Lokführer: Chaos bei der Bahn:Viel Streik - und noch mehr Fragen

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Zwischen den Bahnunternehmen und der Gewerkschaft GDL fliegen die Fetzen. Leidtragende sind die Kunden, auf deren Rücken der Streit ausgetragen wird. Wie geht es nun weiter? Fragen und Antworten rund um den Streik.

Der Tarifstreit um einheitliche Bedingungen für rund 26.000 Lokführer in der Republik entwickelt sich zum zähen Ringen, dessen Folgen vor allem die Bahnkunden zu spüren bekommen. Sie müssen zahlen, warten und erreichen ihre Ziele allenfalls über Umwege.

Es sei "bedauerlich, dass wir nochmals klarziehen müssen, dass wir im Eisenbahnverkehrsmarkt die Lokführer tarifieren und nicht irgendjemand anders", wetterte GDL-Chef Claus Weselsky. Bei der Konkurrenzgewerkschaft EVG heißt es, in der augenblicklichen Auseinandersetzung könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zum Mittel des Arbeitskampfes gegriffen werde, um nicht verhandeln zu müssen. (Foto: dapd)

Beim ersten Lokführerstreik nach der Urabstimmung sind nach Angaben der Gewerkschaft GDL 80 Prozent der Züge ausgefallen oder verspätet gefahren. Im Güterverkehr habe die Ausfall- oder Verspätungsrate bei rund 600 Zügen gelegen.

Fast acht Monate nach dem Start der Gespräche über einen "Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag" ist mit den aktuellen Streiks nun die letzte Eskalationsstufe in einer mächtigen Auseinandersetzung erreicht, in der es um einen einheitlichen Tarifvertrag für alle Lokführer geht. Zu Recht fragen sich die Reisenden: Wie geht es nun weiter?

Warum wird gestreikt - und nicht verhandelt?

Die Deutsche Bahn und ihre sechs großen Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn rufen die Lokführergewerkschaft zu Gesprächen auf. Wichtige Forderungen seien weitgehend erfüllt worden. Doch die GDL sagt, dass das vorliegende Angebot nicht verhandlungsfähig sei.

Was ärgert die GDL am Angebot der Bahn?

Nicht nur, dass es an Bedingungen - wie etwa den Abbruch der Urabstimmung - geknüpft war. Die GDL will ein Angebot für alle Lokführer, weil gerade im Güterverkehr der Wettbewerb weit größer sei als im Nahverkehr. Zusätzlich fordert sie eine klarere Regelung für die soziale Absicherung, für ein einheitliches Mindesteinkommen und für den Wechsel des Betreibers auf einer Strecke. Aus Sicht der Gewerkschaften sind die Abweichungen zu den Forderungen noch zu groß, obwohl die Bahn bereits mehrere Angebote gemacht hat.

Wird es ein Schlichtungsverfahren geben?

Mehrere Personen werden bereits als mögliche Schlichter gehandelt: Der frühere SPD-Politiker Peter Struck etwa oder die frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Margot Käßmann. Doch die GDL will von einer Schlichtung derzeit nichts wissen. Es liege kein "vernünftiges Angebot" vor, wo ein Schlichter helfen könnte, "die letzten Meter zu überwinden". Schlichtung sei nur dann sinnvoll, wenn die Tarifpartner nicht mehr weit auseinanderlägen.

Die beteiligten Bahnen haben die gemeinsamen Gespräche im Rahmen der G-6-Verhandlungsgruppe aufgekündigt. Lässt das eine Einigung in weite Ferne rücken?

Jetzt muss jedes Unternehmen ein eigenes Angebot vorlegen - das dürfte eine Einigung verzögern.

Worauf müssen sich die Bahnkunden einstellen? Werden die Streiks womöglich noch ausgeweitet?

Über ihr weiteres Vorgehen schweigt sich die Gewerkschaft aus. Sie sagt nur zu, dass die Passagiere im Falle von weiteren Streiks - wie bisher - mindestens zwölf Stunden im Voraus gewarnt werden sollen.

Welche Rolle spielt die Gewerkschafts-Rivalität?

Was die GDL 2007/2008 bei der DB in einer erbitterten Tarifschlacht erkämpfte, will sie jetzt auch bei den anderen Bahnen erzwingen: eine eigenständige Verhandlungsmacht - unabhängig von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Es sei "bedauerlich, dass wir nochmals klarziehen müssen, dass wir im Eisenbahnverkehrsmarkt die Lokführer tarifieren und nicht irgendjemand anders", wetterte GDL-Chef Claus Weselsky.

Was sagt die Konkurrenzgewerkschaft EVG dazu?

"Die streikenden Lokführer schließen sich in ihren Führerständen ein oder schicken ein paar Fahnenschwinger auf die Bahnsteige und unsere Kolleginnen und Kollegen müssen das Chaos ausbaden, das da angerichtet wird", entgegnet der EVG-Vorsitzende Alexander Kirch. Er äußert Unverständnis darüber, dass die GDL ihre tarifpolitischen Forderungen nicht am Verhandlungstisch durchzusetzen versuche. "Offensichtlich fehlt es der Führungsspitze an überzeugenden Argumenten für die eigenen Forderungen", machte Kirchner deutlich. "Die GDL hat sich verzockt und kriegt nun keinen Fuß mehr auf den Boden", sagte er. Streik sei bislang das allerletzte Mittel gewesen, mit dem Gewerkschaften sehr verantwortungsbewusst umgehen müssten. In der augenblicklichen Auseinandersetzung könne man sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass zum Mittel des Arbeitskampfes gegriffen werde, um nicht verhandeln zu müssen.

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