Mercedes: C-Klasse:Ein Stern für die USA

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Auch wenn Daimler-Chef Zetsche Bekenntnisse ablegt: Mit der Verlagerung der C-Klasse riskiert er einen Vertrauensverlust - wie schon seine Vorgänger.

Carsten Matthäus

Marc Binder und Thomas Fröhlich haben alles gegeben. Die beiden Herren aus der Presseabteilung von Daimler haben ihre Phrasendreschmaschinen unter Volldampf gesetzt. In der Pressemitteilung werden Wachstumschancen erhöht, die Profitabilität wird optimiert, Werke werden gestärkt und natürlich wird auch die Beschäftigung nachhaltig gesichert. Als Sahnehäubchen in dem Pressemitteilungsgeschwurbel steht das Zitat von Konzernboss Dieter Zetsche: "Der Standort Deutschland ist und bleibt das Herz unseres Produktionsverbundes."

Auf Konfrontationskurs mit der Belegschaft in Sindelfingen: Daimler-Chef Dieter Zetsche (Foto: Daimler, Mercedes, Zetsche, ddp)

Man wird sich die Hand geschüttelt haben ob des gemeinsamen Erfolges, wieder einmal eine unschöne Nachricht so verklausuliert zu haben, dass sie doch irgendwie toll klingt.

Eingedampft auf die Fakten würde die Pressemitteilung etwa so lauten: Weil Sindelfingen teuer ist und in Europa nicht mehr so viele C-Klasse-Wagen verkauft werden, geht ein Teil der C-Klasse-Produktion in die USA. Dort ist die Produktion billiger und der Markt wächst stärker. Wir werden deshalb aber keinen Mitarbeiter in Deutschland auf die Straße setzen.

"Zockerunternehmen"

Die Mercedes-Mitarbeiter in Sindelfingen haben im Gegensatz zur Unternehmensleitung sehr klar gesprochen: "C-Klasse rein, Formel 1 raus". Sie haben die Produktion im Werk zeitweise lahmgelegt. Betriebsratschef Erich Klemm sagte, er lasse sich von den Chefs nicht erpressen und warnte davor, dass Mercedes ein "Zockerunternehmen" wird.

Auch wenn beide Sprechweisen nicht so ganz ernst zu nehmen sind, so offenbaren sie einen Konflikt, der bei Daimler immer wieder aufbricht. Die Konzernleitung will das Unternehmen breiter und internationaler aufstellen, darf dabei aber den urdeutschen Markenkern nicht gefährden. Zetsches Vorgänger Edzard Reuter und Jürgen Schrempp sind mit ihren Unterfangen grandios gescheitert, einen "integrierten Technologiekonzern" (Reuter) zu schmieden oder durch die "Hochzeit im Himmel" mit Chrysler eine "Welt-AG" (Schrempp) zu steuern.

Zetsche selbst hat den guten Stern von Mercedes wieder zurechtgerückt, als er 2006 die Chefbüros vom berühmten "Bullshit Castle", der ehemaligen Konzernzentrale in Stuttgart-Möhrigen, in das Mercedes-Stammwerk in Untertürkheim umziehen ließ. Das war vor allem für die deutschen Mitarbeiter eine symbolische Handlung. Motto: "Mercedes kommt wieder heim."

Sehr ordentlich, etwas luxuriös

Selbst wenn in Sindelfingen niemand seinen Job verliert, so ist die Verlagerung der C-Klasse eine ähnlich symbolische Handlung - nur eben in die entgegengesetzte Richtung. Hatte Zetsche zuvor noch in Interviews die überragende Qualität der Produktion in Sindelfingen gelobt, so nimmt er dem Werk mit dem Abzug der C-Klasse-Produktion nun den Kern.

Die früher auch liebevoll "Baby-Benz" genannte C-Klasse steht für die meistverkaufte Daimler-Baureihe. Und nicht nur das: Es ist der Benz, der auch für "normale" Leute noch erschwinglich ist, ein erreichbares Ziel für fleißige Angestellte, eine Stil-Ikone deutscher Wertvorstellungen: sehr ordentlich, etwas luxuriös, keinesfalls übertrieben. Gut möglich, dass viele Sindelfinger zukünftig nicht mehr stolz sind, genau dieses Auto zu fahren.

Es war überdies keine gute Idee, die Verlagerung der C-Klasse-Produktion vor allem mit Kostenüberlegungen und Wachstumsmärkten außerhalb Europas zu begründen. So richtig das aus Managementsicht sein mag, so wenig haben die Betroffenen in Sindelfingen davon. Sie können auf lange Sicht kostenmäßig nicht mit US-Amerikanern und schon gar nicht mit Chinesen konkurrieren und sie können keinen Wachstumssmarkt in Deutschland herzaubern.

Gerade deshalb brauchen sie eine klare Perspektive, was genau ihre Rolle im weltweiten Produktionsverbund sein soll. Hier aber ist in der Pressemitteilung nur davon die Rede, dass Sindelfingen als "zentraler Technologie- und Forschungsstandort" gestärkt werden soll. Gleichzeitig wird massiv in den Formel-1-Rennstall Brawn GP und dessen Motorenentwicklung investiert. Solche Pressemeldungen erhöhen die Verunsicherung in Sindelfingen zusätzlich. Konzernchef Zetsche und seine Presseleute werden sich bemühen müssen, hier schnell klare Signale zu senden. Wolkige Herzenswünsche werden selbst in der Weihnachtszeit nicht reichen.

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