die Zinsen für zehnjährige spanische Staatsanleihen massiv gestiegen. Der so genannte Risikoaufschlag zu deutschen Papieren lag zeitweise oberhalb von 500-Basispunkten, die Zinsen für zehnjährige Bonds bei bis zu 6,3 Prozent. Dies sind beides bedeutsame Schwellen: Als Spaniens Nachbarland Portugal vor genau einem Jahr als drittes Euro-Land Notkredite beantragen musste, lagen die Zinsen für zehnjährige portugiesische Bonds bei rund sieben Prozent. Experten führten dies damals vor allem auf die Lage in Griechenland zurück.

Auch Spaniens Regierung geriet in die Kritik. "Es ist sehr schwer, sich zu finanzieren", sagte Spaniens Regierungschef Rajoy am Mittwoch. Es bestehe das Risiko, dass Spanien an den Märkten kein Geld mehr geliehen bekomme, oder "nur zu astronomischen Preisen", fügte er hinzu. Am Donnerstag konnte sich Rajoy teilweise bestätigt sehen.

Bei einer Auktion von Staatsanleihen mit bis zu dreijähriger Laufzeit war Spanien nur zu hohen Preisen erfolgreich. Zwar konnte das Land knapp 2,5 Milliarden Euro aufnehmen. Die Renditen für dreijährige Papiere liegen aber bis zu 50 Prozent höher als bei der vorangegangenen Versteigerung. Ein Trost: Die Rendite für kurz- und mittelfristige Anleihen lag am Donnerstag etwa bei der Hälfte des Werts, der vor einem Jahr zur Rettung Portugals geführt hatte.

"Völliger Unsinn"

Wie sehr die Spanier am Rande des Nervenzusammenbruchs stehen, lässt sich daran ablesen, wie verzweifelt die Regierung zwei Debatten einzufangen versuchte. So dementierte Rajoy kategorisch, dass jemand die Absicht habe, Nothilfen zu beantragen: Das stehe "überhaupt nicht" zur Debatte. Zum anderen mühte sich Finanzminister Cristóbal Montoro, das Wörtchen "Corralito" wieder zu verscheuchen. Mit diesem Wort (zu deutsch: kleines Gatter) bezeichnete man 2001 in Argentinien die Maßnahmen der Regierung zur Einschränkung des Bargeldverkehrs.

Bankkunden konnten seinerzeit nur kleine Beträge abheben. Ein derartiges Szenario hatte Nobelpreisträger Paul Krugman vor einigen Tagen an die Wand gemalt. Das sei schon deshalb "völliger Unsinn", wie Finanzminister Cristóbal Montoro sagte, weil es rein "technisch überhaupt nicht zu bewerkstelligen" sei. Montoro empfing am Donnerstag die Finanzminister der 17 Regionen, um deren Kürzungspläne zu prüfen. Sie sollen zehn Milliarden Euro bei Bildung und Gesundheit streichen.

Die Diskussionen um den "Corralito" fielen mit beunruhigenden Nachrichten aus dem Bankensektor zusammen, den die Regierung erst vor einer Woche reformiert hatte. Die gerade teilverstaatlichte Bankia sackt an der Börse von Madrid in sich zusammen. Nach zehn Tagen ununterbrochener Verluste verringerte sich der Börsenwert am Donnerstag um bis zu 29 Prozent, zog allerdings am Freitag wieder deutlich an.

Hintergrund für den Kurssturz war ein Bericht der Zeitung El Mundo, wonach Bankia-Kunden in der vergangenen Woche Einlagen von mehr als eine Milliarde Euro abgezogen hatten. Dieser Darstellung widersprachen sowohl Bankia als auch der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Fernando Jiménez Latorre. Danach entspannte sich der Bankia-Kurs zumindest ein wenig. Am frühen Nachmittag hatte er nur noch elf Prozent verloren.

Dementiert wurden auch die Berichte, wonach Spaniens Regierung die Finanzfirmen Blackrock und Oliver Wyman mit der Prüfung der Bücher der spanischen Banken beauftragt habe. Die Ausschreibung sei noch nicht abgeschlossen.

Von der Wirtschaftsentwicklung ist indes kein Rückenwind zu erwarteten: Spanien Berechnungen der Satistikbehörde in die Rezession gerutscht. Das Minus betrug im ersten Quartal 0,3 Prozent verglichen zum vierten Quartal 2011, wie das Amt mitteilte. Zum Vorjahresquartal fiel der Rückgang mit 0,4 Prozent sogar noch größer aus. Auch Ende 2011 war die spanische Wirtschaftsleistung bereits geschrumpft. Volkswirte erwarten, dass sich diese Schwäche auch noch über das erste Quartal hinaus fortsetzen wird.

© SZ vom 18.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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