Lebensmittel als Energie-Erzeuger:Aus Müll Geld machen

Lesezeit: 3 min

Was für eine Verschwendung: Viele frische Lebensmittel landen im Abfall. Doch manche Entsorger veredeln die Müll-Reste zu Energie - ein lohnendes Geschäft.

Manuel Heckel und Silvia Liebrich

Es sind Schätzungen, die einem den Appetit verderben können: Bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland pro Jahr in der Mülltonne, klagt die Welthungerhilfe.

Vom Müll in die Biogas-Anlage: An weggeworfenen Lebensmittel können Firmen gut verdienen, denn aus dem Abfall wird Energie gewonnen. (Foto: APN)

Neben abgelaufenen Produkten ist darunter auch ein erheblicher Anteil, der ohne Einschränkungen genießbar wäre. Reifes Obst, Joghurt, der kurz vor dem Verfallsdatum steht, und das übrig gebliebene Steak vom letzten Grillabend werden ohne Zögern entsorgt. Forscher der Universität Wien haben ausgerechnet, dass pro Haushalt jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 390 Euro im Müll landen.

In Handel und Gastronomie sieht es ähnlich aus. Bis zu zwei Millionen Tonnen an Lebensmitteln müssen hier pro Jahr entsorgt werden, bestätigt der Bundesverband der Nahrungsmittel und Speiseresteverwertung (BNS).

Die Verschwendung hat System, so produzieren Bäckereien jedes Jahr bis zu 20 Prozent Überschuss, damit die Kunden bis Ladenschluss eine breite Auswahl haben. Was zu viel ist, wird weggeworfen. Kartoffelbauern lassen große Teile ihrer Ernte verrotten, weil die Früchte zu groß oder klein ausfallen und deshalb keine Abnehmer finden. Rechnet man die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln hoch, kommt man allein in Deutschland auf Waren im Wert von 20 Milliarden Euro, die jedes Jahr schlicht in den Abfall geworfen werden.

Lukrative Reste

Von dem was weggeworfen wird, lebt ein ganzer Industriezweig. Die Entsorgung von Lebensmitteln mag zwar ein übelriechendes Geschäft sein - ganz sicher ist sie ein lohnendes.

Was auf welche Art entsorgt werden muss, ist gesetzlich vorgegeben: So gilt alles, was mit Fett, Ei, Milch oder anderen tierischen Produkten auch nur in Berührung kam oder irgendwo zum Verzehr aufgetischt wurde, als Sondermüll. "Wir sammeln überall, vom Imbiss bis zum Fünf-Sterne-Hotelküche", sagt Marcel Derichs von ReFood. Das Unternehmen, das über ein verzweigtes Firmenkonstrukt zum Entsorgungskonzern Rethmann gehört, ist Marktführer bei der Resteentsorgung. 250.000 Tonnen haben die Laster der Firma im vergangenen Jahr abgeholt. Auch in Gefängnissen, Uni-Mensen und Krankenhäuser stehen die Mülltonnen mit dem kunstvollen Namen "Culino" bereit.

Als zweites großes Unternehmen ist Veolia Umweltservices am Markt. Der Konzern sammelte im vergangenen Jahr 75.000 Tonnen Speisereste.Auch einige kommunale Abfallentsorgungsbetriebe bieten diese Dienstleistung an. Daneben sind regionale Unternehmen stark vertreten.

Im Branchenverband BNS sind 80 mittelständische Unternehmen vertreten, die Lebensmittel abholen und verarbeiten. "Es ist ein sehr beständiger Markt", sagt Geschäftsführer Uwe Kohl. Zu kämpfen haben Kohl und seine Kollegen vor allem gegen die Macht der führenden Anbieter: "Die Großen können auch mal über eine längere Zeit für niedrige Preise arbeiten. Bei unserem Mitgliedern geht das direkt an die Substanz."

Energie aus Abfall

Ob groß oder klein: Die Verwertungskette ist ausgeklügelt. Aus den Speiseabfällen wird meist Energie gewonnen. Am liebsten würden viele Entsorger die Reste als Tierfutter weiterverkaufen - das ist aber seit vier Jahren verboten. Eine EU-Verordnung will verhindern, dass sich so Krankheiten verbreiten.

Daher fahren die meisten Lastwagen jetzt zu Biogasanlagen. ReFood und Veolia betreiben je vier eigene Kraftwerke. Die regionalen Unternehmer verfügen teils über kleinere Anlagen, teils liefern sie ihre Fuhren bei Biogasanlagen in der Region ab. Der Abfall wird dort desinfiziert und hygenisiert. Aus dem vergärenden Speiseresten entsteht Methangas, wenn das verbrannt wird, entsteht Strom und Wärme. Immerhin 54.000 Megawattstunden Strom produziert ReFood nach eigenen Angaben auf diese Weise, bei Veolia sind es etwa 30.000 Megawattstunden pro Jahr. Damit könnten die beiden Unternehmen eine Stadt mit etwa 25.000 Haushalten versorgen.

Damit jedoch nicht genug: Selbst die völlig vergorenen Reste werden weiterverkauft. Etwa ein Monat, nachdem die Mülltonne vor dem Restaurant geleert wurde, ist aus den Speiseresten Dünger geworden. Manche fahren sammeln danach noch literweise altes Öl aus Friteusen ein - und betreiben ihren Fuhrpark mit selbst gewonnenem Biosprit. Die Entsorger sind stolz auf das Modell: "Wir gewinnen nachhaltige Energie aus Reststoffen", sagt Derichs.

Viel Luft nach oben sehen die Anbieter jedoch nicht mehr: "Die Verwertungskette ist eigentlich optimiert", sagt BNS-Geschäftsführer Kohl. Die größte Herausforderung bleibt daher, möglichst schnell jeden neuen Betrieb ausfindig zu machen, der mit Lebensmitteln zu tun hat. Um dann auch zur neuen Imbissbude schnellstmöglich den eigene Lastwagen zu schicken - und aus Speiseresten Energie zu machen.

© SZ vom 16.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: