Nahaufnahme:Erfinder in der Wolke

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"Stellen Sie sich vor, Ihr Wecker klingelt eine Stunde früher als sonst. Sensoren im Bett haben festgestellt, dass Sie Herzprobleme haben." Pat Gelsinger. (Foto: Manjunath Kiran/AFP)

Pat Gelsinger, Leiter der Firma Vmware, will die Cloud erobern. Einfach gesagt - er muss mit Konzernen wie Google und Amazon mithalten.

Von Helmut Martin-Jung

Pat Gelsinger erscheint zu spät zum vereinbarten Termin am Flughafen, und muss dafür früher weg. Als er nach wiederholtem Drängen seiner Helfer aufspringt und davoneilt zum Flugzeug, bleibt trotzdem das Gefühl, alles Wichtige sei gesagt. Gelsinger, 54, drahtig und agil, kommt schnell auf den Punkt; er weiß genau, was er will. Die Firma Vmware, die er seit 2012 führt, früher ein Technologie-Anbieter im Hintergrund, baut er aus zu einem Unternehmen, das mitspielen möchte im Konzert der großen Cloud-Anbieter.

Cloud-Computing, also Daten in Rechenzentren zu horten, Auswertungen und Berechnungen zu fahren und die Endgeräte mehr oder weniger bloß noch zum Abrufen der Ergebnisse zu nutzen, das ist einer der großen Trends der IT-Welt. Das ist, wie Gelsinger das sieht, "die nächste Ära des Rechnens mit dem Computer". Weil die Cloud Rechenleistung auf Abruf zur Verfügung stellt, aber nur bezahlt wird, was die Kunden auch nutzen, könnten diese alte Geschäftsmodelle über Nacht infrage stellen, so wie Uber oder Whatsapp die der Taxi- und der Mobilfunkbranche.

Doch so sehr sich dieser Trend schon auswirkt: "Wir stehen alle noch am Anfang", sagt Gelsinger, "nur um das mal in eine Relation zu setzen: Die Firmen speichern noch immer 95 Prozent der Daten auf ihren eigenen Computern." Viel wird gesprochen über die vernetzte Welt, eine Welt, in der alle Daten in der Cloud abgelegt werden, alles mit allem verbunden wird. Wie aber sähe sie konkret aus, diese Welt? Gelsinger hat dazu viele Ideen: "Stellen Sie sich vor, Ihr Wecker klingelt eine Stunde früher als sonst. Sensoren im Bett haben nämlich festgestellt, dass Sie Herzprobleme haben. Es wurde deshalb schon ein Termin beim Kardiologen vereinbart - es wird sich das Leben aller in jeder Hinsicht ändern", zeigt er sich sicher. Selbstfahrende Autos könnten Pakete mitausliefern, das ganze Medizinwissen lasse sich abfragen. Aber noch sei ja allenfalls ein Drittel der Welt ausreichend vernetzt, "und wir berühren nur ein wenig den geschäftlichen Bereich", sagt Gelsinger, "dazu gibt es ein paar soziale Anwendungen für Privatleute." Schon bald aber werde eine regelrechte Datenwelle entstehen - "die Menge der Daten wächst doppelt so schnell wie die Rechenleistung, der Ausbau der Netze aber nur halb so schnell."

Gelsinger hat eine lange Vergangenheit bei Intel, 30 Jahre arbeitete er bei dem Chiphersteller, war der erste Chief Technical Officer. Er hält sogar eine Reihe von Patenten, zum Beispiel dazu, wie man mehr und immer mehr Transistoren auf einen Silizium-Chip quetscht. Er hat damit quasi selbst die Grundlagen gelegt für das, was er jetzt als Chef von Vmware macht: "Wenn man den schnellsten Supercomputer bauen wollte, würde das 500 Millionen Dollar kosten", sagt er, "aber heute können Sie eine solche Leistung mieten."

Früher hatte Vmware ausschließlich Programme hergestellt, die vor allem Systemadministratoren kannten und nutzten, sogenannte Virtualisierungssoftware. Auf einem physischen Rechner etwa in einem Rechenzentrum können zum Beispiel mehrere virtuelle Server eingerichtet werden, die sich die vorhandenen Ressourcen wie Prozessor, Hauptspeicher und Festplatte teilen. Oder andersherum: Braucht ein Kunde überraschend mehr Rechenleistung, dann kümmert sich die Software darum, dass viele physische Computer sich die Last teilen.

Die intelligente Technologie ist längst Standard in Rechenzentren und Vmware der unangefochtene Marktführer. In Sachen Cloud muss Vmware dagegen gegen die Großen ankämpfen, gegen Amazon, Microsoft, Google und wie sie alle heißen. Wie man das macht? Gelsinger: "Furchtlos Neues erfinden."

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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