Schwere Regierungskrise in Athen:Die fünf größten Probleme Griechenlands

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Sparer ziehen Geld von den Banken ab, die Wirtschaft fasst nicht Tritt und politisch steht das Land vor einem Scherbenhaufen. In Griechenland ist die Lage chaotisch. Eine Übersicht über die größten Probleme des Landes.

Die Angst um den Euro ist wieder da. Dabei sollten doch die Brandmauern aus Geld, die die Euro-Staaten zum Schutz der Gemeinschaftswährung errichtet haben, genau das verhindern. Aber Brandschutz gegen Feuer von außen nützt nichts, wenn es innen brennt. Griechenland bekommt das wirtschaftliche und politische Chaos im Land nicht in den Griff. Was sind derzeit die drängendsten Probleme des Landes?

1. Die Wirtschaft fast noch nicht Tritt

In den vergangenen beiden Jahren ist die griechische Wirtschaft ununterbrochen geschrumpft, in den Jahren 2010 und 2011 um rund 15 Prozent. Die Folgen: Die Arbeitslosigkeit ist enorm hoch, jeder vierte Grieche ist derzeit arbeitslos. Zahllose Geschäfte haben mittlerweile dichtgemacht und in den übrigen finden sich kaum Kunden. Da die Preise in der Krise nicht nachgegeben haben, gleichzeitig oft Einkommen ganz ausgefallen oder dramatisch geschrumpft sind, können sich viele einen größeren Einkauf nicht mehr leisten. Hinzu kommt, dass Touristen ausbleiben - viele sind abgeschreckt von Bildern wütender Demonstranten. Normalerweise könnte ein Land in einer solchen Situation die Währung abwerten und damit die eigenen Produkte erheblich billiger machen. Griechenland kann das nicht - es ist an den Euro gefesselt. Im ersten Quartal 2012 legte die griechische Wirtschaft übrigens leicht zu. Allerdings nur im Vergleich zum Vorquartal - auf Jahresbasis ging es mit mehr als sechs Prozent nochmals steil bergab.

2. Die Griechen ziehen das Geld von den Banken ab

In den vergangenen Tagen wurde überraschend unverblümt über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone diskutiert. Selbst der Präsident des deutschen Bankenverbandes, Andreas Schmitz, legt Griechenland einen Austritt aus der Euro-Zone nahe. Dabei könnte ein solcher Schritt die Finanzindustrie verschrecken, andere Schuldenstaaten wie Italien und Spanien könnten das Vertrauen der Anleger verlieren. Nicht nur am Finanzmarkt sorgt ein solches Szenario für erhebliche Unruhe, auch in Griechenland sind die Menschen nervös. Viele heben ihre Ersparnisse ab, aus Furcht, die Euro-Guthaben könnten demnächst wieder in Drachme umgewandelt werden und dann erheblich weniger wert sein. Präsident Karolos Papoulias sprach von einer Stimmung der Angst, die sich zu einer Panik auswachsen könnte. Das ging am Mittwoch aus Protokollen der Verhandlungen hervor, die Papoulias zuletzt mit den Parteichefs über eine Regierungsbildung führte. Demnach haben die griechischen Sparer allein am Montag bis zu 800 Millionen Euro aus den heimischen Banken abgezogen. Seit dem 6. Mai, berichtet die Financial Times, sind es mehr als fünf Milliarden Euro gewesen. Zwar ziehen die Griechen schon seit Monaten kontinuierlich Geld aus den Kreditinstituten ab. Schlangen vor den Bankschaltern in Athen waren bislang aber nicht zu sehen. Es ist gefährlich, wenn viele Sparer gleichzeitig ihr Geld abheben wollen, denn keine Bank der Welt könnte allen Kunden gleichzeitig ihre Guthaben auszahlen. Sollte es tatsächlich in Griechenland zu einem sogenannten Bank run kommen, würden die Kreditinstitute ohne staatliche Hilfe kollabieren. Das würde die griechische Wirtschaft vor nahezu unlösbare Probleme stellen.

