Siemens: Cromme gegen Ex-Vorstand:"Mehr Offenheit gewünscht"

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Deutliche Worte: Siemens-Aufsichtsratschef Cromme greift den ehemaligen Vorstand massiv an - und fordert eine freiwillige Zahlung der alten Führungsriege. Sonst müsse der Konzern klagen.

Der Schmiergeldskandal ist - aus heutiger Sicht - weitgehend ausgestanden, doch intern beschäftigen die Vorfälle den Siemens-Konzern noch immer. In einem Interview meldete sich nun Aufsichtsratschef Gerhard Cromme zu Wort und griff den ehemaligen Vorstand massiv an. Von den ehemaligen Konzernchefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld hätte er sich "sehr viel mehr Offenheit gewünscht", sagte Cromme dem Nachrichtenmagazin Spiegel.

Siemens-Chefkontrolleur Cromme greift in einem Interview den alten Vorstand massiv an. (Foto: Foto: AP)

Der Aufsichtsrat sei davon "überzeugt, dass der frühere Vorstand sich Fehlverhalten zuschulden hat kommen lassen, für das wir ihn zivilrechtlich belangen müssen" sagte Cromme. Er appellierte an die ehemalige Konzernspitze, einem Vergleich zuzustimmen. Siemens wolle "keinem das letzte Hemd rauben", betonte der Aufsichtsratschef. "Uns geht es um einen eher symbolischen Beitrag in allerdings nennenswerter Höhe." Wenn sich beispielsweise Pierer aber nicht einsichtig zeige, "müssen wir gegebenenfalls klagen".

Diese Worte bringen den ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld auf die Palme. Kleinfeld wehrt sich gegen Crommes Vorwürfe. Sein Anwalt schrieb Cromme in einem Brief, er habe die Anschuldigungen Crommes mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Gegen Kleinfeld würden in keinem der zuletzt von der Münchner Staatsanwaltschaft sowie der US-Börsenaufsicht SEC herausgegebenen Dokumente spezifische Beschuldigungen erhoben. Kleinfeld habe seit Herbst 2006 als Siemens-Chef eine beispiellose Aufklärungsarbeit eingeleitet, die das Fundament für die späteren Aufräumarbeiten bildete.

Auch Pierer weist in einer Stellungnahme die Vorwürfe zurück. Zu dem Vorwurf, der Aufsichtsrat sei "unvollständig, irreführend und teilweise falsch informiert worden", verweise er zudem "auf Presseberichte vom Dezember vergangenen Jahres". Damals habe Siemens in einem arbeitsgerichtlichem Prozess erklärt, den Vorwurf nicht aufrechterhalten zu wollen, der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats sei von dem damaligen Compliance-Beauftragten von Siemens nicht umfassend und zeitnah genug über anhängige Schmiergeld-Verdachtsfälle informiert worden.

Skandal weitgehend aufgearbeitet

Cromme sagte, bei Siemens habe sich über Jahrzehnte "ein Paralleluniversum" der Korruption entwickelt, das von "früheren Vorständen gedeckt, geduldet oder gar initiiert" worden sei. "Es ging immer auch um Moral - oder gerade deren Mangel." Der Aufsichtsrat sei von diesen Alt-Vorständen "unvollständig, irreführend und teilweise sogar falsch informiert worden". Bei Siemens habe sich "extern wie intern eine Art gemeinsamer Bestechungsindustrie entwickelt, die letztlich vor allem den Eindruck produzieren sollte, Schmiergelder seien notwendig".

"Die wichtigsten Fälle und Ermittlungen" seien nach der Einigung mit den US-Behörden und der deutschen Justiz über eine Zahlung von insgesamt rund eine Milliarde Euro "abgehakt", erklärte Cromme zugleich. Der Konzern könne mit der Geldbuße sehr zufrieden sein. "Wenn die Amerikaner alle Folterinstrumente genutzt hätten, die das US-Rechtssystem ihnen zur Verfügung stellt, hätte Siemens in eine existentiell bedrohliche Krise geraten können."

Angesichts der weltweiten Konjunkturkrise zeigte sich der Siemens-Chefkontrolleur besorgt. "Einen so plötzlichen und totalen Filmriss wie zurzeit habe ich in meiner ganzen Berufszeit nie erlebt. Diese weltweite Dramatik ist mir neu, und nicht nur mir." Er rechne deshalb im kommenden Jahr "auf der ganzen Welt mit Heulen und Zähneknirschen".

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