Reden wir über Geld mit der Hebamme Livia Görner:"Was um die Geburt an Ideologie betrieben wird, ist verrückt"

Hebamme Livia Görner im SZ-Hochhaus

Geburtshilfe lohne sich nicht mehr, der Berufsstand sei kaputt, sagt die Hebamme Livia Görner

(Foto: Florian Peljak)

Einfach so ein Kind bekommen, schaffen viele nicht mehr, sagt Hebamme Livia Görner. Die Eltern hätten zu viel Angst, etwas falsch zu machen.

Von Stephan Radomsky und Hannah Wilhelm

Livia Görner tagsüber zu erreichen, kann ziemlich schwierig sein. Meist ist sie im Einsatz bei werdenden oder gewordenen Müttern, oder sie telefoniert gerade mit ihnen. Görner kümmert sich in Hamburg um die Vor- und Nachsorge und ist dabei mit vielen verunsicherten Eltern konfrontiert: "Die Menschen haben zu große Angst, etwas falsch zu machen."

"Was um die Geburt an Ideologie betrieben wird, ist verrückt", sagt Görner. Werdende Eltern konsumierten, was Werbung und vermeintliche Experten predigten. Das brauche ein Baby alles nicht. "Es braucht viel körperliche Nähe, es möchte geliebt und gekuschelt werden, außerdem will es satt und sauber sein. Fertig."

Die Versicherung sei zu teuer, Geburtshilfe lohne sich schlicht nicht mehr

Görner ist Hebamme, seit mehr als drei Jahrzehnten. Geburten begleitet sie aber nicht mehr: "Ich war 20 Jahre meines Lebens in Rufbereitschaft, Tag und Nacht. Das genügt", sagt sie im SZ-Interview. Zugleich lohne sich die Geburtshilfe schlicht auch nicht mehr, die nötige Versicherung würde Görner an die 8000 Euro im Jahr kosten. "Dabei bringt eine Geburt im Krankenhaus einer Beleghebamme gerade mal gut 270 Euro ein. Das ist schon bitter."

Ihr erstes Kind bekam sie mit 18, ihr zweites mit 22. Damals in der DDR sei das kein Problem gewesen: "Kindergartenplätze gab es genug, und mein Mann und die Familie haben viel übernommen." In Westdeutschland wäre das dagegen nicht möglich gewesen. "Da war bei den meisten völlig klar, dass die Mutter mit dem Kind erst mal daheim bleibt." Vor allem deshalb hält sie das Elterngeld für "eine der besten Erfindungen der letzten Jahre in Deutschland". Seitdem hätten Familien viel mehr Ruhe, sich zu orientieren - und die Frauen könnten anschließend leichter den Wiedereinstieg in den Beruf finden.

Auch dabei will sie die Hebamme beraten, ihnen helfen. Sie hat sich dafür extra schulen lassen. Frauen dürften sich keine Illusionen machen, dass sie nach Jahren wieder einfach so in den Job einsteigen oder gar mit einer halben Stelle einen Chefposten übernehmen könnten, sagt Görner. Insgesamt gebe es die größten Probleme deshalb heute auch nicht mehr zwischen Männern und Frauen, der Konflikt verlaufe inzwischen zwischen Eltern und Kinderlosen. "Das ist ein Machtkampf: Da geht es ums Geld, um Karrieren, Status."

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