3. Hilfszahlungen im Ungewissen

Griechenland hängt am Geldtropf Europa. Doch wann kommt die nächste Hilfszahlung? Vor jeder Überweisung schicken die Geldgeber zunächst die so genannte Troika nach Griechenland, also Vertreter von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank. Die Troika überprüft und diskutiert mit der Regierung, inwieweit sich das Land an die vereinbarten Ziele hält. Doch derzeit gibt es in Griechenland keine funktionierende Regierung - also hat die Troika keinen Gesprächspartner. Die an sich fällige Zahlung droht aufgeschoben zu werden. Allerdings hatte der Euro-Krisenfonds EFSF vor wenigen Tagen trotz der Unsicherheit über die künftige Regierung einen Kredit in Höhe von 4,2 Milliarden Euro ausgezahlt: das erste Geld aus dem nach langem Ringen beschlossenen zweiten Hilfspaket. Griechenland muss bald wieder einen Kredit begleichen, der 5,2 Milliarden Euro umfasst. Die demnach noch fehlende Milliarde benötigt Athen den Angaben des EFSF zufolge nicht vor Juni. Dieses Geld werde "abhängig von den finanziellen Bedürfnissen Griechenlands" überwiesen, schrieb der Fonds. Der EFSF betonte, dass - wie bereits zuvor - die 4,2 Milliarden Euro auf ein separates Konto fließen, das Griechenland allein zur Rückzahlung seiner Schulden nutzen darf. Die Euro-Finanzminister hatten den EFSF im März authorisiert, insgesamt 39,4 Milliarden Euro aus dem zweiten Griechenland-Paket in mehreren Tranchen auszuzahlen.

4. Keine richtige Regierung

Bis zu den Neuwahlen am 17. Juni gibt es in Griechenland eine Interimsregierung. In der von Staatspräsident Papoulias einberufenen Sitzung haben sich die Parteichefs auf eine Person geeinigt. Der höchste Richter des griechischen Verwaltungsgerichtshofes, Panagiotis Pikramenos, soll die Behelfsregierung führen, meldet das griechische Staatsfernsehen. Solange die Interimsregierung amtiert, ist Griechenland politisch lahmgelegt. Die am 6. Mai gewählten Abgeordneten werden am Donnerstag zwar vereidigt, doch das Parlament wird anschließend wieder aufgelöst. Binnen 30 Tagen müssen dann Neuwahlen stattfinden. Die Interimsregierung hat bis dahin lediglich den Auftrag, die Wahlen vorzubereiten und den Verwaltungsapparat am Laufen zu halten.

5. Ungewisse politische Aussichten

Griechenland benötigt eine neue arbeitsfähige Regierung, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als könnten Neuwahlen eine solche hervorbringen. Beobachter gehen davon aus, dass radikale und extreme Parteien weiter erstarken. Laut aktuellen Umfragen liegt die linksradikale Syriza ganz vorn. Sie würde im Parlament besonders einflussreich, weil die Gewinnerpartei in Griechenland zusätzliche 50 Sitze bekommt. Parteichef Alexis Tsipras will das Sparprogramm des Landes auf Eis legen. Das stellt jedoch die weiteren Hilfszahlungen in Frage, der Staatsbankrott rückt in greifbahre Nähe. Wollen die großen Parteien Nea Dimokratia und Pasok die Wahlen für sich entscheiden, müssen sie sich zusammentun. Entsprechende Signale sandte Antonis Samaras, der Chef der Konservativen, bereits. Er kündigte eine "proeuropäische Front" an: "Es geht bei den nächsten Wahlen um unseren Verbleib im Euroland." Bei der Parlamentswahl am 6. Mai erhielten die beiden Regierungsparteien gerade nur 149 der 300 Parlamentssitze - trotz des Gewinnerbonus.

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