Netzpolitik:Digitales: gut

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Fabrik ohne Menschen: Diese Sorge haben viele, wenn es um die Digitalisierung geht. (Foto: Kai-Uwe Knoth/ap)

Kritik war gestern: Die Wirtschaft und ihr IT-Verband geben der Bundesregierung für ihre Internet-Politik erstaunlich positive Noten. Aber: Es ist noch viel zu tun.

Von Guido Bohsem, Berlin

Im August des vergangenen Jahres saß Thomas de Maizière (CDU) vor der Bundespressekonferenz und referierte über den kleinen Häwelmann. Wenn es um die digitale Agenda gehe, so erinnere ihn die deutsche Wirtschaft an die von Theodor Strom geschaffene Märchenfigur, sagte der Innenminister. Genauso wie dem kleinen Häwelmann könne man der Wirtschaft bieten, was man wolle. Sie schreie immer nur: "Nein, mehr, mehr!".

Der Minister dürfte sich deshalb knapp ein Jahr später über das erste Urteilwundern, die der IT-Branchenverband Bitkom über die Digitale Agenda fällt. "Die Bilanz fällt besser aus als die Stimmung in den Unternehmen", sagte Bitkom-Präsident Thorsten Dirks. Viele wichtige Aufgaben seien energisch vorangetrieben worden. Von den 121 angesprochenen Themen habe die Regierung bereits 36 umgesetzt und bei weiteren 60 habe die Arbeit begonnen. Bei etwa 25 Projekten sei allerdings noch gar nichts passiert.

Man müsse bedenken, dass die Themen bei weitem nicht alle von gleicher großer Bedeutung für die Wirtschaft seien, sagte Dirks. So seien die terrestrischen TV-Frequenzen versteigert worden, um damit den Ausbau der schnellen Breitband-Verbindungen für das Internet voranzutreiben. Das sei deutlich wichtiger als die geplanten App zur einheitlichen Behördenrufnummer "115", die noch nicht umgesetzt worden sei.

Damit kommt die Regierung den zentralen Wünschen der Wirtschaft offenbar entgegen. Nach einer Umfrage des Verbandes unter 200 Mitgliedsunternehmen bezeichneten knapp 49 Prozent das Thema Breitbandausbau als wichtigsten Schwerpunkt. Wobei sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen dafür aussprachen. Große Sorgen macht den Firmen aber auch der Fachkräftemangel, wo nach Aussagen des Bitkom-Chefs zu wenig geschieht. Weil in Deutschland die Länder für die Schul- und Ausbildungspolitik zuständig seien, gebe es große Zuständigkeitsfragen. "Hier klafft in der Digitalen Agenda an zentraler Stelle eine Lücke", sagte Dirks.

Es falle zudem auf, dass die Gesellschaft für die Anforderungen der digitale Transformation des Landes noch nicht bereit sei. Es sei an der Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob der Ansatz der Datensparsamkeit noch der richtige sei. "In Zeiten, in denen nahezu alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft digitalisiert werden, muss dieses Konzept überdacht werden." Viele junge Unternehmen beispielsweise aus dem Bereich digitale Gesundheit hätten deshalb das Land und Europa in Richtung USA verlassen. Falle nun auch die europäische Datenschutzrichtlinie so restriktiv aus wie geplant, würden neue Geschäftsmodelle sogar weiter erschwert oder komplett verhindert.

Dirks plädierte dafür, den Datenschutz mit anderen Werten und Rechten wie zum Beispiel dem Recht auf körperliche Unversehrtheit oder Informationsfreiheit abzuwägen. Hier hätte es durch das erst vor kurzem beschlossene E-Health-Gesetz zwar deutliche Verbesserungen für die Patienten gegeben. Diese reichten aber noch lange nicht aus, denn die Digitalisierung der Gesundheit werde schnell voranschreiten.

Er könne verstehen, dass die Bundesbürger skeptisch seien angesichts der Ausspähungen durch den amerikanischen Nachrichtendienst NSA und den immer wieder auftauchenden Meldungen über gehackte Datenbanken, sagt Dirks. Dieser Skepsis müsse die Industrie mit einer Transparenz-Strategie entgegenwirken. Man müsse die Nutzer darüber sehr offen darüber unterrichten, wo die erfassten Daten gespeichert und wie sie verwendet würden.

Absolute Daten-Sicherheit wird es nach Worten des Bitkom-Präsidenten indes auch in Zukunft nicht geben. "Sie können ja auch keine Einbrüche verhindern", sagte er. Genauso werde es immer wieder Versuche geben, in Datenbanken einzubrechen.

Beim Thema Bildung müssten sich die Schulen und Berufsschulen schnell auf die Anforderungen der digitalen Welt einstellen, sagte Dirks. Das müsse sich zum einen an der Ausstattung der Schulen zeigen, aber auch an den Lehrplänen. So sei es beispielsweise aus Sicht seines Verbandes zwingend notwendig, Englisch schon ab der ersten Klasse anzubieten. Zudem müssten die Schüler kompetenter werden, was die Nutzung der neuen Medien angehe.

Doch auch das System der dualen Ausbildung müsse überdacht werden, sagte der Bitkom-Präsident. Künftig werde der Elektriker nicht nur den Strom im Neubau verlegen, er sei dann auch für den digitalen Ausbau zuständen - also zum Beispiel dafür, dass die Haushaltsgeräte miteinander kommunizieren könnten. Hier reiche es die dreijährige Fachausbildung zu Lehrzeiten nicht mehr aus. Es komme darauf an, dass Unternehmen und Arbeitnehmer sich darauf einstellten, dass lebenslange Fortbildung und Lernen zwingend notwendig seien.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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