Münzgeld:Deutsche horten "Kupferschmarrn" im Wert von 220 Millionen Euro

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Die tägliche Hosentaschen-Ausbeute, ehe sie ins Marmeladenglas wandert. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • 15 Milliarden Ein- und Zwei-Cent-Münzen im Gesamtwert von etwa 220 Millionen Euro liegen laut Bundesfinanzministerium in Deutschlands Schubladen und Marmeladengläsern.
  • In anderen europäischen Ländern wird deshalb bereits seit Jahren jeder Preis auf fünf Cent gerundet. Offizielles Zahlungsmittel sind die Kleinstmünzen aber trotzdem.
  • Eine Abschaffung könnte nur auf europäischer Ebene beschlossen werden.

Von Harald Freiberger

Die Bundesbürger erleichtern sich gern, das ist im Alltag immer wieder zu beobachten. Wenn sie nach Hause kommen, greifen sie, oft noch bevor sie die Schuhe ausziehen, in die Hosentasche oder den Geldbeutel, suchen Ein- und Zwei-Cent-Münzen heraus und werfen diese in ein bereit stehendes Gefäß. Beliebte Ablageorte sind auch Schubladen, Marmeladengläser oder das Handschuhfach im Auto. Die kleinen Kupfermünzen sind den Deutschen lästig, weil ihr Gewicht im Verhältnis zur Kaufkraft zu hoch ist. Immerhin wiegen 42 Ein-Cent-Münzen so viel wie eine Tafel Schokolade. In Bayern ist dafür deshalb auch der Ausdruck "Kupferschmarrn" gebräuchlich.

Erstmals gibt es nun einen statistischen Beleg für diese Alltagsbeobachtung: Mehr als drei Viertel der in Deutschland ausgegebenen Ein- und Zwei-Cent-Münzen dienen gar nicht als Zahlungsmittel, sondern fristen ein trauriges Dasein: aussortiert und abgelegt. Das geht aus einer Anfrage der Grünen im Bundestag hervor, die das Bundesfinanzministerium beantwortete. Demnach hat die Bundesbank seit Einführung des Euro im Jahr 2002 rund 20 Milliarden Stück der Kleinstmünzen ausgegeben. Davon liegen nach letzten verfügbaren Schätzungen bis zu 80 Prozent herum, gingen verloren oder wurden im Ausland in Umlauf gebracht. Rund 15 Milliarden Münzen im Wert von etwa 220 Millionen Euro werden damit nicht genutzt. Im Durchschnitt hortet jeder Bundesbürger, inklusive Säuglingen, 200 Ein- und Zwei-Cent-Münzen.

In anderen europäischen Ländern wird alles auf fünf Cent gerundet

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer nimmt diese hohen Zahlen zum Anlass, den Sinn der Münzen in Frage zu stellen. Würde man alle ungenutzten Kupferstücke aneinanderreihen, "kann man damit sechs Mal die Erde am Äquator umrunden", sagt er. Die Prägung der Münzen sei eine "große Verschwendung an Metallen und Energie". In der Tat kostet die Herstellung der Ein-Cent-Münze nach früheren Angaben 1,65 Cent, ist also deutlich höher als der Nennwert. Bei der Zwei-Cent-Münze liegen die Kosten knapp darunter.

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Der Grüne Krischer plädiert deshalb für das niederländische Modell: Der Handel habe sich dort entschlossen, die Kleinstmünzen nicht mehr zu nutzen, sondern auf fünf Cent zu runden. Auch Belgien und Irland haben die Rundungsregel eingeführt, dort sind die Kleinstmünzen auf dem Rückzug. In Finnland waren sie noch nie üblich: Die Skandinavier entschlossen sich von Anfang an, auf fünf Cent zu runden.

Ein- und Zwei-Cent-Münzen könnten nur für ganz Europa abgeschafft werden

Es gibt allerdings ein gewichtiges Argument gegen die Abschaffung: Im Einzelhandel sind meist Preise mit acht oder neun Cent am Ende üblich, selten solche mit zwei oder sieben Cent. Im Durchschnitt würde also deutlich mehr auf- als abgerundet. Die Rundungsregel kommt für Verbraucher einer Preiserhöhung gleich.

Auch für das Bundesfinanzministerium, das für die Münzen verantwortlich ist, ist die Sache klar: "Die Stückelung der Euro-Umlaufmünzen ist für den gesamten Euroraum einheitlich geregelt", sagt ein Sprecher. Die Abschaffung einzelner Nominale könnte daher nur auf europäischer Ebene beschlossen werden. Damit blieben die Ein- und Zwei-Cent-Münzen auch in solchen Ländern gesetzliches Zahlungsmittel, die freiwillige Rundungsregeln eingeführt haben. Im deutschen Finanzministerium gebe es derzeit keine Überlegungen, die Kleinmünzen abzuschaffen oder zur Rundungsregeln einzuführen.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Italien gemacht, das die Ein- und Zwei-Cent-Münzen schon abschaffen wollte. Im Mai dieses Jahres machte eine Kommission der Abgeordnetenkammer in Rom einen Vorstoß, ab 1. Januar 2018 keine Kleinstmüzen mehr zu prägen. Alle Preise sollten auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag gerundet werden. Die Regierung unterstützte ursprünglich den Plan. Doch inzwischen hat sie einen Rückzieher gemacht: Man hat erkannt, dass Italien das gar nicht selbst entscheiden kann, sondern dass es Sache der EU ist. Die Cents bleiben - und werden auch in Italien weiter Schubladen und Handschuhfächer füllen.

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