Nach der Schlecker-Insolvenz:Bis die Regale leer sind

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Alles muss raus. In den rund 3000 Schlecker-Filialen hat der Ausverkauf begonnen. 500 bis 700 Millionen Euro sollen so noch eingenommen werden. Derweil gerät auch das Familienvermögen ins Visier der Insolvenzprüfer.

Max Hägler, Stuttgart

Das mit dem Rabatt funktioniert: "Ab sofort 30 Prozent auf alles" klebt am Schaufenster. So viele Kunden wie am Freitag waren in dem Schlecker-Markt im Stuttgarter Westen selten gesichtet worden: Einmal um das Regal herum stehen die Leute in der Kassenschlange. Zwei junge Sanitärarbeiter im Blaumann, ältere Damen, Mütter mit Kindern. Wer keinen Einkaufskorb bekommen hat, umklammert mit den Armen Klopapier, Deodorants, Schokolade und was es sonst noch alles so gibt bei Schlecker. Wobei die Einschränkung durchaus doppelte Bedeutung hat: Noch gibt es Ware in den knapp 3000 Filialen.

An diesem Freitag hat der Abverkauf begonnen, der ein Ausverkauf ist: Zum Monatsende werden alle Läden zugesperrt. Vorher muss möglichst alles raus, weil der Aufwand für das Verwerten einzelner Produkte zu aufwendig wäre.

Nur die großen, die XL-Märkte, werden bleiben und die kleine Schlecker-Schwester "Ihr Platz", sofern es endlich eine Einigung gibt zwischen dem potenziellen Käufer, der Münchner Dubag-Gruppe, und dem größten Gläubiger des Schlecker-Konzerns, dem Kreditversicherer Euler-Hermes. 224 Millionen Euro fordert die Allianz-Tochter von Anton Schlecker. Und wie alle Gläubiger hofft auch Euler-Hermes, dass die Kassen wenigstens zum Schluss halbwegs voll werden. Der Warenabverkauf, die Veräußerung der XL-Filialen und der "Ihr Platz"-Kette sowie der Verkauf der Auslandsgesellschaften soll insgesamt zwischen 500 und 700 Millionen Euro bringen, hofft Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.

Untreue, Vorenthaltung, Verheimlichung

Weiterhin ist unklar, ob dazu noch Geld aus dem Familienvermögen kommt. In dieser Woche gab es etwa Spekulationen, dass die Kinder das österreichische Schlecker-Zentrallager unter Wert gekauft hätten. In den kommenden zwei Monaten will Geiwitz das alles unter die Lupe nehmen. Zugleich prüft die Staatsanwaltschaft nach SZ-Informationen, ob bei dem einstigen Milliardär Anton Schlecker und seinem Konzern Anhaltspunkte für Untreue, Vorenthaltung von Arbeitsentgelt oder Bankrott vorliegen: Wer in Kenntnis der Insolvenz Vermögenswerte verheimlicht, der macht sich strafbar.

Dieses Insolvenzprüfungsverfahren sei bei Unternehmenspleiten in Baden-Württemberg üblich, heißt es aus der Staatsanwaltschaft Ulm. Allerdings prüfen im Fall Schlecker die kundigsten Experten des Landes, ob Anton Schlecker wirklich Vermögen verheimlicht oder zu Unrecht an die Kinder verschoben hat: Die Ulmer Behörde hat den Fall an die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaft in Stuttgart übertragen. Ein Ergebnis ist noch nicht bekannt.

In der Stuttgarter Schlecker-Filiale ist von diesen Ermittlungen und den wohl kniffligen Verhandlungen um die XL-Märkte nichts zu spüren. "Ich weiß nicht, ob meine Katze das mag, aber ich probier' es einmal aus", sagt eine ältere Dame und greift nach einem Tütchen Katzenfutter zu 27 Cent.

Das Regal ist noch gut gefüllt, ebenso das mit Grablichtern. Windeln gibt es dagegen nicht mehr, und beim Reinigungsmittel sieht es zunehmend schlecht aus: Eine einzelne WC-Ente liegt noch im Regal. Ein junger Mann mit Lederjacke und Sonnenbrille steht am Deo-Ständer, wiegt in der linken Hand Playboy Play Sexy und in der rechten die Variante Play Lovely - um schließlich mit beiden zur Kasse zu gehen.

Umschulung zur Erzieherin? Kein Kommentar

"Das ist schon Leichenfledderei", sagt die freundliche Katzenfutter-Dame. "Danke für ihre langjährige Treue", klebt am Fenster. Die Dame ist eigentlich nie zu Schlecker gegangen. Aber letztlich sei ihr das egal, sie sei Rentnerin, habe wenig Geld. Nur um die Schlecker-Mitarbeiterinnen tue es ihr leid. Zwei kassieren heute im Akkord. Spätestens am 29. Juni sperren sie zu, sofern so lange noch Ware da ist. Danach stehen sie auf der Straße - wie 20.000 andere.

Diese Frauen könnten doch umschulen, so lautet der Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU): von Drogerie-Verkäuferin zur Kindergärtnerin oder Altenpflegerin. Diese Berufe seien nachgefragt - und eine entsprechende Umschulung würde auch die Bundesagentur für Arbeit unterstützen. Fachleute sind davon allerdings nicht wirklich begeistert. Sozialberufe dürften nicht zum "Auffangbecken" werden, warnt etwa Wolfgang Stadler, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt. Die Erziehung von kleinen Kindern und die Pflege eigneten sich "weder für arbeitsmarktpolitische Zwangsmaßnahmen noch dafür, ungelernte Kräfte einzusetzen". Für die Integration und Qualifizierung fachfremder Arbeitskräfte bräuchten die Kitas "durchdachte Konzepte".

Darauf angesprochen, sagt die eine Verkäuferin in Stuttgart gar nichts, deutet nur auf die Schlange mit den Schnäppchenjägern, die zahlen wollen. Wobei die junge Dame im weißen Arbeitskittel wohl Glück hat: Sie ist jung im Schlecker-Vergleich - etwa 30 -, und in der schwäbischen Wirtschaftsmetropole gibt es wohl genügend andere Jobs.

© SZ vom 09.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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