Mächtige Wohltäter:Gutes tun mit Kosten-Nutzen-Analyse

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Konkrete Zahlen, sichtbare Ergebnisse: das ist es, was Philanthropen wie Bill Gates wollen. (Foto: AFP)
  • Philantropen wie Bill Gates und Mark Zuckerberg lassen sich beim Spenden nicht nur von der Nächstenliebe leiten, sondern auch von Kosten-Nutzen-Analysen.
  • Auch in Deutschland gibt es Dienstleister, die Organisationen in ihrem Spendeverhalten optimieren.
  • Viele Experten glauben, dass mehr Effektivität dem Hilfssektor tendenziell guttut.

Von Christoph Gurk

Ende des Jahres gibt es viel zu tun in Amerika. Noch vor Weihnachten und Neujahr kommt Thanksgiving, Familientreffen und Truthahnessen also, einen Tag später dann der "Black Friday", dicht gefolgt vom "Cyber Monday", zwei Tage, an denen Rabattaktionen zuerst offline, und dann online Kunden in den Shopping-Wahn treiben.

Seit ein paar Jahren schließt sich nun noch ein weiterer Motto-Tag an diese Reihe an: Der "Giving Tuesday", dieses Jahr gefeiert am 28. November. Nach Essens- und Shopping-Exzessen sollen Menschen auch an andere denken - und spenden. Die Idee kommt gut an, allein am diesjährigen Giving Tuesday sollen die Amerikaner über 60 Millionen Dollar gegeben haben. Insofern ist es nur logisch, dass Organisationen versuchen, den Giving Tuesday auch in Deutschland zu etablieren. Gleichzeitig ist er aber auch ein weiteres Beispiel für eine Revolution des Gebens, angezettelt von superreichen Philanthropen aus den USA, die inzwischen bis nach Deutschland strahlt.

Denn der Giving Tuesday geht auf eine Initiative von Ted Turner zurück, CNN-Gründer und Multimilliardär. Turner wiederum ist Teil der "Giving Pledge"-Initiative, bei der sich 160 Milliardäre verpflichtet haben, einen Großteil ihres Vermögens zu spenden. Gemeinsam haben sie ein Vermögen von mehreren Hundert Milliarden Dollar. Gemeinsam wollen sie mit diesem Geld Armut, Hunger und Leid beenden.

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Zweiter Boom der Philanthropie

Historisch gesehen ist solches Engagement von reichen Wohltätern nichts Neues, sagt Georg von Schnurbein, Direktor des Center for Philanthropy Studies der Universität Basel. Schon einmal, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, hatte allgemeiner Wohlstand in den USA genauso wie in Europa zu einem Boom der Philanthropie geführt. "Heute erleben wir einen zweiten Boom in diesem Sektor - und daran müssen wir uns jetzt eben erst wieder gewöhnen".

Denn tatsächlich gibt es grundlegende Unterschiede zwischen einstigen und heutigen Philanthropen. Bill Gates und Mark Zuckerberg wollen die Welt nicht nur schöner oder besser machen, sie wollen sie verändern. Bei ihren Spenden lassen sie sich nicht nur nach den Prinzipien der Nächstenliebe leiten, sondern von Kosten-Nutzen-Analysen. "Bill und Melinda Gates haben klare Ziele, die sie erreichen wollen und sie konzentrieren sich darum auf bestimmte Bereiche", sagt Schnurbein.

Einer davon ist zum Beispiel die globale Impfkampagne Gavi. Neun Millionen Menschenleben konnten so schon gerettet werden, steht auf der Homepage der Initiative. Konkrete Zahlen, sichtbare Ergebnisse: Genau das ist es, was die Philanthropen wollen. "Die Diskussion über den Nutzen von Organisationen verlagert sich weg von der Frage nach Verwaltungskosten und hin zu der Betrachtung von tatsächlicher Wirkung", sagt Schnurbein.

Längst gibt es dafür spezielle Berater, die Organisationen auf genau diese Wirkung hin prüfen, in den USA, aber eben auch in Deutschland. Seit 2010 hat Phineo seinen Sitz in Berlin. "Wir untersuchen, wie wirkungsorientiert eine Organisation vorgeht und handelt", sagt Phineo-Sprecherin Wiebke Gülcibuk. Dazu haben die Berater ein eigenes Verfahren entwickelt, es beginnt mit der Selbstauskunft einer Organisation, im nächsten Schritt durchleuchtet Phineo Satzung, Jahresberichte und Finanzinformationen und schickt Analysten direkt zur Organisation.

Mit den Ergebnissen berät Phineo zum Beispiel Susanne Klatten. Anders als ihr Vater will die BMW-Erbin nicht einfach nur für diffuse Völkerverständigung spenden, sie möchte vor allem auch greifbare Ergebnisse. Ein Großteil der Projekte falle bei der Phineo-Prüfung durch, sagt Gülcibuk, nur ein Viertel komme mit dem "Wirkt!"-Siegel auf die Seite von Phineo, dort aber dann kostenlos einsehbar für jeden, inklusive einer Fünf-Sterne-Bewertung wie man sie sonst nur von Internet-Versandhäusern kennt. "Wer sich einen Staubsauger für 150 Euro kauft, der liest sich vorher Bewertungen durch", sagt Gülcibuk. "Warum sollte das bei Spenden anders sein?"

Tatsächlich sind sich auch die meisten Experten darüber einig, dass mehr Effektivität dem Hilfssektor tendenziell guttut. "Es wird dabei aber immer so getan, als ob vollkommen klar wäre, was richtig und falsch ist", sagt Frank Adloff, der an der Uni Hamburg zu Zivilgesellschaft forscht. So werde darüber debattiert, mit welchen Maßnahmen Spender den weltweiten Kampf gegen Armut am besten unterstützen können, inwieweit die Reichen aber selbst Teil dieses Problems seien, darüber gebe es keine Debatte. "Dazu kommt, dass man langfristige Fragen aus den Augen verliert, weil sie schlechter messbar sind." Probleme werden zwar effektiver gelöst, die Ursachen aber kaum angegangen.

Stiftungen haben enorme Steuervorteile

Und noch einen weiteren Trend beobachtet Adloff: Statt Geld einfach zu spenden, gründen immer mehr Menschen in Deutschland eine Stiftung. 22 000 Stiftungen gibt es heute in Deutschland, alleine 2016 wurden knapp 600 neu angemeldet. Eingesetzt hatte der Boom nach einer Reform des Stiftungsrechts im Jahr 2000. Stiftungen haben seitdem enorme Steuervorteile - und allein 2016 sind dem Staat dadurch gemäß dem Subventionsbericht der Bundesregierung 2,4 Milliarden Euro entgangen. Die Stiftungen geben natürlich der Gesellschaft etwas zurück, was das ist, bestimmen aber meist die Stiftungsgründer selbst. "Die Möglichkeit, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss zu nehmen, ist neben Steuerersparnissen die zweite Motivation der Stiftungsgründer", sagt Adloff.

Letztlich war das genau der Gedanke, der auch in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Stiftungsboom geführt hatte. Heute gibt es dort über 80 000 Stiftungen, auch sie genießen enorme Steuervorteile und mit ihren mehreren Hundert Milliarden Dollar Vermögen dominieren sie, an der Regierung vorbei, weite Teile des Bildungs- und Sozialsektors.

Doch in den USA ist man mittlerweile sogar noch einen Schritt weiter. Die "Chan Zuckerberg Initiative" von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zum Beispiel ist keine Stiftung, sondern eine "Limited Liability Company", in etwa das US-Gegenstück zur GmbH. Zuckerberg kann dadurch auch Lobbyarbeit finanzieren und in profitorientierte Unternehmen investieren. 99 Prozent der Facebook-Aktien von Zuckerberg und seiner Frau Priscilla Chan soll die "Chan Zuckerberg Initiative" einmal bekommen, das hat Zuckerberg vor zwei Jahren verkündet - am Giving Tuesday 2015.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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