Mietpreisbremse:Warum ein Landgericht die Mietpreisbremse für verfassungswidrig hält

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In Berlin ist es deutlich günstiger, eine Wohnung zu mieten, als in München - trotzdem gibt es auch hier die Mietpreisbremse. (Foto: dpa)

Zwar bleibt die Einschätzung der Berliner Richter ohne Folgen - es ist jedoch ein weiterer Hieb gegen das einstige Prestigeprojekt der SPD.

Von Wolfgang Janisch

Das Landgericht Berlin hat sich mit einer ebenso überraschenden wie forschen Wortmeldung zur sogenannten Mietpreisbremse geäußert. Die von der großen Koalition beschlossene Regelung, die den Anstieg der Mieten in Ballungsräumen deckeln soll, ist nach Einschätzung der Berliner Richter verfassungswidrig.

Zu diesem Ergebnis ist das Gericht allerdings nicht in einem Urteil gelangt, sondern in einem sogenannten Hinweisbeschluss, wie ihn Gerichte zur Strukturierung des Verfahrens fassen können. Rechtlich bleibt die richterliche Meinungsäußerung aber folgenlos, weil es im Urteil über den konkreten Rechtsstreit auf diese Frage nicht mehr ankam. Ohnehin kann einzig das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für grundgesetzwidrig erklären; das Landgericht hätte den Fall also in Karlsruhe vorlegen müssen.

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Inhaltlich monieren die Berliner Richter, die Mietpreisbremse verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung im Artikel 3 Grundgesetz, weil sie die Vermieter in unterschiedlichen Städten ungleich stark treffe. Die Regelung sei eine "staatliche Preisfestsetzung", orientiere sich aber nicht - wie in solchen Fällen üblich - am Marktpreis oder an den Kosten. Bezugsgröße sei vielmehr die "ortsübliche Vergleichsmiete", die bei Neuvermietungen um höchstens zehn Prozent überschritten werden dürfe. Weil aber diese Vergleichsmiete regional gewaltige Unterschiede aufweise, belaste die Mietpreisbremse die Vermieter in Kommunen mit niedrigen Mieten ungleich stärker.

Das Landgericht nennt als Beispiel mehrere Quadratmetermieten aus dem Jahr 2016, die in Berlin Neuvermietungen für gut 7 Euro, in Stuttgart für 10,70 Euro und in München für deutlich mehr als 12 Euro ermöglicht hätten. Die Kluft zwischen Berlin und München betrage mithin mehr als 70 Prozent - eine "evident ungleiche Belastungswirkung", findet das Gericht.

Die Richter zweifeln zudem daran, dass der sozialpolitische Zweck der Regelung - bezahlbarer Wohnraum auch in angespannten Wohnungsmärkten - einen solchen Eingriff in die freie Preisbildung rechtfertige. Der deutlich geringere Mietpreis beispielsweise in Berlin rechtfertigt es aus Sicht der Richter nicht, die dortigen Vermieter ebenso in Anlehnung an die Vergleichsmiete zu deckeln wie etwa in München - weil der Zweck, die Wohnungen bezahlbar zu halten, dort deutlich weniger virulent sei als in München. Die Richter vermissen eine Erhebung der relevanten Einkommensdaten, um die Interessenlage der Mieter deutlich zu machen.

Das Landgericht moniert auch einen zweiten Punkt: Hohe Mieten genießen bei der Neuvermietung einen Bestandsschutz. Dies führe dazu, dass Vermieter, die bisher eher moderate Preise genommen hätten, benachteiligt würden. Auch dies ist aus Sicht des Landgerichts nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Die Richter bringen hier einen "Gerechtigkeitsgedanken" ins Spiel. Wer die am Markt erzielbare Miete maximal ausgeschöpft und damit ungleich höher dazu beigetragen habe, dass Wohnraum für Geringverdiener knapp werde, der werde durch diesen Bestandsschutz, den die Mietpreisbremse vorsehe, gegenüber anderen erheblich begünstigt.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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