Maut-Pläne:Lkws sollen auf allen Bundesstraßen Maut zahlen

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Lkws stehen wegen einer Sperrung der B 12 auf der Ausweichstrecke bei Ebersberg im Stau. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)
  • Ein Gesetzentwurf aus dem Verkehrsministerium sieht vor, dass für Lkws künftig alle Bundesstraßen mautpflichtig werden.
  • Verkehrsströme könnten so besser gelenkt werden. Kommt das Vorhaben durch, winken dem Bund Mehreinnahmen von zwei Milliarden Euro im Jahr.

Von Markus Balser, Berlin

Jahrelang machten die Bewohner der B 25 im fränkischen Dinkelsbühl nachts kaum ein Auge zu. "Maut-Flüchtlinge" schimpften sie die Lastwagen, die vor gut zehn Jahren begannen, in immer kürzeren Abständen durch die mittelfränkische Kreisstadt zu donnern. Dabei haben viele der Lkws auf der B 25 eigentlich nichts zu suchen. Sie wollten sich nur die Maut von jetzt 16 Cent je Kilometer sparen, die auf der nicht weit entfernten Autobahn A 7 seit Einführung der Lkw-Maut 2005 fällig wird. Die B 25 kostete dagegen nichts.

Wie Dinkelsbühl geht es vielen Gemeinden in Deutschland. Täglich fahren Tausende Laster Abkürzungen jenseits von Autobahnen und vierspurigen Bundesstraßen, um ein paar Euro Maut zu sparen. Was die Bundesregierung an diesem Mittwoch beschließen will, dürfte deshalb vielerorts für Erleichterung sorgen. Denn ein neuer Gesetzentwurf von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht vor, dass die Lkw-Maut ab Mitte 2018 auf alle Bundesstraßen ausgedehnt wird.

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Es geht bei den Plänen um ein technisches Großprojekt, um Verkehrspolitik - aber vor allem um viel Geld. Bislang müssen Lkws in Deutschland auf 12 800 Kilometer Autobahn und auf 2300 Kilometer autobahnähnlichen Bundesstraßen Maut zahlen. Segnet die Regierung den Entwurf an diesem Mittwoch ab, sollen fast 40 000 weitere Kilometer Bundesstraßen hinzukommen. Man wolle die "Finanzierung der Bundesfernstraßen verbessern", heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es trägt den sperrigen Titel "Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes".

Täglich fahren Tausende Laster Abkürzungen oder Umwege

Verkehrsminister Dobrindt hofft damit nicht nur auf eine bessere Steuerung der Verkehrsströme in Deutschland - Lkws sollen wieder die Autobahnen nutzen, wo das möglich ist. Sie sollen auch für die Fernstraßen zahlen, die sie nutzen, und Geld in die Kassen der Regierung spülen. "Die jährlichen Mehreinnahmen ab 2018 werden auf bis zu zwei Milliarden Euro geschätzt", heißt es in der Kabinettsvorlage weiter. Denn laut Ministerium werden durch die Ausweitung der Mautpflicht zusätzlich 130 000 Fahrzeuge mautpflichtig.

Lange war zwischen den Parteien umstritten, ob die Lkw-Maut wirklich ausgedehnt werden soll. Mit der Einigung zwischen Ministerien und Fraktionen gehen monatelange Debatten innerhalb der großen Koalition zu Ende. Die SPD hatte dies gefordert, um mehr Geld in den Straßenbau stecken zu können. Teile der Union waren mit Rücksicht auf betroffene Unternehmen strikt dagegen. Doch der Druck wächst. Denn nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums befinden sich derzeit allein 2550 Brückenabschnitte in einem mangelhaften oder gar ungenügenden Zustand und müssen dringend saniert werden.

Engpässe führten im vergangenen Jahr in Deutschland zu einem neuen Staurekord. Und die Prognosen lassen für die kommenden Jahre noch mehr Verkehr auf deutschen Straßen erwarten. Der Personenverkehr soll bis 2030 um 15 Prozent, der Güterverkehr sogar um 40 Prozent zunehmen. Auch der Bundesrechnungshof hatte die Regierung deshalb zuletzt aufgefordert, mehr Geld gegen den Verfall der Straßen aufzuwenden.

Die Politik hofft auch mithilfe der Maut auf eine Wende. "Mit den zusätzlichen Einnahmen können wir mehr in den Erhalt der Brücken und die Beseitigung von Staustellen investieren", sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. "Ich erwarte nun vom Bundesverkehrsministerium, dass es zügig die technischen Voraussetzung für eine pünktliche Ausdehnung der Lkw-Maut ab 2018 schafft."

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Der Gesetzentwurf dürfte jedoch auch für neue Debatten sorgen. Auf Drängen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wurde eine Passage aufgenommen, die die Wirtschaft lange bekämpft hat. Bis Ende 2017 soll demnach geprüft werden, ob die Lkw-Maut auch auf kleine Laster ab 3,5 Tonnen ausgedehnt werden kann. Bisher gilt sie nur für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen. Vor allem Handwerksverbände hatten sich gegen drohende Zusatzkosten für ihre Mitglieder heftig gewehrt. Und auch eine Maut für die neue Fernbusbranche schließt der Prüfauftrag mit ein. Die Branche bekämpft die Maut-Pläne der Politik ebenfalls vehement.

Die SPD stemmt sich gegen die Einbeziehung kleiner Laster

Verkehrspolitiker der SPD machten am Dienstag deutlich, dass sie eine weitere Ausdehnung auf neue Fahrzeuge kritisch sehen. "Klar ist, dass es mit der SPD keine Handwerkermaut geben wird", kündigte Bartol an. Das Ende des Prüfauftrags ist allerdings mit Bedacht gewählt: Erst nach der Bundestagswahl im Herbst des kommenden Jahres dürfte das Ergebnis vorliegen - der Streit um die Maut also erst nach dem Wahlkampf erneut eskalieren.

Das Bundesverkehrsministerium hatte im März neue Rekordinvestitionen in Deutschlands Straßen in Aussicht gestellt. Der Bundesverkehrswegeplan - eine Art Masterplan für den Straßenbau - sieht Ausgaben von 260 Milliarden Euro bis 2030 vor. Nur ein Teil davon ist jedoch bislang gegenfinanziert. In Dinkelsbühl schläft man derweil ohnehin ruhiger. Die Bürger wollten nicht auf die Mautpläne der Politik warten. Sie verbannten den Schwerlastverkehr einfach kurzerhand aus ihrem Ort.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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