Siemens-Affäre:Vernehmung in Athen

Lesezeit: 2 min

Heinrich von Pierer war bis 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG. (Foto: REUTERS)

Ex-Siemens-Chef Pierer will von den Schmiergeldzahlungen an griechische Politiker nichts gewusst haben. Das sei Sache des Finanzbereichs gewesen. In Deutschland hat die Justiz gegen den früheren Manager wenig in der Hand.

Von Klaus Ott und Tasos Telloglou

Vergangene Woche war Heinrich von Pierer wieder mal im Ausland unterwegs. Aber nicht als Ratgeber oder Redner wie sonst. Sondern als Beschuldigter. Der einstige Siemens-Chef, der lange Jahre einer der führenden Köpfe in der deutschen Industrie gewesen war, musste am 7. Januar bei der Justiz in Athen aussagen. Dort wird gegen Pierer in jenem Korruptionsfall ermittelt, der seinem ehemaligen Arbeitgeber so schwer zu schaffen gemacht und ihn sehr viel Geld gekostet hat. Mehr als zwei Milliarden Euro zahlte Siemens für die Aufarbeitung einer Affäre um schwarze Kassen und Schmierereien auf allen Kontinenten. Viele Gesetzesverstöße waren in Pierers Amtszeit erst als Vorstands- und dann als Aufsichtsratschef begangen worden. Davon mitbekommen haben will der frühere "Mr. Siemens" allerdings nichts.

Das hat Pierer bei den Ermittlungen in Deutschland so erzählt, und das hat er in Athen wiederholt, als ihn die Ermittlerin Maria Nikolakea befragte. Sie wollte wissen, ob es bei Siemens üblich gewesen sei, Ministern und Abgeordneten heimlich Geld zu geben. Solche "Spenden an Politiker" seien doch ungewöhnlich. Der Anlass der Frage: Siemens hatte früher die beiden großen Parteien in Griechenland gesponsert, die linke Pasok und die rechte Nea Dimokratia. Millionenbeträge aus schwarzen Kassen sollten garantieren, dass der Konzern Staatsaufträge bekam. Ganz egal, wer gerade an der Macht war in Athen.

Pierer antwortete, der von ihm viele Jahre lang geleitete Zentralvorstand des Industriekonzerns hätte keinerlei Kenntnis von derartigen Partei-Zuwendungen gehabt und hätte das auch keinesfalls akzeptiert. So steht es im Vernehmungsprotokoll. Dem Protokoll zufolge beteuerte der Ex-Konzernchef, er habe auch nichts von dem bei Siemens betriebenen System der "nützlichen Aufwendungen" (NA) gewusst. NA war früher in der deutschen Industrie ein Synonym für Schmiergeldzahlungen. NA klang einfach besser, weil harmloser.

"Musste mich um 500 000 Beschäftigte kümmern"

Bei Siemens wurden NA für Griechenland vielfach über Konten in Österreich und der Schweiz abgewickelt. Bis zu 100 Millionen Euro sollen binnen ein, zwei Jahrzehnten geflossen sein. Aber ohne Kenntnis von Pierer, wie dieser in Athen aussagte. Er habe sich, erzählte der einstige "Mr. Siemens" laut Protokoll, um 500 000 Beschäftigte kümmern müssen und um tägliche Einnahmen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Um einzelne Zahlungen habe sich der Zentralvorstand da natürlich nicht kümmern können. Das sei Sache des Finanzbereichs gewesen.

Und was war mit den griechischen Politikern gewesen, die Geld von Siemens bekommen haben sollen, offenbar für Aufträge wie die Modernisierung des nationalen Telefonnetzes? Zum Beispiel Anastasios Mantelis, damals Verkehrsminister, der angeblich mehr als 200 000 Euro erhielt und jetzt in Athen vor Gericht steht. Den Namen höre er heute zum ersten Mal, antwortete Pierer bei seiner Vernehmung. Er kenne auch die anderen mutmaßlichen Geldempfänger nicht, und mit dem großen Telefon-Vertrag habe er nichts zu tun gehabt.

Pierers griechischer Anwalt Jiannis Jiannidis bezeichnete die Vorwürfe als falsch und haltlos. Sein Mandant habe mit den ihm angelasteten Taten nichts zu tun. Nach der Vernehmung durfte der frühere Konzernchef wieder abreisen wie schon einige seiner alten Vorstandskollegen und andere Ex-Manager von Siemens, die in Athen vernommen worden waren. Viel hat Pierer in Griechenland nun wohl nicht mehr zu befürchten. Die Justiz hat offenbar nichts gegen ihn in der Hand. Und in Deutschland hat der frühere Siemens-Manager nach einem Bußgeld über 250 000 Euro und fünf Millionen Euro Schadensersatzzahlung an den Konzern längst seine Ruhe.

© SZ vom 17.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: